VVG § 6 Abs. 4
Leitsatz
Der VR ist nicht verpflichtet, den VN über seine Produktentwicklung zu unterrichten.
LG Wuppertal, Urt. v. 22.11.2012 – 9 S 102/12
Sachverhalt
Die Kl. unterhält seit 1997 eine Wohngebäudeversicherung bei der Bekl. Am 6.1.2011 platzte frostbedingt ein Regenfallrohr, wobei streitig ist, ob im Keller oder außerhalb, des Hauses Nummer 27 und überflutete die dortigen Räume. Die Bekl. lehnte ihre Eintrittspflicht ab, weil der Schaden nicht dem Versicherungsschutz unterfalle.
Die Kl. verlangt von der Bekl. Schadensersatz unter dem Gesichtspunkt eines ihrer Ansicht nach begangenen Verstoßes gegen Beratungspflichten. Der Generalagent der Bekl. hätte sie im Jahre 2004 darüber beraten müssen, dass Versicherungslücken bestanden, die durch den Abschluss neu eingeführter (Standard-) Klauseln geschlossen werden könnten. § 6 Abs. 4 VVG gelte auch für laufende Versicherungsverhältnisse.
2 Aus den Gründen:
" … Ein Schadensersatzanspruch, insb. aus § 6 Abs. 5 VVG, besteht nicht. Die Bekl. hat insb. ihre aus § 6 Abs. 4 VVG herrührende Pflicht zur Beratung der Kl. nicht anspruchsbegründend verletzt. …"
1. Was den Wasserschaden anbelangt, kann dahinstehen, ob es als Anlass i.S.v. § 6 Abs. 4 VVG anzusehen ist, dass der VR neue, einen umfangreicheren Versicherungsschutz bietende Versicherungsbedingungen anbietet. Denn zum einen muss der VR keineswegs stets über seine Produktentwicklung unterrichten, sondern nur dann darauf hinweisen, wenn der VN sein Interesse an einer Änderung seines Versicherungsschutzes zum Ausdruck bringt (Römer/Langheid, VVG, 3. Aufl., § 6 Rn 24 … ). Letzteres lässt sich dem Vortrag der Kl. jedoch nicht entnehmen. Zum anderen waren hier die einschlägigen Versicherungsbedingungen bereits 2004 geändert worden und es würde die Anforderungen an einen VR überanspruchen, wenn § 6 Abs. 4 VVG so verstanden würde, dass der VR auch für einen unbegrenzten Zeitraum vor Inkrafttreten dieser Bestimmung eingetretene Änderungen in seinen Versicherungsbedingungen nachhalten und überprüfen müsste, um ggf. VN auf für sie günstige Änderungen hinzuweisen. Dafür spricht auch, dass Änderungen in Versicherungsbedingungen oftmals nicht uneingeschränkt für den VN günstiger sind, sondern auch Verschlechterungen enthalten. Es mag sein, dass die Kl. bei Abschluss des Versicherungsvertrags und später gedacht hat, Schäden an Regenfallrohren seien ebenfalls versichert. Eine Beratungspflicht der Bekl. konnte aus diesem Irrtum nicht erwachsen, weil nichts dafür ersichtlich ist, dass er der Bekl. bekannt war.
Unerheblich ist, ob dem seinerzeit für die Bekl. tätigen Generalagenten die baulichen Verhältnisse in dem Gebäude der Kl. bekannt waren. Zwar bestimmt das Gesetz, dass die Versicherung auch während des laufenden Versicherungsverhältnisses zur Beratung verpflichtet ist. Doch setzt die Aktualisierung dieser Beratungspflicht unter anderem eine Gefahrerhöhung oder Gefahrverminderung voraus (Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., § 6 Rn 44). Die streitgegenständlichen baulichen Verhältnisse haben sich aber nicht verändert.
Dass der vermutete Klimawandel prognostisch vermehrt zu Starkregen führen wird, ist allgemein bekannt, weshalb dieser Umstand schon deshalb nicht geeignet ist, Beratungspflichten der Bekl. auszulösen.
Darüber hinaus würde ein Anspruch der Kl. selbst dann scheitern, wenn unterstellt würde, die Bekl. hätte ihre Beratungspflichten verletzt. Es fehlt nämlich an einem kausal verursachten Schaden. Zwar wird nach dem Grundsatz aufklärungsgerechten Verhaltens vermutet, dass sich der Versicherte einer richtigen Beratung entsprechend verhalten hätte. Das bedeutet hier, dass die Kl. die neuen Versicherungsbedingungen akzeptiert hätte. Davon kann jedoch nach ihrem eigenen Vortrag nicht ausgegangen werden, weil sie das Kulanzangebot der Bekl., dass damit verknüpft war, den Versicherungsvertrag dergestalt neu zu ordnen, dass entsprechende Schäden für die Zukunft abgedeckt wären, abgelehnt hat. Zudem trägt sie in ihrem Schriftsatz v. 9.8.2012 hierzu vor, die hypothetische Frage, zu welchem Schluss die Wohnungseigentümergemeinschaft, wenn sie ordnungsgemäß über die Einführung der neuen Klauseln beraten worden wäre, gekommen wäre, sei für die Frage, ob ein Beratungsverschulden vorliegt, nicht erheblich. … “
zfs 9/2013, S. 511 - 512