Leitsatz
§ 21 FamFG begründet für das entscheidende Gericht ein Recht, das Verfahren nach pflichtgemäßem Ermessen auszusetzen, jedoch keine Aussetzungspflicht. Eine Erbunwürdigkeitsklage kann bei pflichtgemäßer Ermessensausübung nur dann die Aussetzung des Verfahrens zur Feststellung der Erben rechtfertigen, wenn ihr nach dem Klagevorbringen eine gewisse Erfolgsaussicht zuzubilligen ist.
OLG Rostock, Beschluss vom 31. August 2011 – 3 W 58/11
Sachverhalt
Die Erblasserin, die am 16.11.2010 verstorben ist, hatte in einem gemeinschaftlichen Testament mit ihrem vorverstorbenen Ehemann, in dem beide sich gegenseitig als befreite Vorerben eingesetzt hatten, die Beteiligten zu 1. bis 3. als ihre gemeinsamen Kinder zu Nacherben zu gleichen Teilen eingesetzt.
Am 14.1.2011 beantragten die Beteiligten zu 1. und 2. einen Erbschein des Inhalts, dass die Beteiligten zu 1. bis 3. Erben zu je 1/3 seien. Die Beteiligte zu 3., der zu diesem Antrag rechtliches Gehör gewährt wurde, wandte hiergegen ein, dass die Beteiligten zu 1. und 2. am Tod der Erblasserin schuld seien und zudem die Erblasserin gegen ihren Willen in ein betreutes Wohnen hätten verbringen und das zum Nachlass gehörende Hausgrundstück verkaufen wollen.
Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss festgestellt, dass die Beteiligten zu 1. bis 3. Erben zu je 1/3 nach der Erblasserin sind. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass Bedenken gegen das Testament nicht bestünden. Selbst aber wenn solche vorliegen würden, wäre ein Erbschein mit diesem Inhalt zu erteilen und daher diese Erbfolge festzustellen, weil die testamentarische der gesetzlichen Erbfolge entspreche. Soweit die Beteiligte zu 3. gegen die Feststellung der Erben offenbar Erbunwürdigkeit der Beteiligten zu 1. und 2. einwenden wolle, sei dies nicht im Erbscheinsverfahren, sondern im Rahmen einer Erbunwürdigkeitsklage zu prüfen. Letztere, die zur Aussetzung des Erbscheinsverfahrens führen könne, sei nicht anhängig. Die Beteiligte zu 3. hat gegen diesen Beschluss unter dem 13.3.2011 Beschwerde eingelegt, der das Amtsgericht mit Beschluss vom 16.3.2011 nicht abgeholfen hat. Mit weiterem begründenden Schriftsatz vom 8.4.2011 greift sie die Wirksamkeit des Testaments unter Hinweis darauf an, dass die Zugehörigkeit eines Grundstücks zum Nachlass einer befreienden Vorerbenstellung widerspreche.
Auf den Hinweis der Senatsvorsitzenden, dass der Beschwerde wenig Aussicht auf Erfolg beizumessen sei, beantragt die Beteiligte zu 3. nunmehr, das Beschwerdeverfahren auszusetzen, da sie zwischenzeitlich eine Erbunwürdigkeitsklage anhängig gemacht habe und hierüber bereits das schriftliche Vorverfahren angeordnet sei.
Die Beteiligten zu 1. und 2. sind der Aussetzung des Erbscheinsverfahrens mit der Begründung entgegengetreten, dass die Erbunwürdigkeitsklage jedenfalls noch nicht rechtshängig sei. In der Sache selbst machen sie geltend, dass sie zeitnah einen Erbschein benötigen, da zum Nachlass ein Haus gehöre, welches jetzt leer stehe. Da sich die Beteiligten auf eine Verwertung nicht einigen könnten, beabsichtigten die Beteiligten zu 1. und 2. die Teilungsversteigerung.
Aus den Gründen
1. Gemäß § 21 FamFG kann das Verfahren ausgesetzt werden, wenn hierfür ein wichtiger Grund vorliegt. Das ist u. a. dann der Fall, wenn eine Entscheidung in einem anderen Verfahren für die Entscheidung in dem auszusetzenden Verfahren vorgreiflich ist. Über die Aussetzung des Verfahrens kann das Gericht von Amts wegen entscheiden. Gleichwohl können die Parteien gem. § 24 Abs. 1 FamFG eine solche Entscheidung anregen. Als eine solche Anregung wertet der Senat den Aussetzungsantrag der Beteiligten zu 3.
Mit ihrem Aussetzungsantrag, dem sie die Erbunwürdigkeitsklage in Kopie beigefügt hat, macht die Beteiligte zu 3. deutlich, dass sie sich auch im Beschwerdeverfahren auf eine Erbunwürdigkeit der Beteiligten zu 1. und 2. stützen will. Ein mögliches Vorliegen der Erbunwürdigkeitsgründe des § 2339 Abs. 1 BGB führt nicht automatisch dazu, dass der Erbe seine Erbschaftsinhaberschaft verliert. Hierzu bedarf es gem. § 2340 BGB einer Anfechtung, die im Wege der Anfechtungsklage des § 2342 BGB zu erfolgen hat. Dementsprechend ist eine Anfechtung wegen Erbunwürdigkeit im Erbscheinsverfahren selbst nicht möglich (BayObLG, Beschl. v. 4.10.1973, BReg 1 Z 18/73, RPfleger 1973, 431; Palandt/Weidlich, BGB, 70. Aufl., § 2341 Rn 1). Da aber eine rechtskräftige Gestaltungsklage, die die Erbunwürdigkeit bestätigt, gem. § 2344 BGB dazu führt, dass die Erbschaftsinhaberschaft des Betroffenen rückwirkend entfällt und er demgemäß nicht mehr als Erbe festzustellen ist, ist das angestrengte Klageverfahren gegenüber dem Erbscheinsverfahren vorgreiflich.
Für eine Aussetzung des Verfahrens genügt es, wenn das weitere Verfahren, dessen Entscheidung vorgreiflich ist, anhängig und seinerseits nicht ausgesetzt ist. Eine Rechtshängigkeit ist nicht erforderlich (Keidel/Sternal, FamFG, 16. Aufl., § 21 Rn 10).
§ 21 FamFG begründet für das entscheidende Gericht ein Recht, das Verfahren nach pflichtgemäßem Ermessen aus...