BGB § 249 § 252
Leitsatz
Beim Ersatz von Verdienstausfallschaden sind im Wege der Vorteilsausgleichung ersparte berufsbedingte Aufwendungen anzurechnen, weil sie in einem inneren Zusammenhang mit dem erlittenen und vom Schädiger zu tragenden Erwerbsschaden stehen. In Ermangelung anderer Angaben ist eine Pauschalierung der berufsbedingten Aufwendungen i.H.v. 10 % des Nettoeinkommens vorzunehmen, wenn keine besonderen, vom Geschädigten vorzutragenden (und ggf. zu beweisenden) Umstände vorliegen, aus denen sich niedrigere Aufwendungen ergeben.
OLG München, Urt. v. 26.3.2019 – 24 U 2290/18
Sachverhalt
Der bei einem Verkehrsunfall verletzte Kl. hat die in voller Höhe haftenden Bekl. (Fahrer des am Unfall beteiligten Pkw und die Haftpflichtversicherung des Pkw) unter anderem auf Ersatz des behaupteten Verdienstausfalls aus einer Nebentätigkeit als Limousinenfahrer in Anspruch genommen. Einen Anspruch gegen seinen Arbeitgeber aus der Nebentätigkeit auf Lohnfortzahlung machte er nicht geltend. Das LG wies den allein noch in der Berufungsinstanz anhängigen Anspruch aus dem Verdienstausfall für die Nebentätigkeit mit der Begründung ab, dass der Kl. den Anspruch auf Lohnfortzahlung nicht geltend gemacht habe. Dem folgte der Senat nicht, kürzte aber den Anspruch auf Verdienstausfall um die mit dem Wegfall der Verpflichtung aus der Nebentätigkeit entfallenen berufsbedingten Aufwendungen.
2 Aus den Gründen:
"…"
[41] c) Zu dem ersatzfähigen Schaden zählt nach §§ 252 BGB, 11 StVG der Verdienstausfall. Für die Schadensfeststellung gilt nach § 252 S. 2 Alt. 1 BGB derjenige Gewinn als entgangen, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Zweck der Bestimmung ist es, dem Geschädigten den Beweis zu erleichtern. Ist ersichtlich, dass der Gewinn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder den besonderen Umständen mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte, dann wird vermutet, dass er gemacht worden wäre. Volle Gewissheit, dass der Gewinn gezogen worden wäre, ist nicht erforderlich (BGH, Urt. v. 26.7.2005 – X ZR 134/04 – NJW 2005, 3348 m.w.N.). Der Kl. war zur Zeit des Unfalls seit vier Monaten, seit dem Juni 2016, als Limousinenfahrer tätig. Er hat den Nebenjob aufgrund der unfallbedingten Verletzungen verloren. Anhaltspunkte dafür, dass er ihn aus anderen Gründen im streitgegenständlichen Zeitraum verloren hätte, liegen nicht vor. Daher haben die Bekl. den Verdienstausfall aus dieser Tätigkeit zu ersetzen.
[42] d) Entgegen der Ansicht des LG entfällt der Anspruch nicht deshalb, weil der Kl. gegen seinen Arbeitgeber keine Lohnfortzahlung geltend gemacht hat. Die Geltendmachung von Lohnfortzahlungsansprüchen ist keine Obliegenheit, die der verletzte Arbeitnehmer dem Schädiger zur Schadensminderung schuldet. Sie hat nur eine Abwälzung des Schadens zur Folge […], weil der Anspruch kraft Gesetzes – § 6 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz – auf den Arbeitgeber übergeht. Damit kommt eine Entgeltfortzahlung im Ergebnis dem Schädiger nicht zugute (BGH, Urt. v. 28.1.1986 – VI ZR 151/84 Rn 12, NJW 1986, 1486). Ohnehin hätte ein Anspruch auf Lohnfortzahlung nur für sechs Wochen bestanden, während dem Kl. wenigstens für zehn Monate ein Verdienstausfallschaden entstanden ist.
[43] e) Bei der Ermittlung der Einkünfte, die der Kl. ohne die Verletzung in den Monaten Oktober 2016 bis Juli 2017 erzielt hätte, ist auf die durchschnittlichen Einkünfte aus den Monaten Juni bis September 2016 abzustellen, auch wenn diese stark schwanken. Unstreitig ergibt sich ein durchschnittlicher monatlicher Verdienst von 254,38 EUR.
[44] f) Der Kl. hat sich durch den Wegfall seiner Beschäftigung berufsbedingte Aufwendungen erspart, die im Wege der Vorteilsausgleichung anzurechnen sind, weil sie in einem inneren Zusammenhang mit dem erlittenen und vom Schädiger zu tragenden Erwerbsschaden stehen. In Ermangelung anderer Angaben nimmt der Senat mit dem 10. Zivilsenat (OLG München, Urt. v. 29.4.2011 – 10 U 4208/10 –, Rn 43) eine Pauschalierung der berufsbedingten Aufwendungen i.H.v. 10 % des Nettoeinkommens vor, wenn keine besonderen, vom Geschädigten vorzutragenden (und ggf. zu beweisenden) Umstände vorliegen, aus denen sich niedrigere Aufwendungen ergeben.
[45] Dies ist hinsichtlich des Nebenjobs als Limousinenfahrer nicht der Fall. Der Kl. hatte Fahrtkosten zur Arbeit, da er von seiner Wohnung zunächst im Zentrum von A., später in L., zum Firmensitz in K. eine Strecke von einfach jeweils ca. 13 km zurückzulegen hatte. Seine Angabe, er wäre mit dem Fahrrad gefahren, hat der Kl. in der Anhörung dahin eingeschränkt, dass er bei schönem Wetter mit dem Fahrrad gefahren wäre. Da in die Zeit der Arbeitsunfähigkeit auch das Winterhalbjahr fällt, ist davon auszugehen, dass regelmäßig auch Fahrtkosten angefallen wären.
[46] Zudem musste der Kl. im Nebenjob selbst für seine Arbeitskleidung sorgen. Für die vorgeschriebene elegante Kleidung – der Kl. erwähnte selbst den Smoking, den er bei manchen Fahrten trug – wären Reinigungskosten entstanden, die der Kl. selbst hätte tragen müssen...