BB-BUZ § 2 § 6 § 8
Leitsatz
Zur Verweisbarkeit auf einen anderen Beruf nach einem zeitlich unbegrenzten Leistungsanerkenntnis des Versicherers bei Berufsunfähigkeit eines Auszubildenden.
BGH, Urt. v. 30.3.2011 – IV ZR 269/08
Sachverhalt
Am 14.9.2001 erlitt der Kl. einen Verkehrsunfall, der unter anderem zu einer Lähmung des rechten Arms als Dauerschaden führte. Auf Grund seiner Verletzungen brach der Kl. seine Maurerlehre ab. Die Bekl. erkannte mit Schreiben v. 25.2.2002 Berufsunfähigkeit des Kl. ab 1.10.2001 an und zahlte ihm ab diesem Datum die vereinbarte Monatsrente von 625 EUR.
Im August 2003 begann der Kl. auf Initiative der Berufsgenossenschaft eine Umschulung zum Versicherungskaufmann. Hiervon setzte er die Bekl. vorab in Kenntnis, die ihm daraufhin mit Schreiben vom 16.6.2003 mitteilte, dass sie grundsätzlich die Leistung einstellen könne, nachdem er einen neuen Ausbildungsplatz erhalten habe. Sie sei aber entgegenkommenderweise bereit, die Leistungen für die Zeit der neuen Ausbildung (bis Juli 2005) weiter zu bezahlen. Es müsse aber klargestellt sein, dass die Leistungen aus der Zusatzversicherung nach dem Ende der Ausbildung nicht weiter bezahlt würden. Auf die entsprechende Bitte der Bekl. erklärte der Kl. am 1.7.2003 durch Unterschrift auf einer Kopie dieses Schreibens sein Einverständnis hiermit.
Tatsächlich zahlte die Bekl. die Rente noch bis einschließlich Oktober 2005, also drei Monate über das Ausbildungsende hinaus, und stellte dann ihre Leistungen ein. Eine Anstellung in dem neu erlernten Beruf hat der Kl. bislang nicht gefunden.
Mit der Klage begehrt er die weitere Zahlung der Rente von 625 EUR ab November 2005 nebst Beitragsfreistellung in Höhe von 18,38 EUR monatlich. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.
2 Aus den Gründen:
[6] „Die Revision des Kl. hat Erfolg.
[7] I. Das BG hat ausgeführt, dass die Bekl. aufgrund der im Jahre 2003 zu Stande gekommenen Vereinbarung der Parteien weitere Leistungen verweigern könne. Diese Vereinbarung sei wirksam und benachteilige den Kl. nicht, weil die Bekl. ihn zu dieser Zeit bei Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens auch auf eine Ausbildung zum Versicherungskaufmann hätte verweisen können. Diese Verweisungsmöglichkeit habe sich erst mit der Initiative der Berufsgenossenschaft eröffnet. Auf die theoretische Möglichkeit einer solchen Ausbildung schon im Februar 2002 könne nicht abgestellt werden, weil der Versicherer ansonsten in vergleichbaren Konstellationen immer gehalten wäre, sämtliche denkbaren Ausbildungsmöglichkeiten erschöpfend zu prüfen. Das Nachprüfungsverfahren verfolge aber in Ausbildungsfällen auch den Zweck, sich im Laufe der Zeit erst “herauskristallisierende Erkenntnisse’ interessengerecht berücksichtigen zu können.
[8] II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
[9] 1. Die Bekl. hat die Möglichkeit, den Kl. auf eine andere Ausbildung zu verweisen, im Februar 2002 durch das einschränkungslose Anerkenntnis bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit ab dem 1.10.2001 verloren.
[10] a) Mit seinem Leistungsanerkenntnis entscheidet der Versicherer nicht nur über den Grad der Berufsunfähigkeit, sondern zugleich auch über eine fehlende Verweisungsmöglichkeit. Deshalb muss davon ausgegangen werden, dass eine Verweisungsmöglichkeit nicht besteht, wenn seine Entscheidung hierzu schweigt. Bereits bestehende, aber nicht wahrgenommene Verweisungsmöglichkeiten verliert der Versicherer auch für die Zukunft (Senat BGHZ 121, 284, 291 f.). Dies folgt daraus, dass die Regelung über das Nachprüfungsverfahren nur dann einen Sinn ergibt, wenn der Versicherer bei unverändertem Fortbestand der für die Beurteilung maßgeblichen, ihm bekannt gewordenen Umstände an sein erklärtes Anerkenntnis gebunden bleibt und nicht befugt ist, den Grad der Berufsunfähigkeit des Versicherten und etwaige Verweisungsmöglichkeiten jederzeit ohne Änderung der tatsächlichen Verhältnisse und/oder seiner Kenntnis hiervon abweichend von seiner früheren Anerkenntniserklärung zu bewerten (vgl. Senat VersR 2010, 619 Rn 9 und VersR 1986, 1113 unter 2).
[11] b) Die Bekl. hätte den Kl. bereits bei Abgabe des Leistungsanerkenntnisses unter den Voraussetzungen des § 2 (1) B-BUZ auf einen anderen Ausbildungsberuf verweisen können, der von ihm nach seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner Lebensstellung entspricht.
[12] Letzteres ist für die Ausbildung zum Versicherungskaufmann im Vergleich zur Ausbildung zum Maurer der Fall, wie das BG zutreffend angenommen hat. Nicht gefolgt werden kann dem BG dagegen darin, dass es diese Verweisungsmöglichkeit im Februar 2002 noch nicht gegeben habe, weil der Versicherer in Ausbildungsfällen nicht alle denkbaren Ausbildungsmöglichkeiten zu prüfen habe und erst im Nachprüfungsverfahren sich “herauskristallisierende Erkenntnisse’ über die Eignung und Fähigkeiten des Versicherten für eine bestimmte Ausbildung zu berücksichtigen seien. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass Eignung und Fähigkeiten des Kl. für eine andere, gleichwertige oder höherwertige Ausbildung nicht bereits im ...