Prof. Dr. Roland Rixecker
" … Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kl. hat bereits dem Grunde nach gegen die Bekl. keinen Anspruch auf Leistung aus dem Versicherungsvertrag i.V.m. den §§ 1 S. 1, 2 Abs. 2 S. 2 VVG. Die Voraussetzungen des § 1 S. 1 VVG, wonach sich der Versicherer nach dem Versicherungsvertrag verpflichtet, ein bestimmtes Risiko des Versicherungsnehmers durch eine Leistung abzusichern und bei Eintritt des vereinbarten Versicherungsfalls diese zu erbringen, sind zwar an sich erfüllt.
Zwischen den Parteien ist zunächst ein Versicherungsvertrag wirksam zu Stande gekommen. Mit dem Antrag auf Fahrzeugversicherung des Kl. vom 14.12.2009 und der Annahme der Bekl. vom 19.12.2009 liegt ein versicherungsrechtlicher Neuvertrag vor. Maßgeblich für die Abgrenzung zwischen Neuabschluss zur Änderung eines bestehenden Vertrages sind der zum Ausdruck gebrachte Vertragswille und zumindest die Änderung eines Vertragsmerkmals, die so wesentlich ist, dass der geänderte Vertrag einem Neuabschluss gleichkommt. Eine solch wesentliche Änderung stellt i.d.R. der Wechsel der Vertragsparteien dar (Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., 2010, Art. 1 EGVVG, Rn 13). Daran gemessen haben sich hier die Vertragsparteien geändert. Der Kl. hat nicht hinreichend in seinen Antrag zum Ausdruck gebracht, dass er den Vertrag seines, bereits bei der Bekl. versicherten Vaters übernehmen wollte. Vielmehr hat er beim Ausfüllen des Antrags auf Fahrzeugversicherung angegeben, dass Versicherungsnehmer und Halter des Fahrzeugs er selbst ist.
Der Versicherungsvertrag umfasst sowohl eine Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung als auch eine Kaskoversicherung. Beides wurde mit Schreiben vom 14.12.2009 beantragt und der Antrag am 19.12.2009 von der Bekl. angenommen. Weicht der Versicherungsschein inhaltlich – wie hier bezüglich des Versicherungsbeginns – von dem Antrag des Versicherungsnehmers oder den getroffenen Vereinbarungen ab, so gilt die Abweichung als genehmigt, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb eines Monats nach Zugang des Versicherungsscheins in Textform widerspricht, § 5 Abs. 1 VVG. Jedoch ist der Versicherungsnehmer bei der Übermittlung des Versicherungsscheins darauf hinzuweisen, dass die Abweichung als genehmigt gelten soll, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb eines Monats nach Zugang des Versicherungsschreibens in Textform widerspricht, § 5 Abs. 2 S. 1 VVG. Jede Abweichung und die damit verbundene Rechtsfolge ist dem Versicherungsnehmer durch auffälligen Hinweis im Versicherungsschein mitzuteilen, § 5 Abs. 2 S. 2 VVG. Ein Abweichen liegt vor, wenn der Inhalt des Versicherungsscheins vom Antrag abweicht.
Der Kl. hat mit dem Antrag den Abschluss eines Vollkasko- und eines Haftpflichtversicherungsvertrags begehrt. Diesen Antrag hat die Bekl. durch Schreiben vom 19.12.2009 mit der Formulierung, dass er den “gewünschten Versicherungsschutz’ erhalte, angenommen. Erst mit Aushändigung des Versicherungsscheins vom 2.2.2010 wurde dem Kl. das Abweichen bezüglich des Versicherungsbeginns in der Kaskoversicherung mitgeteilt, ohne dass diese Abweichung dem Kl. ausreichend deutlich gemacht wurde. Die Bekl. hat den Versicherungsbeginn vielmehr ohne Hervorhebung abweichend vom Antrag des Kl. geändert, sodass der Vollkaskoversicherungsschutz grds. ab dem 4.12.2009 bestanden haben dürfte.
Die Bekl. ist dennoch nicht zur Leistung aus dem Versicherungsvertrag verpflichtet, weil sie gem. § 2 Abs. 2 S. 2 VVG leistungsfrei geworden ist. Denn der Kl. als Versicherungsnehmer hatte bei Abgabe seiner Vertragserklärung am 14.12.2009 Kenntnis davon, dass bereits ein Versicherungsfall eingetreten ist. Eine Leistungsbefreiung nach § 2 Abs. 2 S. 2 VVG liegt hingegen nicht vor, wenn der Versicherer bei der Abgabe seiner Vertragserklärung ebenfalls davon Kenntnis hat, dass ein Versicherungsfall schon eingetreten ist (vgl. Schwintowksi/Brömmelmeyer, VVG, 2008, § 2 Rn 15; BGH VersR 1963, 523; VersR 1996, 742).
Dies zugrunde legend lässt sich – entgegen der Behauptung des Kl. – nicht feststellen, dass der zuständige Mitarbeiter der Bekl. bei der Abgabe seiner Vertragserklärung am 19.12.2009 Kenntnis des am 13.12.2009 eingetretenen Versicherungsfalles hatte. Kenntnis des Versicherers bedeutet auch i.S.d. § 2 Abs. 2 VVG, dass der mit der betreffenden Versicherung befasste Mitarbeiter Kenntnis von dem Schaden hat. Zwar ist nach Lage der Akten davon auszugehen, dass der Kl. der Bekl. den Schaden am Abend des 13.12.2009 über deren Hotline telefonisch mitgeteilt und die Bekl. ihm mit Schreiben vom 18.12.2009 eine Ausfertigung zum eingeholten Schadenbericht übermittelt hat. Soweit der Kl. dazu behauptet, dass der zuständige Mitarbeiter der Bekl. damit Kenntnis von dem Schaden erlangt habe, ist sein bereits für sich genommenes lebensfremdes Vorbringen zu pauschal und unsubstantiiert, um festzustellen, dass die Information über den Schaden vom 13.12.2009 den zuständigen Mitarbeiter der Bekl. vor Annahme des Versicherungsantrags am 19.12.2009 erreicht hat. Insb. ist der vom Kl. dazu angefüh...