Verkehrsverwaltungsrecht
Erstmaliger Verstoß eines gelegentlichen Cannabiskonsumenten gegen das Gebot des Trennens von Konsum und Fahren führt regelmäßig nicht unmittelbar zur Entziehung der Fahrerlaubnis (BVerwG, Urt. v. 11.4.2019 – 3 C 13.17, 3 C 14.17, 3 C 7.18, 3 C 2.18, 3 C 8.18, 3 C 9.18)
"… In den beim BVerwG anhängigen Verfahren war bei Verkehrskontrollen jeweils festgestellt worden, dass die Kläger, die gelegentliche Cannabiskonsumenten waren, trotz vorangegangenen Konsums ein Kfz geführt hatten. Aufgrund der ermittelten Konzentration von Tetrahydrocannabinol (THC), dem psychoaktiven Cannabiswirkstoff, im Blutserum von 1 ng/ml oder mehr gingen die Fahrerlaubnisbehörden davon aus, dass die Fahrsicherheit der Kläger beeinträchtigt sein konnte. Daher fehle ihnen nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV wegen fehlender Trennung zwischen dem Cannabiskonsum und dem Führen eines Kfz die Fahreignung. Die Fahrerlaubnisbehörden entzogen den Betroffenen deshalb gestützt auf § 11 Abs. 7 FeV ohne die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens die Fahrerlaubnis."
Die hiergegen erhobenen Klagen sind erfolgreich gewesen, soweit der BayVGH in der Berufung entschieden hat [vgl. BayVGH Urt. v. 25.4.2017 – 11 BV 17.33, zfs 2017, 413]. Er ist der Auffassung, dass die Fahrerlaubnisbehörde bei einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten nach einer erstmaligen, als Ordnungswidrigkeit geahndeten Fahrt mit einem Kfz unter der Wirkung von Cannabis nicht unmittelbar von der Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgehen darf, sondern zur Klärung der damit begründeten Zweifel an der Fahreignung im Ermessenswege über die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu entscheiden hat. Dagegen hat das NRW OVG in dem bei ihm anhängigen Berufungsverfahren die unmittelbare Entziehung der Fahrerlaubnis für zulässig erachtet.
Das BVerwG hat seine bisherige Rechtsprechung (Urt. v. 23.10.2014 – BVerwG 3 C 3.13 [zfs 2015, 173]) bestätigt, dass ein gelegentlicher Konsument von Cannabis den Konsum und das Führen eines Kfz nicht trennt (Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV), wenn bei der Fahrt die Möglichkeit einer cannabisbedingten Beeinträchtigung seiner Fahrsicherheit besteht. Von einer solchen Möglichkeit kann nach wie vor ausgegangen werden, wenn beim Betroffenen im Anschluss an die Fahrt eine THC-Konzentration von 1 ng/ml oder mehr festgestellt wird. Allein dieser erstmalige Verstoß gegen die gebotene Trennung von Konsum und Fahren rechtfertigt indes in der Regel nicht die Annahme, dass sich der Betroffene als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat. An seiner gegenteiligen Annahme im Urt. vom 23.10.2014 hält das BVerwG nicht fest. Auch ein einmaliger Verstoß begründet aber Bedenken gegen die Fahreignung, denen die Fahrerlaubnisbehörde nachgehen muss. Erforderlich ist eine Prognose, ob der Betroffene auch künftig nicht zwischen einem möglicherweise die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Cannabiskonsum und dem Fahren trennen wird. Um hierfür eine ausreichend abgesicherte Beurteilungsgrundlage zu haben, bedarf es in der Regel der Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens. Die Fahrerlaubnisbehörde hat gem. § 46 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 S. 3 FeV nach pflichtgemäßem Ermessen über die Anordnung der Beibringung eines solchen Gutachtens und die hierbei einzuhaltende Frist zu entscheiden. …“
(Quelle: Pressemitteilung BVerwG Nr. 29/2019 vom 11.4.2019)
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Anmerkung:
Das Thema "Cannabis und Straßenverkehr" ist seit Einführung der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) vor ca. 20 Jahren das meist diskutierte Thema im Verkehrsverwaltungsrecht.
Bis heute haben diese Diskussionen zu keinen Anpassungen der Rechtsnormen des §14 und der Anlage 4 zur FeV geführt.
Diesmal musste sich das BverwG wieder mit der Thematik befassen und hat sich zeitgleich zu 5 oberverwaltungsgerichtlichen Entscheidungen geäußert. Bis auf eine Entscheidung des OVG Münster waren vier Entscheidungen des VGH München betroffen. Während der VGH München die bisherige Verwaltungspraxis der Verwaltungsbehörden zutreffend und nachvollziehbar in Frage stellte, bestätigte das OVG Münster diese Umsetzung der FeV durch die Verwaltungsbehörden und hat insbesondere die Eingriffsgrenze von 1 ng/ml THC entgegen den Ausführungen der Grenzwertkommission unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerwG bestätigt.
Bei dem primären Sachverhalt der zu entscheiden war, ging es um die Frage inwieweit eine einmalige Auffälligkeit im Straßenverkehr unter dem Einfluss von Cannabis nach § 24a StVG den sofortigen verwaltungsrechtlichen Entzug der Fahrerlaubnis rechtfertigt.
Die bisherige Auffassung des BVerwG aus einer Entscheidung aus 2014:
Zitat
"… In Bezug auf den zugrunde zu legenden Gefährdungsmaßstab geht das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der ganz überwiegenden verwaltungsgerichtlichen"
Rechtsprechung zutreffend davon aus, dass eine ausreichende Trennung, die eine gelegentliche Einnahme von Cannabis im Hinblick auf die Verkehrssicherheit noch als hinnehmbar erscheinen lässt, nur dann vorliegt, wenn der Betroffene Konsum und Fahren in jedem Fall in einer Weise trennt, dass durch eine vorangegangene Einnahme von Cannabis eine Beeinträchtigung seiner verkehrsrelevanten Eigenschaften unter keinen Umständen eintreten kann. Das bedeutet, dass a...