BGB § 849
Leitsatz
Wer durch eine unerlaubte Handlung dazu bestimmt wird, Geld zu überweisen, kann vom Schädiger eine Verzinsung nach § 849 BGB beanspruchen.
BGH, Versäumnisurt. v. 26.11.2007 – II ZR 167/06
Sachverhalt
Der Beklagte wurde aus Delikt (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 7 Abs. 1 AuslInvestmG) zur Zahlung von 25.559,48 EUR an den Kläger verurteilt, der auf § 849 BGB gestützte Zinsanspruch aber abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den abgewiesenen Zinsanspruch weiter.
Aus den Gründen
[2] “Die Revision des Klägers ist begründet und führt unter entsprechender Aufhebung der Entscheidungen des LG und des OLG dazu, dem Kläger einen Zinsanspruch in Höhe von 4 % auch für die Zeit zwischen der Überweisung des Einlagebetrags und dem Eintritt der Rechtshängigkeit zuzusprechen. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, § 849 BGB finde im Streitfall keine Anwendung, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
[3] Der Kläger kann für die Zeit zwischen der Überweisung des Geldes auf ein von dem Beklagten angegebenes Konto und der Rechtshängigkeit nach § 849 BGB Zinsen in Höhe von 4 % aus 25.559,48 EUR auch ohne den konkreten Nachweis des Verlusts von Anlagezinsen verlangen. Der Beklagte hat ihm durch eine unerlaubte Handlung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 7 Abs. 1 AuslInvestmG Geld entzogen. Der entzogene Betrag ist vom Zeitpunkt der Entziehung an (1.3.1991) gem. § 246 BGB mit 4 % jährlich zu verzinsen.
[4] I. Der Beklagte hat dem Kläger das Geld dadurch, dass er ihn zur Überweisung veranlasst hat, entzogen. § 849 BGB erfasst jeden Sachverlust durch ein Delikt. Auch wenn der Schädiger den Geschädigten durch eine unerlaubte Handlung wie beim Betrug oder der Erpressung dazu bestimmt, eine Sache wegzugeben oder darüber zu verfügen, entzieht er sie ihm (OLG München OLGZ 1979, 457; BGB-RGRK/Kreft, 12. Aufl., § 849 Rn 2; a.A. OLG Karlsruhe WM 2006, 967). § 849 BGB ist nach seinem Wortlaut nicht auf die Wegnahme beschränkt und verlangt nicht, dass die Sache ohne oder gegen den Willen des Geschädigten entzogen wird. Der Geschädigte muss auch nicht im Besitz der Sache gewesen sein (vgl. BGHZ 8, 288, 298; BGH, Urt. v. 15.3.1962, VersR 1962, 548).
[5] Eine Beschränkung auf den Verlust einer Sache ohne oder gegen den Willen des Geschädigten widerspräche auch dem Normzweck von § 849 BGB. Der Zinsanspruch soll mit einem pauschalierten Mindestbetrag den Verlust der Nutzbarkeit einer Sache ausgleichen, der durch den späteren Gebrauch derselben oder einer anderen Sache nicht nachgeholt werden kann (BGHZ 87, 38, 41). Der Geschädigte verliert die Sachnutzung gleichermaßen, wenn ihm eine Sache ohne seinen Willen entwendet wird und wenn er durch eine unerlaubte Handlung – etwa eine Drohung oder eine Täuschung – dazu gebracht wird, sie wegzugeben oder darüber zu verfügen.
[6] II. Dem Kläger ist eine Sache entzogen worden. Sache i.S.v. § 849 BGB ist auch Geld (BGHZ 8, 288, 298). § 849 BGB ist nicht durch § 90 BGB, wonach nur körperliche Gegenstände Sachen i.S.d. Gesetzes sind, auf die Entziehung von Bargeld beschränkt (a.A. OLG Hamm NZI 2006, 642). Inwieweit der Sachbegriff von § 90 BGB auf Vorschriften außerhalb des dritten Buches des BGB anzuwenden ist, ist jeweils nach dem Sinn und Zweck der einzelnen Vorschriften zu entscheiden (Staudinger/Jickeli/Stiper, BGB [2004], vor § 90 Rn 10 und § 90 Rn 3; Fritzsche, in: Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl., § 90 Rn 2; Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 90 Rn 4). Der Zweck des § 849 BGB, den später nicht nachholbaren Verlust der Nutzbarkeit einer Sache auszugleichen (BGHZ 87, 38, 41), erfasst jegliche Form von Geld. Von den Nutzungen eines hingegebenen Geldbetrags ist der Geschädigte nicht nur ausgeschlossen, wenn er mit Bargeld bezahlt hat, sondern auch, wenn er eine Zahlung auf andere Art und Weise geleistet hat. Auch wirtschaftlich besteht kein Unterschied zwischen der Übergabe von Bargeld, der Übergabe eines Schecks, der Einzahlung von Bargeld und einer Überweisung auf ein Konto des Schädigers.“
3 Anmerkung
§ 849 BGB gilt auch für den Bereich des Straßenverkehrsgesetzes, §§ 7, 18 StVG enthalten keine abschließende Regelung des Umfangs der Ersatzpflicht des Schädigers, sondern verweisen auf die allgemeinen Regeln über die Art und den Umfang der Ersatzleistung (vgl. BGH NJW 1983, 1614; Staudinger/Viewag, 2007, § 849 Rn 5). Eine deutliche Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 849 BGB ist deshalb gegeben, weil § 849 BGB keine Anwendung findet, wenn der Geschädigte eine pauschalierte Nutzungsausfallentschädigung verlangt. Deren Forderung deckt den durch § 849 BGB erfassten Nutzungsausfall ab (vgl. BGH a.a.O.).
RiOLG Heinz Diehl, Frankfurt/M.