ZPO § 103 § 767 § 775 Nr. 4 und 5
Leitsatz
1. Das Festsetzungsverfahren nach §§ 103 ff. ZPO hat nur den Zweck, die Kostengrundentscheidung der Höhe nach zu beziffern, nicht aber außerhalb dieser Zielsetzung liegende sonstige Streitigkeiten zwischen den Parteien zu entscheiden, weshalb materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Erstattungsanspruch grds. nicht zu berücksichtigen sind, es sei denn, sie sind zwischen den Parteien unstreitig (vgl. Senat, Beschl. v. 4.1.2019 – 13 WF 1/19, m.w.N., juris).
2. Einwendungen gegen den Fortbestand der tenorierten Verpflichtungen zur Kostentragung können deshalb nicht im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103 ff. ZPO erhoben werden; für sie steht nur der Weg über § 775 Nrn. 4 und 5 ZPO oder die Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO offen (vgl. BGH NJW 2007, 1213, Rn 10 m.w.N. = RVGreport 2007, 276 [Hansens] = AGS 2007, 302).
OLG Brandenburg, Beschl. v. 11.4.2019 – 13 WF 79/19
Sachverhalt
In einer Trennungsunterhaltssache hat das OLG Brandenburg durch Beschl. v. 10.7.2018 die Kosten des Verfahrens wie folgt verteilt: Von den Kosten der I. Instanz haben die Antragstellerin 40 % und der Antragsgegner 60 % zu tragen, von denen der II. Instanz die Antragstellerin 45 % und der Antragsgegner 55 %. Auf der Grundlage dieser Kostenentscheidung hat die Antragstellerin die Ausgleichung ihrer Kosten des Verfahrens beantragt. Der hierzu gehörte Antragsgegner hat eingewandt, der Kostenausgleichung stehe ein in einem anderen Verfahren der Beteiligten vor dem AG protokollierter Vergleich vom 29.1.2019 entgegen, in dem die Antragstellerin auf Kostenerstattung verzichtet habe. Dem ist die Antragstellerin vehement und unter Hinweis auf das Fehlen jeglicher Anhaltspunkte für einen solchen Verzicht entgegengetreten.
Der Rechtspfleger des AG Strausberg – FamG – hat den Kostenausgleichungsantrag der Antragstellerin mit der Begründung zurückgewiesen, die Auslegung des Vergleichs vom 29.1.2019 ergebe, dass der Antragstellerin aus dem Beschl. des OLG Brandenburg v. 10.7.2018 kein Kostenerstattungsanspruch zustehe. Die hiergegen von der Antragstellerin eingelegte sofortige Beschwerde hatte Erfolg und führte zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung an das AG Strausberg.
2 Aus den Gründen:
"… 2. …"
Die sofortige Beschwerde hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache in das Kostenfestsetzungsverfahren.
Das Festsetzungsverfahren nach §§ 103 ff. ZPO hat nur den Zweck, die Kostengrundentscheidung der Höhe nach zu beziffern, nicht aber außerhalb dieser Zielsetzung liegende sonstige Streitigkeiten zwischen den Parteien zu entscheiden, weshalb materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Erstattungsanspruch grds. nicht zu berücksichtigen sind, es sei denn, sie sind zwischen den Parteien unstreitig (vgl. Senat, Beschl. v. 4.1.2019 – 13 WF 1/19 –, m.w.N., juris).
Der Senatsbeschl. v. 10.7.2018 stellt nach Form und Inhalt einen zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titel dar, wie keiner der Beteiligten in Zweifel zieht. Der Angriff des Antragsgegners auf den Fortbestand der dort tenorierten Verpflichtungen zur Kostentragung stellt eine materiell-rechtliche Einwendung dar, die zwischen den Parteien streitig ist. Der Antragsgegner kann sie deshalb nicht im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103 ff. ZPO erheben; für sie steht nur der Weg über § 775 Nrn. 4 und 5 ZPO oder die Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO offen (vgl. BGH NJW 2007, 1213, Rn 10 m.w.N. = RVGreport 2017, 276 [Hansens]).
Die Sache war nach § 572 Abs. 3 ZPO an das AG zurückzuverweisen, das bisher die Prüfung der Entstehung, Notwendigkeit und Zugehörigkeit der geltend gemachten Kosten zum Verfahren unterlassen hat. …“
3 Anmerkung:
Die sehr knapp gehaltene Begründung des Beschl. des OLG Brandenburg gibt Anlass, sich mit der Problematik etwas näher zu befassen. Dabei ist zwischen einem im Kostenfestsetzungsverfahren erhobenen Einwand betreffend die Kostenentscheidung einerseits und dem hier vorliegenden Einwand, diese Kostenentscheidung habe wegen anderweitiger Vereinbarungen keinen Bestand mehr, zu unterscheiden.
Einwand betreffend die Kostenentscheidung
In der Praxis geht der Einwand des Erstattungspflichtigen gegen eine Kostenentscheidung meist dahin, die vom Erstattungsberechtigten geltend gemachten Kosten seien von der Kostenentscheidung nicht oder nicht in vollem Umfang erfasst. In diesem Fall hat der mit dem Kostenfestsetzungsverfahren befasste Rechtspfleger/Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Kostenentscheidung auszulegen, wenn sie nicht ohnehin eindeutig ist. Dies kommt etwa für die Frage in Betracht, ob die Kosten eines im Zwangsvollstreckungsverfahren geschlossenen Vergleichs entsprechend § 98 S. 1 ZPO als gegeneinander aufgehoben anzusehen sind oder nicht (siehe den Fall des BGH RVGreport 2007, 276 [Hansens] = AGS 2007, 366 = JurBüro 2007, 411 m. Anm. Enders; siehe hierzu auch N. Schneider AGS 2018, 53).
Ebenso stellt sich in der Praxis häufig die Frage, ob die gerichtliche Entscheidung, nach der ein Antrag oder eine Beschwerde "kostenpflichtig" zurückgewiese...