1. Internationale Zuständigkeit
Verstirbt ein deutscher Staatsbürger mit Wohnsitz in Singapur, stellt sich zunächst die Frage, welches Gericht für Entscheidungen in der Erbsache international zuständig ist.
Durch die EU-ErbVO wird diese Frage für Erbfälle mit Auslandsberührung neu geregelt. Grundsätzlich, also insbesondere ohne Beachtung der Besonderheiten, die eine Rechtswahl nach Art. 22 EU-ErbVO mit sich bringen kann, sind gemäß Art. 4 EU-ErbVO für den gesamten Nachlass die Gerichte des Mitgliedsstaates zuständig, in welchem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen "gewöhnlichen Aufenthalt" hatte.
Aufgabe der Rechtsprechung wird es sein, den Begriff des "gewöhnlichen Aufenthalts" mit Konturen zu versehen. Dabei bietet es sich an, die Erwägungen des Verordnungsgebers heranzuziehen. Gemäß Erwägungsgrund 23 EU-ErbVO sollte eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und im Zeitpunkt seines Todes vorgenommen werden. Dabei sollen alle relevanten Tatsachen berücksichtigt werden, insbesondere die Dauer und die Regelmäßigkeit des Aufenthalts des Erblassers in dem betreffenden Staat sowie die damit zusammenhängenden Umstände und Gründe. Der gewöhnliche Aufenthalt soll eine besonders enge und feste Bindung zu dem betreffenden Staat erkennen lassen. Jedenfalls kann eine Person – selbst wenn sie in beiden Staaten Wohnungen unterhält – nur einen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne der Verordnung haben.
Hat sich ein deutscher Erblasser aus beruflichen oder wirtschaftlichen Gründen nach Singapur begeben, um dort zu arbeiten, erhält er aber gleichzeitig eine enge und feste Bindung zu seinem Herkunftsstaat aufrecht und hat dort ein gefestigtes familiäres und soziales Netzwerk, kann die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts schwierig sein. Eine Beurteilung des Einzelfalls kann ergeben, dass der Erblasser trotz Wohnsitz in Singapur seinen gewöhnlichen Aufenthalt weiterhin in Deutschland hat (vgl. auch Erwägungsgrund 24 EU-ErbVO) und somit gemäß Art. 4 EU-ErbVO die deutschen Gerichte zuständig sind. Letztlich wird es auf diese Frage aber häufig nicht ankommen. Denn selbst wenn der gewöhnliche Aufenthalt in Singapur lag, sind die deutschen Gerichte für eine Entscheidung in der gesamten Erbsache zuständig, wenn sich in Deutschland noch Nachlassvermögen befindet, Art. 10 Abs. 1 lit. a EU-ErbVO.
2. Anwendbares materielles Recht
Die EU-ErbVO führt zu einer wesentlichen Änderung gegenüber der bisherigen Rechtslage. Vor Geltung der Verordnung knüpfte die Frage des anwendbaren Rechts grundsätzlich an die Staatsangehörigkeit des Erblassers an, Art. 25 Abs. 1 EGBGB aF. Ein deutscher Erblasser konnte sich daher, zumindest mit Blick auf sein in Deutschland befindliches Vermögen, sicher sein, dass deutsche Gerichte in seiner Erbsache deutsches Erbrecht anwenden würden.
Gemäß Art. 21 Abs. 1 EU-ErbVO unterliegt die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen allerdings nun grundsätzlich dem Recht des Staates, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Ob es sich dabei um einen Mitgliedstaat oder um einen Drittstaat, wie etwa Singapur, handelt, ist unerheblich, Art. 20 EU-ErbVO. Ergibt sich aus der Gesamtheit der Umstände indes eine offensichtlich engere Verbindung des Erblassers zu einem anderen Staat als dem des gewöhnlichen Aufenthalts, soll dessen Recht Anwendung finden, Art. 21 Abs. 2 EU-ErbVO.
3. Zwischenergebnis
Nach nun geltender Rechtslage sind grundsätzlich gemäß Art. 4 EU-ErbVO für den gesamten Nachlass die Gerichte des Mitgliedsstaates zuständig, in welchem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Im Fall eines deutschen Erblassers mit gewöhnlichem Aufenthalt in Singapur ergibt sich allerdings aus Art. 10 Abs. 1 lit. a EU-ErbVO dennoch eine Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die gesamte Erbsache, wenn sich in Deutschland Nachlassvermögen befindet. In der Praxis dürfte dies regelmäßig der Fall sein, weshalb die Zuständigkeit deutscher Gerichte selten ein Problem darstellen sollte.
Das anwendbare materielle Recht richtet sich gemäß Art. 21 Abs. 1 EU-ErbVO hingegen grundsätzlich nach dem gewöhnlichen Aufenthalt. Aufgrund des unklaren Begriffs besteht hier Rechtsunsicherheit. Bei der Gestaltung der letztwilligen Verfügung sollte soweit wie möglich darauf geachtet werden, den gewöhnli...