Das BVerfG hat in dem vom OLG Bamberg wiederholt zitierten Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 2.7.2003 – 2 BvR 273/03 – einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip angenommen in einem Fall, in dem das AG den Betroffenen wegen Verstoßes gegen Art. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 1, § 16 Abs. 1 Nr. 1a AÜG zu einer Geldbuße von 4.000 DM verurteilt hatte und die Durchführung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens in der Beschwerdeinstanz erheblich verzögert worden war, weil das OLG über viereinhalb Jahre keinen Beschluss gefasst hatte. Das BVerfG geht davon aus, dass das Beschwerdegericht zwar zunächst keine eigenen Bußgeldzumessungserwägungen anstellt, sondern auf entsprechende Rüge hin prüft, ob die Rechtsfolgen vom AG gesetzmäßig bemessen worden sind, und führt danach aus:
"Treten von der Justiz verursachte erhebliche und vermeidbare Verzögerungen erst in der Rechtsbeschwerdeinstanz auf, so stellt sich jedoch die Frage, ob das Urteil immer noch mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu vereinbaren ist. Auch erst in der Beschwerdeinstanz auftretende Verzögerungen können nämlich zu Belastungen des Beschwerdeführers führen, die die zunächst möglicherweise unbedenkliche Bußgeldhöhe nachträglich unverhältnismäßig machen; immerhin ist ein – wenn auch nicht rechtskräftiges – Urteil zum Nachteil des Betroffenen in der Welt, dessen Rechtmäßigkeit über einen langen Zeitraum ungeklärt bleibt und das den Betroffenen somit fühlbar belastet."
Das BVerfG meint zwar, dass das Verfahren nicht einzustellen gewesen wäre, führt vielmehr aus:
"Das OLG hätte jedoch prüfen müssen, ob und inwieweit die von ihm selbst verursachte rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung zur Unverhältnismäßigkeit des amtsgerichtlichen Urteils führte und deshalb eine Herabsetzung der Geldbuße gebot."
Unter Zugrundelegung der Ausführungen des BVerfG hätte das OLG Bamberg in dem von ihm entschiedenen Fall berücksichtigen müssen, dass seit der Tat am 29.3.2006 bis zu seiner Entscheidung am 4.12.2008 durch von der Justiz verursachte erhebliche und vermeidbare Verzögerungen insgesamt mehr als 2 Jahre und 8 Monate vergangen waren und nach inzwischen herrschender obergerichtlicher Rspr. der Sinn eines Fahrverbots dann infrage gestellt ist, wenn die zu ahndende Tat mehr als zwei Jahre zurückliegt, es in der Zeit nach dem verfahrensgegenständlichen Verkehrsverstoß zu keinem weiteren Fehlverhalten des Betroffenen im Straßenverkehr gekommen ist und die für die lange Verfahrensdauer maßgeblichen Umstände außerhalb des Einflussbereichs des Betroffenen liegen. Der vom OLG Bamberg hervorgehobene Gesichtspunkt, dass seit der mit dem Fahrverbot geahndeten Geschwindigkeitsüberschreitung vom 29.3.2006 im Zeitpunkt des Urteils des AG am 4.5.2007 erst ein Zeitraum von 13 Monaten verstrichen war, geht an der Tatsache vorbei, dass seit dem 4.5.2007 weitere erhebliche und vermeidbare Verzögerungen von der Justiz verursacht worden sind.
Das OLG Bamberg hätte deshalb prüfen müssen, ob und inwieweit die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung zur Unverhältnismäßigkeit des amtsgerichtlichen Urteils führte und deshalb ein Absehen von der Anordnung des Fahrverbots gebot.
Dr. Hans Jürgen Bode