Einführung
Der im deutschen Recht beliebte, in anderen Rechten verbotene Erbvertrag erfährt im kollisionsrechtlichen Teil der neuen europäischen Erbrechtsverordnung (ErbRVO) eine ausdrückliche Regelung. Zentrale Bestimmung ist Art. 25 ErbRVO, der Zulässigkeit, materielle Wirksamkeit und Bindungswirkungen des Erbvertrags betrifft. Das auf die Form des Erbvertrags anwendbare Recht wird nach Art. 27 ErbRVO bestimmt. Die Verordnung lehnt sich an das von Deutschland nicht gezeichnete Haager Erbrechtsübereinkommen (HErbÜ) an. Art. 25 ErbRVO beruht auf Art. 9–12 HErbÜ. Bereits der in Art. 3 Abs. 1 lit. b ErbRVO legaldefinierte Erbvertragsbegriff wirft Abgrenzungsfragen auf. Er kann nicht mit dem deutschen sachrechtlichen Terminus gleichgesetzt werden. So sind beispielsweise ein Erbverzicht, ein in verschiedenen Urkunden enthaltenes gemeinschaftliches Testament oder eine nicht vollzogene Schenkung von Todes wegen des deutschen Rechts Erbverträge iSd Verordnung. Der folgende Beitrag untersucht die Ermittlung des anwendbaren Rechts nach Art. 25 ErbRVO. Sie ist insbesondere für die rechtsberatende Praxis von Bedeutung, da sie auf den Moment, in dem der Erbvertrag errichtet wird, abstellt und somit den im Beratungszeitpunkt kollisionsrechtlich eröffneten Handlungsspielraum absteckt. Zudem gestattet Art. 25 Abs. 3 ErbRVO eine Rechtswahl, die bei der Nachlassplanung zu bedenken ist. Das Formstatut des Art. 27 ErbRVO erweist sich vor allem wegen seiner Anknüpfung an den Errichtungsort in Art. 27 Abs. 1 lit. a) ErbRVO aus rechtsberatender Sicht als wesentlich "unproblematischer".
I. Regelungsziel und -technik
Art. 25 ErbRVO beruht – wie Art. 24 ErbRVO auch – auf dem Regelungsanliegen, das anwendbare Recht aus Gründen der Rechtssicherheit bereits im Zeitpunkt der Errichtung des Erbvertrags zu fixieren. Hierzu bedarf es einer gesonderten Anknüpfung, denn prinzipiell wird das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbare Recht erst im Zeitpunkt, zu dem der Erblasser verstirbt, bestimmt. Art. 25 Abs. 1 und 2 ErbRVO bedienen sich für diese gesonderte Anknüpfung einer Fiktion: Der Tod des Erblassers am Tag, an dem der Erbvertrag geschlossen wurde, wird fingiert, und aufgrundlage dieser Hypothese das anwendbare Recht nach der Verordnung ermittelt. Diese Regelungstechnik verwenden auch Art. 9 f HErbÜ und Art. 26 Abs. 5 S. 1 EGBGB. Aus ihr leitet sich die Bezeichnung "hypothetisches Erbstatut" ab. Synonym ist der Begriff "Errichtungsstatut", der die zeitliche Fixierung auf den Moment des Vertragsschlusses in den Vordergrund rückt.