OWiG § 73 Abs. 3
Leitsatz
Die Frist zur Einlegung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde beginnt nicht mit der Verkündung des Urteils in der Hauptverhandlung, wenn der Termin in Abwesenheit des Betroffenen durchgeführt wurde und dem Gericht eine gem. § 73 Abs. 3 OWiG erforderliche, zur Vertretung berechtigende schriftliche Vollmacht für den im Termin anwesenden Rechtsanwalt nicht vorlag.
Ansonsten beginnt die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde bzw. des Zulassungsantrags gegen ein Urteil in Abwesenheit des Betroffenen mit der Zustellung des Urteils. Eine ohne richterliche Anordnung, etwa durch die Geschäftsstelle veranlasste Zustellung ist unwirksam.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Bamberg, Beschl. v. 18.4.2011 – 2 Ss OWi 243/2011
Sachverhalt
Das AG hat die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urt. des AG v. 11.12.2009 (gemeint: der Antrag, gegen das Urt. die Rechtsbeschwerde zuzulassen; vgl. Göhler OWiG 15. Aufl. § 80 Rn 20) am 8.11.2010 als unzulässig verworfen.
Auf den Antrag des Betroffenen auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts hebt das OLG den Beschluss des AG auf.
2 Aus den Gründen:
„ … . Die Frist zur Einlegung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde (§§ 80 Abs. 3 S. 1, 79 Abs. 4 OWiG) ist noch nicht in Lauf gesetzt worden.
Die Frist begann nicht mit der Verkündung des Urt. in der Hauptverhandlung vom 11.12.2009. Der Termin wurde in Abwesenheit des Betroffenen durchgeführt. Für ihn trat Rechtsanwalt N in Untervollmacht für den Verteidiger Hans-Jürgen R auf. Zwar verfügte der Unterbevollmächtigte über eine schriftliche Untervollmacht (s. Anlage zu BI. 40–43 d.A.); allerdings lag dem Gericht damals eine gem. § 73 Abs. 3 OWiG erforderliche, zur Vertretung berechtigende schriftliche Vollmacht für Rechtsanwalt Hans-Jürgen R nicht vor. Sie wurde erst mit Eingang am 4.1.2011 an das AG übersandt (BI. 78 f. d.A.). Die schriftliche Vertretungsvollmacht muss dem Gericht aber bei der Hauptverhandlung vorliegen. Ansonsten beginnt die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde bzw. des Zulassungsantrags gegen ein Urt. in Abwesenheit des Betroffenen, wie im vorliegenden Fall, mit der Zustellung des Urt. (Thüringer OLG VRS 111, 200 f.). Dass die Vertretungsvollmacht für Rechtsanwalt Hans-Jürgen R bereits v. 16.4.2009 datiert, ändert hieran nichts, da ihre Vorlage erst im Lauf des Rechtsbeschwerdeverfahrens erfolgt ist.
Das bisher lediglich im Protokoll v. 11.12.2009 befindliche, nicht mit Gründen versehene Urt. des AG ist auch in der Folgezeit nicht wirksam an den Verteidiger zugestellt worden, selbst wenn es ihm, wie dem Verteidigerschriftsatz v. 24.3.2010 zu entnehmen ist (s. BI. 50 d.A.), offenbar, von wem auch immer, übersandt wurde. Dieser Übersendung liegt nämlich, wie der dienstlichen Stellungnahme der Direktorin des AG v. 28.3.2011 zu entnehmen ist, eine richterliche Anordnung nicht zugrunde. Eine ohne richterliche Anordnung, etwa durch die Geschäftsstelle veranlasste Zustellung ist unwirksam (vgl. BGH bei Holtz MDR 1976, 814; OLG Hamm MDR 1976, 66 f.; OLG Stuttgart MDR 1976, 245).
Der angefochtene Beschl. des AG v. 8.11.2010 war deshalb – ohne diesbezügliche Kostenentscheidung (vgl. Meyer-Goßner StPO 53. Auflage § 346 Rn 12 m.w.N.) – aufzuheben.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht erforderlich und hat nicht zu erfolgen, da die Rechtsbeschwerdefrist bzw. die Frist zur Einlegung des Zulassungsantrags noch nicht in Lauf gesetzt wurde (Rebmann/Roth/Hermann OWiG 3. Aufl. § 79 Rn 16 und 34). … .“
Mitgeteilt von Dr. Rüdiger Molketin, Bochum