VVG § 44; VGB 2008 By § 12 Nr. 1; BGB § 242
Leitsatz
Es ist nicht rechtsmissbräuchlich, wenn sich der VR einer Gebäudeversicherung für fremde Rechnung, deren VN der Hausverwalter einer WEG ist, auf eine fehlende Prozessführungsbefugnis der eine Entschädigung für einen Leitungswasserschaden beanspruchenden Sondereigentümer beruft. (Leitsatz der Schriftleitung)
LG Ingolstadt, Urt. v. 14.2.2023 – 21 O 2045/21
1 Sachverhalt
Die Kl. machen gegenüber der Bekl. Ansprüche aus einer Gebäudeversicherung geltend. Es geht um eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus mit insgesamt 36 Wohnungen. Für dieses Gebäude besteht eine Wohngebäudeversicherung, die unter anderem das Risiko austretenden Leitungswassers abdeckt. VN ist der Hausverwalter. Die Kl. sind Sondereigentümer.
Nach § 12 Nr. 15.2 VGB 2008 steht die Ausübung der Vertragsrechte allein dem VN zu.
Im Jahre 2018 kam es in der über der hier streitgegenständlichen Wohnung liegenden Wohnung zu einem Austritt von Leitungswasser, durch das Wasser wurde auch die hier streitgegenständliche Wohnung in Mitleidenschaft gezogen und es entstanden Schäden.
2 Aus den Gründen:
Die Kl. sind nicht prozessführungsbefugt. Prozessführungsbefugt wäre alleine die Hausverwaltung. Nur die Hausverwaltung ist VN. Auch die WEG wäre mangels Versicherungsnehmereigenschaft nicht prozessführungsbefugt. Ausweislich des eindeutigen Wortlauts im Versicherungsschein ist VN des streitgegenständlichen Vertrages alleine die Hausverwaltung.
Dies wird auch erkennbar an der Bezeichnung der Versicherung im Versicherungsschein. Dort heißt es: "Wohngebäudeversicherung VGB 2008 Hausverwalter optimal".
Bei der Bezeichnung des VN auf der 1, Seite des Versicherungsscheins findet sich im Übrigen der Zusatz: "für WEG … Nach Teil B, § 12 Abs. 1 der AVB ist im Fall der Versicherung für fremde Rechnung alleine der VN zur Geltendmachung von Ansprüchen berechtigt. Der Versicherte ist auch dann nicht prozessführungsbefugt, wenn er im Besitz des Versicherungsscheins ist. Wenn also schon die WEG als Versicherte nicht prozessführungsbefugt, gilt dies erst recht für die Kl. als Teil der WEG."
Es ist auch nicht treuwidrig von der Bekl., sich gegenüber den Kl. hierauf zu berufen. Das Gericht verkennt nicht, dass für die Kl. eine problematische Situation eintritt, wenn weder die WEG noch die zuständige Hausverwaltung geneigt ist, Ansprüche der Kl. gegenüber der Versicherung durchzusetzen und die Kl. dies selbst aufgrund der fehlenden Prozessführungsbefugnis aber nicht können. Den Kl. bleibt aber wohl die Möglichkeit offen, entweder von der Hausverwaltung oder von der WEG zu verlangen, dass ihre Ansprüche gegenüber der Versicherung durchgesetzt werden. Gegebenenfalls haben die Kl. unter Umständen Schadensersatzansprüche gegen die WEG oder die Hausverwaltung. Ob solche Ansprüche tatsächlich bestehen, ist hier nicht streitgegenständlich.
Rechtsmissbräuchliches oder treuwidriges Verhalten der Versicherung könnte nur angenommen werden, wenn das Verhalten der Versicherung nicht von einem beachtlichen, im Zweckbereich der Vertragsklausel liegenden Interesse gedeckt wäre. Vorliegend stellt Teil I. B § 12 Nr. 1 VGB 2008 eine zulässige teilweise Abbedingung der Vorschrift des § 44 Abs. 2 VVG dar. Dass diese Abbedingung grundsätzlich zulässig ist, wird auch von den Kl. nicht bezweifelt. Es besteht ein erkennbares und nachvollziehbares Interesse der Versicherung daran, nur mit dem VN und nicht mit sonstigen Personen verhandeln zu müssen. Die Anwendung von § 242 BGB begegnet vorliegend schon deswegen Bedenken, weil die Kl. ja genau genommen gar nicht Vertragspartner der Bekl. sind. Weiter ist zu sehen, dass die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft erfahrungsgemäß ja durch Veräußerung des Sondereigentums wechseln können und die Versicherung jedes Mal überprüfen müsste, ob eine Person, die mit Ansprüchen an die Versicherung herantritt, tatsächlich Sondereigentümer im Rahmen der WEG ist oder nicht. Es besteht also ein anerkennenswertes Interesse der Versicherung daran, es im Streitfall nur mit dem VN und nicht parallel mit mehreren Beteiligten zu tun zu haben. Dies wird insbesondere an einem Fall wie dem vorliegenden deutlich, wodurch einen Wasserschaden ja ohne weiteres mehrere Wohnungen und damit mehrere Sondereigentümer betroffen sein können.
zfs 7/2023, S. 396 - 397