Zugleich eine Besprechung des Urteils FG München v. 15. Juni 2011 – 4 K 396/11 (Rev. II R 45/11)
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Behält ein Beschenkter sein Geschenk nicht, sondern schenkt es gleich an einen Dritten weiter, stellt sich regelmäßig die Frage, inwieweit er überhaupt bereichert war. Es zeigen sich Tendenzen, für steuerliche Zwecke von der Anwendung zivilrechtlicher Wertungen abzuweichen.
1. Einleitung
In der – freilich recht alten – Rechtsprechung des BFH wurde die sog. Kettenschenkung zunächst als Gestaltungsmissbrauch gewürdigt; der weitergeleitete Erwerb sollte bei der ersten Schenkung in Abzug gebracht und vom Zweitempfänger als unmittelbar vom Erstschenker stammend besteuert werden. Diese Rechtsprechung schränkte der BFH später ein: Für einen solchen Durchgriff sei eine Willensäußerung des (Erst-)Schenkers erforderlich, durch die der Erstempfänger zur Weitergabe der Schenkung veranlasst wird. In der Literatur wurde auch diese Entscheidung des BFH richtigerweise als noch zu weitgehend kritisiert. Entscheidend sei vielmehr, ob dem Ersterwerber ein eigener Entscheidungsspielraum verbleibt, das Erhaltene weiterzugeben oder nicht. Nur wenn ein solcher Entscheidungsspielraum fehlt, weil der Zwischenerwerber auch ohne rechtlich bindende Verpflichtung so festgelegt ist, dass er sich der Weitergabe faktisch nicht entziehen kann, soll eine unangemessene rechtliche Gestaltung vorliegen, die einen Durchgriff und damit eine Besteuerung des Erwerbs des Zweiterwerbers vom Schenker rechtfertigt. Wenn vertraglich eine Weiterschenkungsklausel vereinbart ist, nimmt der BFH eine Schenkung unter Auflage an.
2. Die Entscheidung des FG München
Zuletzt hatte das FG München über zwei unmittelbar aufeinanderfolgende, im Übrigen aber nicht verknüpfte Schenkungen von Miteigentumsanteilen an einem Grundstück zu entscheiden. Aufgrund eines notariell beurkundeten Vertrags (UR-Nr. S 0630 des Notars) schenkten die Eltern ihrem Sohn jeweils einen Miteigentumsanteil zu 1/2 an einem Grundstück. Durch notarielle Urkunde vom gleichen Tag (UR-Nr. S 0631 desselben Notars) übertrug der Sohn dann seiner Ehefrau einen Miteigentumsanteil von 1/2 an diesem Grundstück.
Das Gericht urteilte in seiner nicht rechtskräftigen Entscheidung, dass ein zwischengeschalteter Dritter, der den geschenkten Gegenstand sogleich weiterschenkt, schenkungsteuerlich grundsätzlich nicht bereichert sei. Die Ausrichtung des Schenkungsteuerrechts am Zivilrecht schließe nicht aus, dass zivilrechtlich zwei unentgeltliche Zuwendungen vorliegen, schenkungsteuerlich aber der Zwischenerwerb unbeachtlich sei, weil der zwischengeschaltete Dritte nicht bereichert ist.
Der BFH hatte bereits in seinem Urteil vom 10.3.1993 entschieden, dass es regelmäßig an der Entscheidungsmöglichkeit des Zwischenerwerbers fehle, wenn der Abschluss der Verträge an einem Tag in aufeinanderfolgenden Urkundennummern erfolge und die Verträge inhaltlich untereinander abgestimmt sind. Die inhaltliche Abstimmung ergab sich daraus, dass die von beiden Eltern jeweils zugewandten Mittel in der Summe einer vorher vertraglich eingegangenen Einlageverpflichtung in eine GbR entsprachen und auch nur zu diesem Zweck verwendet werden durften.
An einer solchen inhaltlichen Abstimmung der Schenkungsverträge fehlte es vorliegend. Das FG München lässt schon die aufeinanderfolgenden Urkundennummern ausreichen und vertritt die Auffassung, dass selbst wenn zivilrechtlich zwei Schenkungen vorliegen, schenkungsteuerlich der Zwischenerwerb stets unbeachtlich sei, sofern der Zwischenerwerber schenkungsteuerlich nicht bereichert ist. Die grundsätzliche Anknüpfung des Schenkungsteuerrechts an zivilrechtliche Tatbestände schließe es nicht aus, zivilrechtliche Gestaltungen und Begriffe entsprechend ihrer steuerrechtlichen Bedeutungszusammenhänge selbstständig zu interpretieren. Bereicherung im schenkungsteuerlichen Sinne setze eine Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit voraus, auf dessen Besteuerung die Erbschaft- und Schenkungsteuer abziele. An der Steigerung der Leistungsfähigkeit eines Zwischenerwerbers fehle es aber, wenn dieser den Gegenstand gleich weiterschenke. In den typischen Fällen der Kettenschenkungen sind Personen mit engen persönlichen Beziehungen beteiligt. Die Weitergabe sei in der Regel dem ursprünglichen Schenker bekannt und unter den Beteiligten abgestimmt. Die entsprechenden Verträge seien bereits vorbereitet, sodass der weitere Verlauf typischerweise vorgezeichnet sei.
Die Tatsache, dass die Verträge in einem Zug abgeschlossen wurden, führte beim Gericht zu der (tatsächlichen) Vermutung, dass der Sohn hinsichtlich des weitergereichten Miteigentums nicht bereich...