Keine Anrechnung des Restwerts bei der Bestimmung des Gegenstandswerts
Einführung
Ein bei der Unfallregulierung häufig anzutreffender Fall: Am Fahrzeug des Geschädigten ist ein – wirtschaftlicher – Totalschaden eingetreten, weshalb der Geschädigte unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots eine Ersatzbeschaffung vornehmen muss. In Zahlen: Reparaturkosten 10.000 EUR, Wiederbeschaffungswert 5.000 EUR und Restwert 1.000 EUR.
In einem solchen Fall stellt sich die Frage, welcher Gegenstandswert der Bemessung der Rechtsanwaltsgebühren zugrunde zu legen ist, der des Wiederbeschaffunsgwerts in Höhe von 5.000 EUR oder jener des Wiederbeschaffungsaufwands – dieser verstanden als Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert – in Höhe von 4.000 EUR.
A. Entscheidungen des BGH zum Wiederbeschaffungsaufwand?
Es wird vertreten, nur der Wiederbeschaffungsaufwand sei zur Bemessung des Gegenstandswerts zu berücksichtigen, vorliegend also nur ein Betrag in Höhe von 4.000 EUR. Keine der erwähnten Fundstellen gibt jedoch eine Begründung für die Richtigkeit des Ansatzes des Wiederbeschaffungsaufwands als Gebührengegenstandswert.
In der Abrechnungspraxis wird häufig für die Richtigkeit des Ansatzes des Wiederbeschaffungsaufwands zur Bestimmung des Gegenstandswerts auf Entscheidungen des Bundesgerichtshofs verwiesen. Diese Verweisung geht ins Leere. Keine der genannten Entscheidungen besagt, dass für die Gebührenbestimmung der Wiederbeschaffungsaufwand zu berücksichtigen ist. Vielmehr bemerkt der Bundesgerichtshof in allen Entscheidungen lediglich, der Anspruch des Rechtsanwalts auf Vergütung gegen seinen Mandanten und der Anspruch auf Kostenerstattung durch den Gegner seien zweierlei. Allein um die Unterscheidung zwischen dem Kostenerstattungsanspruch aus Haftung für eine Schädigung einerseits und dem Vergütungsanspruch andererseits geht es in den angeführten Entscheidungen. Es ist eines, dass der Mandant als Auftraggeber die Gebühren aus dem Auftragswert, der Schädiger Kosten jedoch nur aus dem Wert der Schadensersatzleistung (Erledigungswert) zu erstatten hat. Für die Bemessung der Höhe der Gebühren kommt es stets darauf an, welcher Gegenstandswert zugrunde zu legen ist, sei die Gebühr in voller Höhe vom Mandanten zu tragen oder sei ihre Erstattung in voller Höhe oder zum Teil entsprechend der Haftungsquote vom Schädiger zu fordern. So oder so muss man wissen, ob der Wiederbeschaffungswert oder der Wiederbeschaffungsaufwand als Gegenstandswert anzusetzen ist. Diese Frage beantworten die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs nicht.
B. Wiederbeschaffungswert als Grundlage der Gebührenbestimmung
Richtig ist die Auffassung, die den vollen Wiederbeschaffungswert als Gegenstandswert der Gebührenbestimmung zugrunde legt, dies aus mehrerlei Gründen.
I. Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands
Der Schädiger schuldet die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands, § 249 Abs. 1 BGB. Im Falle eines – wirtschaftlichen – Totalschadens, in welchem eine Naturalrestitution wegen des Wirtschaftlichkeitsgebots nicht geschuldet ist, ist der für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands erforderliche Geldbetrag jener des vollen Wiederbeschaffungswerts. Für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands und damit für die Gebührenbestimmung ist es unerheblich, wer den Wiederbeschaffungswert zahlt, ob sich dieser also zusammensetzt aus einer (Teil-)Zahlung des Schädigers und einer (Teil-)Zahlung eines Restwertkäufers.
II. Prüfung der Richtigkeit des Restwerts durch den Rechtsanwalt
Teilweise wird für den Ansatz des vollen Wiederbeschaffungswerts auch vorgebracht, dass sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts auch auf die Prüfung der Richtigkeit des Restwerts beziehe und sich somit die anwaltliche Tätigkeit auch auf die Prüfung des Vorteilsausgleichs erstrecke. Aufgrund des Umstands, dass der Geschädigte verpflichtet ist, Angebote des Restwertkäufers zu berücksichtigen, ist den Fällen, in denen die Abwicklung über den Rechtsanwalt läuft, der Restwert zum Gegenstandswert zu addieren, weil der Rechtsanwalt konkret eine Tätigkeit über diesen Gegenstand erbringt.
III. Begründung durch § 249 Abs. 2 S. 1 BGB
Die Richtigkeit der Annahme, dass für die Bemessung des Gegenstandswerts der volle Wiederbeschaffungswert zugrunde...