VVG § 178 § 186; AUB 2012 Ziff. 2.1.1
Leitsatz
Versäumt der VN die als vertragliche Anspruchsvoraussetzung ausgestaltete Frist zur ärztlichen Feststellung der unfallbedingten Invalidität, kann dies weder entschuldigt noch nachgeholt werden. Der VR ist auch nicht zu einem Hinweis auf diese Frist verpflichtet, wenn der VN den Unfall erst nach Fristablauf anzeigt.
OLG Frankfurt, Urt. v. 16.3.2022 – 7 U 244/20
1 Sachverhalt
Der Kl. begehrt von der beklagten Unfallversicherung die Feststellung, dass diese ihm zur Zahlung einer Unfallrente verpflichtet sei.
Mit Schreiben vom 26.3.2019 zeigte der Kl. der Bekl. an, dass er sich am XX.XX.2016 beim Sport durch einen Unfall an der Hüfte verletzt habe und diese Verletzung weiterhin bestehe. Die verspätete Anzeige bat er zu entschuldigen, da er aufgrund einer schweren psychischen Erkrankung nicht in der Lage gewesen sei, den Unfall früher anzuzeigen. Mit weiterem Schreiben vom 19.4.2019 nahm der Kl. Bezug auf ein Ablehnungsschreiben der Bekl. vom 8.4.2019 und erläuterte, dass ihm nach dem Unfall empfohlen worden sei, den Grad der Behinderung feststellen zu lassen. Er habe aus Scham nicht den Mut dazu gehabt, denn eine psychische Erkrankung habe ihn massiv daran gehindert. Den Antrag habe er dann am 17.4.2017 gestellt. Mit Bescheid vom 20.7.2018 sei ihm ein Grad der Behinderung von 50 % bescheinigt worden.
2 Aus den Gründen: "…
Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der Kl. keinen Anspruch auf die begehrte Unfallrente gemäß § 178 Abs. 1 VVG i.V.m. dem Unfallversicherungsvertrag hat …
Der Leistungsanspruch ist ausgeschlossen, weil die vertraglich vereinbarte Frist zur ärztlichen Feststellung der Invalidität nach Ziff. 2.1.1 X AUB 2012 i.V.m. Ziff. 12 X classic nicht gewahrt ist. Die Wirksamkeit entsprechender Fristenregelungen ist in der Rspr geklärt (BGH, VersR 2012, 1113).
Der Kl. hat im Berufungsverfahren eingeräumt, dass es entsprechende ärztliche Feststellungen nicht gebe, sodass dieser Umstand unstreitig geworden ist. Auch die ärztlichen Berichte, die den erstinstanzlichen Schriftsätzen beigefügt waren, datieren nach dem 18-Monats-Zeitraum. Ihnen lässt sich zudem die Diagnose eines unfallbedingten Dauerschadens nicht hinreichend bestimmt entnehmen.
Bei der Frist zur ärztlichen Feststellung der Invalidität handelt es sich um eine Anspruchsvoraussetzung, die dazu dient, schwer aufklärbare und unübersehbare Spätschäden vom Versicherungsschutz auszugrenzen, und deren Versäumnis dazu führt, dass der Rentenanspruch gar nicht erst entsteht und auch nicht entschuldigt werden kann (vgl. stRspr. z.B. BGH VersR 2019, 931, 932 …). Es kommt daher nicht darauf an, dass der Kl. behauptet, aufgrund einer seelischen Erkrankung außerstande gewesen zu sein, die weiteren fristgebundenen Erklärungen (Unfallanzeige und Geltendmachung der Invalidität) früher als am 26.3.2019 abzugeben.
Der Bekl. ist es auch nicht verwehrt, sich auf die Feststellungsfrist wegen etwaig unterbliebener oder unzureichender Belehrung nach § 186 VVG zu berufen. Zwar hat die Bekl. den Kl. auf seine Unfallanzeige vom 26.3.2019 hin nicht nach § 186 VVG belehrt. Da im Zeitpunkt der Unfallanzeige die Feststellungsfrist aber schon abgelaufen war, traf die Bekl. zu diesem Zeitpunkt auch keine Hinweispflicht mehr, denn nach § 186 S. 1 VVG musste die Bekl. nur auf "einzuhaltende Fristen", nicht aber auf abgelaufene Fristen hinweisen.
zfs 3/2023, S. 161 - 162