Dabei ist zwischen verschiedenen Arten von erstellten Sachverständigengutachten zu unterscheiden.
1. Gutachten zur Feststellung der Schadenshöhe
Im Regelfall geht es dabei um Sachverständigengutachten, die erstellt werden, um die Höhe eines eingetretenen Schadens festzustellen. Hier würde der Versicherungsnehmer schlechter gestellt, wenn ihm ein solches Gutachten mit einem entsprechenden Zahlenwerk nicht zur Verfügung gestellt wird, der Versicherer aber selbst über die Höhe des eingetretenen Schadens informiert ist und der Versicherungsnehmer trotz des bereits bestehenden Gutachtens mit zusätzlichem Aufwand einen eigenen Sachverständigen einschalten müsste. Folgerichtig dienen die Feststellungen zur Schadenshöhe im Auftrag des Versicherers auch gerade dem Interesse des Versicherungsnehmers, der im Gegenzug die Kosten für ein eigenes Gutachten grundsätzlich nicht erstattet erhält.
Vor diesem Hintergrund ist in der Rechtsprechung für diese Gutachten zur Schadenshöhe auch die Verpflichtung des Versicherers entwickelt worden, ein solches Gutachten je nach den Umständen des Einzelfalls auch dem Versicherungsnehmer zur Verfügung zu stellen – entweder auf Grundlage des allgemeinen Rechtsgedankens nach Treu und Glauben nach § 242 BGB oder aber als nicht leistungsbezogene Nebenpflicht nach § 241 Abs. 2 BGB. Zumindest in den Fällen, bei denen der Versicherungsnehmer in dieser Weise auf die Schadensermittlung des Versicherers angewiesen ist, muss der Versicherer, damit seinerseits Waffengleichheit herrscht, grundsätzlich auch Einsicht in das Ergebnis des Sachverständigen erhalten. Für die Umsetzung in der Praxis gilt dabei Folgendes: Der Vollkaskoversicherer verletzt gegenüber dem Versicherungsnehmer zwar grundsätzlich weder eine versicherungsvertragliche noch eine leistungsunabhängige Rücksichts- oder leistungsbezogene Treuepflicht, wenn er dem Versicherungsnehmer ein ihm vorliegendes Schadensgutachten nicht unaufgefordert übersendet. Stellt der Vollkaskoversicherer das Schadensgutachten auf Anforderung dem Versicherungsnehmer aber nicht zur Verfügung, kann dies nach h.M. in der Rechtsprechung eine Treuepflichtverletzung darstellen.
Dabei ist aber auch zu beachten, dass einzelne Gerichte diese Vorlagepflicht auf den Fall einer Regulierungszusage des Versicherers beschränken, im Fall einer verweigerten Regulierung den Versicherungsnehmer dagegen auf die allgemeinen Beweislastgrundsätze verweisen und daher einen solchen Anspruch grundsätzlich ablehnen.
2. Gutachten zur Überprüfung des Eintritts des Versicherungsfalls
Hiervon zu unterscheiden sind Sachverständigengutachten, bei denen nicht bzw. nicht nur eine bestimmte Schadenshöhe festgestellt wird, sondern der Ablauf und Eintritt eines Versicherungsfalls und die daraus abgeleiteten Schäden näher überprüft werden. Dies gilt insbesondere für sogenannte unfallanalytische Sachverständigengutachten, mit welchen die Plausibilität eines Unfallablaufs überprüft und bzw. oder untersucht wird, ob die verfolgten Schäden sich als geschlossene Lösung mit dem behaupteten Hergang in Einklang bringen lassen. Derartige Gutachten holt der Versicherer auf eigene Kosten ein, um den Eintritt eines Versicherungsfalls zu überprüfen und ggf. bestehenden Bedenken zu einem vorgetäuschten oder zur Verfolgung von Altschäden ausgenutzten Versicherungsfall nachzugehen. So z.B. bei einem Gutachten, bei dem die Redlichkeit des Versicherungsnehmers als solche im Hinblick auf seine Angaben überprüft wird, während die Höhe des entstandenen Schadens schon feststeht bzw. ein begründeter Verdacht im Hinblick auf eine arglistige Täuschung durch den Versicherungsnehmer besteht.
Bereits nach Zweck und Inhalt des Gutachtens kann daher grundsätzlich kein Anspruch des Versicherungsnehmers nach § 242 BGB auf Herausgabe eines solchen Gutachtens bejaht werden, welches der Versicherer alleine in seinem eigenen Interesse erstellt und auf dessen Erstellung der Versicherungsnehmer auch nach den AKB gar keinen Anspruch hat. Schließlich geht es nicht um die Bestimmung der Höhe eines Schadens, die sich der Versicherer nach den AKB auf eigene Kosten vorbehält, sondern einen eigenen Aufwand des Versicherers, um den Eintritt eines Versicherungsfalls zu prüfen. Eine Herausgabeverpflichtung derartiger Gutachten kann daher (wenn überhaupt) aus § 242 BGB nur im begründeten Ausnahmefall und nach einer vorzunehmenden Güterabwägung bejaht werden.