BGB § 823 Abs. 1; ZPO § 286 Abs. 1 S. 1
Zu den Voraussetzungen eines Anscheinsbeweises bei der Feststellung von Brandursachen (hier: Brand einer Scheune nach dem Hantieren mit einem Feuerzeug).
BGH, Urt. v. 19.1.2010 – VI ZR 33/09
Die Klägerin hatte ihren Pkw in der Nähe einer Feldscheune geparkt. Er geriet gegen 15.00 Uhr in Brand, wobei der Brand von der Scheune aus übergriff. In der Scheune hatten sich damals die 11 Jahre alten Beklagten befunden, die kurz vor dem Ausbruch des Brandes mit einem Feuerzeug hantiert hatten.
Das AG hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufungen der Beklagten hat das BG die Klagen abgewiesen. Die von dem BG zugelassenen Revisionen führten zur Verurteilung der Beklagten.
Aus den Gründen:
[6] “… Der Klägerin steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten aus §§ 823 Abs. 1, 840 Abs. 1 BGB zu.
[7] 1. Entgegen der Ansicht des BG hat die Klägerin im Wege des Anscheinsbeweises bewiesen, dass die Beklagten den Brand verursacht haben.
[8] a) Der Beweis des ersten Anscheins greift bei typischen Geschehensabläufen ein, also in Fällen, in denen ein bestimmter Tatbestand nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache für den Eintritt eines bestimmten Erfolgs hinweist (Senatsurt. BGHZ 163, 209, 212). Zutreffend geht das BG davon aus, dass der Beweis des ersten Anscheins grundsätzlich auch bei der Feststellung von Brandursachen in Betracht kommen kann (vgl. Senatsurt. v. 29.1.1974 – VersR 1974, 750; vom 18.10.1983 – r+s 84, 32 = VersR 1984, 63; BGH, Urt. v. 9.11.1977 – r+s 78, 64 = VersR 1978, 74; vom 28.2.1980 – VersR 1980, 532; vom 12.5.1993 – r+s 1993, 348 = VersR 1993, 1351; vom 6.3.1991 – r+s 1991, 171 = VersR 1991, 460; OLG Düsseldorf r+s 1993, 138; OLG Hamm VersR 2000, 55; OLG Köln VersR 1994, 1420; OLG Rostock OLGR 2008, 736). Im Wege des Anscheinsbeweises kann gegebenenfalls von einem bestimmten eingetretenen Erfolg auf die Ursache geschlossen werden (Senatsurt. v. 22.5.1979 – r+s 1979, 238 = VersR 1979, 822; vom 3.7.1990 – r+s 1990, 416 = VersR 1991, 195; vom 5.11.1996 – VersR 1997, 205). Dieser Schluss setzt einen typischen Geschehensablauf voraus (Senatsurt. v. 5.11.1996 – VI ZR 343/95 – a.a.O., m.w.N.). Typizität bedeutet in diesem Zusammenhang allerdings nur, dass der Kausalverlauf so häufig vorkommen muss, dass die Wahrscheinlichkeit, einen solchen Fall vor sich zu haben, sehr groß ist (Senatsurt. v. 5.11.1996 – VI ZR 343/95 – a.a.O.; BGH, Urt. v. 6.3.1991 – IV ZR 82/90 – a.a.O.).
[9] b) Mit Recht beanstandet die Revision, dass das BG einen typischen Geschehensablauf mit der unzutreffenden Begründung verneint habe, das Betätigen des Feuerzeuges sowie die Entzündung der Flamme in der Scheune reichten hierfür nicht aus.
[10] aa) Das BG stellt fest, dass der Brand der Scheune nach den Feststellungen des Sachverständigen sowohl in technischer wie in zeitlicher Hinsicht durch das Hantieren der Beklagten mit dem Feuerzeug verursacht worden sein kann. Allerdings trifft es ersichtlich keine Feststellungen zum konkreten Geschehensablauf. Darauf kommt es für die Frage, ob ein Anscheinsbeweis greift, aber auch nicht an.
[11] In Fällen, in denen – wie hier – darum gestritten wird, ob ein an sich schadensträchtiges Verhalten einen entstandenen Schaden tatsächlich ausgelöst hat, soll der Anscheinsbeweis dem Geschädigten den Kausalitätsbeweis erleichtern. Steht das zur Herbeiführung des Schadens geeignete Verhalten des in Anspruch genommenen fest und ist der entstandene Schaden eine typische Folge eines solchen Verhaltens, greift zunächst der Anscheinsbeweis und es ist Sache des in Anspruch genommenen, den Anschein durch die Behauptung und den Beweis konkreter Tatsachen zu entkräften. Die Funktion dieser Beweiserleichterung, den Anspruchsteller vom Vortrag konkreter – ihm zumeist unbekannter – Einzelheiten des Kausalverlaufs zu entlasten, würde nicht unbeträchtlich entwertet, wenn dem Anspruchsteller abverlangt würde, als Teil des typischen Lebenssachverhalts vorzutragen und zu beweisen, dass bestimmte Einzelheiten, welche die Gegenseite zum Kausalverlauf vorträgt, unrichtig seien. Der Anscheinsbeweis unterscheidet sich von Feststellungen nach allgemeinen Beweisregeln gerade dadurch, dass der konkrete Geschehensablauf nicht festgestellt zu werden braucht, weil von einem typischen Hergang ausgegangen werden kann, solange nicht von dem Gegner Tatsachen bewiesen werden, die den Anschein entkräften (vgl. Senatsurt. v. 29.1.1974 – VI ZR 53/71 – a.a.O.).
[12] bb) Bezogen auf den Streitfall nimmt das BG zu Recht an, das Hantieren mit offenem Feuer in einer mit Stroh, Heu etc. gefüllten Feldscheune stelle unzweifelhaft ein gefahrträchtiges Tun dar und sei nach der all-gemeinen Lebenserfahrung geeignet, die Entstehung eines Brandes herbeizuführen. Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, dass die Beklagten seinerzeit mit dem Feuerzeug in der Scheune hantierten, dass dabei eine offene Flamme erzeugt wurde und dass in unmittelbarer zeitlicher Folge die Scheune in Brand stand....