Vorabentscheidungsverfahren; Fahrerlaubnis; EU-Ausland; Anerkennung; Missbrauch gemeinschaftsrechtlicher Möglichkeiten; Ordentlicher Wohnsitz; Grundfreiheiten; Verkehrssicherheit; Fahrerlaubnissperre; Blutalkoholkonzentration; Alkoholmissbrauch; Trennungsvermögen; Medizinisch-psychologische Untersuchung
EGV Art. 234 Buchst. a; EWGRL 91/439 Art. 1 Abs. 2, Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, Art. 8 Abs. 2, Art. 8 Abs. 4 S. 1, Art. 9; FeV §§ 28 Abs. 1 S. 1, 28 Abs. 4 Nr. 3, 28 Abs. 5 S. 1, 46 Abs. 5 S. 2
Dem Europäischen Gerichtshof werden zur Vorabentscheidung folgende Fragen vorgelegt:
Steht Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 91/439/EWG selbst dann der Anwendung einer Bestimmung des nationalen Rechts entgegen, die im Falle einer vorangegangenen Fahrerlaubnisentziehung im Inland die Möglichkeit der Anerkennung der von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Fahrerlaubnis unter der Voraussetzung eröffnet, dass nachgewiesen ist, dass die ursprünglich zur Fahrerlaubnisentziehung führenden Umstände nicht mehr bestehen, wenn
- die Anerkennung dieser Fahrerlaubnis nicht im Interesse der Verwirklichung der Grundfreiheit der Freizügigkeit der Unionsbürger geboten ist,
- die Fahrerlaubnis im anderen Mitgliedstaat unter offenkundigem Verstoß gegen die Vorschriften dieser Richtlinie (Wohnsitzerfordernis) erteilt worden ist,
- der ausstellende Mitgliedstaat bei der Erteilung der Fahrerlaubnis selbst von diesem offenkundigen Verstoß gegen die Vorgaben der Richtlinie ausgegangen sein muss,
- der ausstellende Mitgliedstaat nach Erkenntnissen des Wohnsitzmitgliedstaates die Aufhebung der gemeinschaftsrechtswidrigen Fahrerlaubnisse generell ablehnt,
- die Fahrerlaubnis vom Betreffenden zum Zwecke der Umgehung der an sich nach der Richtlinie für die Wiedererteilung maßgeblichen Vorschriften des Wohnsitzmitgliedstaates in dem anderen Mitgliedstaat rechtsmissbräuchlich erworben worden ist und dem ausstellenden Mitgliedstaat dieser Rechtsmissbrauch hätte bekannt sein müssen
- und die in Kenntnis der Gründe der ursprünglichen Fahrerlaubnisentziehung im ausstellenden Mitgliedstaat vor der Erteilung der Fahrerlaubnis durchgeführte ärztliche Überprüfung der Fahreignung des Betreffenden offenkundig nicht den Anforderungen genügt hat, die an sie im Hinblick auf die für die frühere Fahrerlaubnisentziehung maßgeblichen Gründe zu stellen sind, so dass die weitere Verkehrsteilnahme des Betroffenen eine erhebliche Gefahr für das Leben und die körperliche Unversehrtheit anderer Verkehrsteilnehmer darstellt?
Für den Fall, dass Frage 1 bejaht wird:
Ist Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG so auszulegen, dass der Wohnsitzmitgliedstaat bei Vorliegen der in Frage 1 beschriebenen Konstellation zwar gehalten ist, die im EU-Ausland erteilte Fahrerlaubnis mit der Folge anzuerkennen, dass der Inhaber im eigenen Hoheitsgebiet grundsätzlich zum Führen von Kraftfahrzeugen berechtigt ist, der Wohnsitzmitgliedstaat aber im Interesse der Verkehrssicherheit zur Abwehr der von diesem Fahrerlaubnisinhaber ausgehenden erheblichen Gefahr zumindest ermächtigt ist, dessen Fahreignung im Hinblick auf diejenigen Umstände zu überprüfen, die früher zur Entziehung der Fahrerlaubnis im Wohnsitzmitgliedstaat geführt hatten und die durch die spätere Erteilung der Fahrerlaubnis in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union gerade nicht als überwunden anzusehen sind?
Mitgeteilt von den Richtern des 10. Senats des VGH Baden-Württemberg, Mannheim