I. Haftung bei fehlerhafter Beratung
Es dürfte unstreitig sein, dass bei einem Entzug der Fahrerlaubnis als Schadenseintritt – wie beispielsweise dem Verlust des Arbeitsplatzes eines Berufskraftfahrers – erhebliche Beträge im Regresswege dem Rechtsanwalt gegenüber geltend gemacht werden können. Der Schaden kann sich mithin erst Jahre später realisieren, die Ursache wird aber ggf. in den kommenden Monaten gesetzt. Verjährungsbeginn ist dann erst die Aufklärung des Mandanten über den bestehenden Anspruch, will sagen die Kenntnis des Berechtigten. Auch der erstaunlich verbreitete Irrglaube, dass im Strafrecht kein Regressrisiko für den Verteidiger bestehe, wird nun endgültig auch im Bußgeldverfahren widerlegt.
Auch wenn nur am Rande das Problem des Tattags- bzw. des Rechtskraftprinzips hier berücksichtigt werden kann, ist klar, dass erhebliche Unterschiede auftreten können. Auf Seiten des Gesetzgebers ist diese Frage derzeit noch ungeklärt zwischen dem Bundesjustizministerium einerseits und dem Verkehrsminister andererseits.
Folglich kann lediglich am konkreten Fall überprüft werden, welche Variante welche Folgen zeitigt. Im Folgenden sind zwei Konstellationen aufgeführt, die die Schwierigkeiten deutlich illustrieren.
II. Beispiele
1. Beispiel Fahrlässige Körperverletzung (Strafbefehl 20 Tagessätze à 20 EUR)
2. Beispiel Trunkenheitsfahrt
VZR |
FAER |
Punkte: 7 |
Punkte: 3 |
Nach Überführung 2 |
3 = Ermahnung |
Tilgungsfrist nebst Überliegefrist 10 Jahre |
Tilgungsfrist 10 Jahre |
Abbaukurs möglich bis zu 4 Punkte bei Erstverstoß, sodann nur noch 3 Punkte, die nach Überführung nur 1 Punkt sein sollten |
Kein Abbaukurs möglich |
Auf jeden Fall schnelle Rechtskraft für Abbaukurs herbeiführen |
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3. Beispiel Versicherungspflicht (zweifacher Verstoß gegen Versicherungspflicht)
VZR |
FAER |
Je Verstoß Geldstrafe (üblicherweise in Höhe eines Nettomonatsgehalts, 30 Tagessätze) sowie eine Eintragung von jeweils 7 Punkten; aktuell dann also 14 Punkte!! |
Lediglich Geldstrafe wie bislang, da Verstoß nicht sicherheitsrelevant Unklar: Oder aber Eintrag von je 3 Punkten, da Strafat? |
Nach Umrechnung 6 Punkte = Verwarnung → Anordung des Fahreignungsseminars ist obligatorisch, muss aber wegen der reformatio in peius unterbleiben |
6 Punkte = Verwarnung → Anordnung des Fahreignungsseminars erfolgt ohne Punktetilgungsmöglichkeit |
Nächster Verstoß kann dann aber bereits zum Entzug der Fahrerlaubnis führen, wenn Straftat oder besonders schwere Owi vorliegen sollte – also ankündigungslos!! |
Der nächste Verstoß mit einer Straftat oder besonders schweren Owi führt zum Entzug der Fahrerlaubnis |
Erforderlich ist also, unverzüglich einen Punkteabbaukurs zu besuchen, um wenigstens auf 12 Punkte zu fallen und sich im Bereich der Ermahnung nach Umrechnung (6 Punkte) zu bewegen |
Diese Punkteeintragung läuft nun 10 Jahre mit, der Entzug der Fahrerlaubnis ist bei Vielfahrern nahezu nicht auszuschließen, da weiterer Eintrag schwerste Konsequenzen zeitigt |
4. Beispiel Umweltzone (zweimaliges Einfahren in Umweltzone ohne Plakette)
VZR |
FAER |
Je Verstoß wird ein Bußgeld von 40 EUR erhoben und ein Punkt vergeben |
Es fällt lediglich ein Bußgeld von 40 EUR an, der Verstoß ist nicht sicherheitsrelevant und kann daher keine Punkteeintragung rechtfertigen – nach BMJ ist die Eintragungsgrenze nicht erreicht, auch deshalb kein Punkt |
Nach Umrechnung 2 Punkte |
Keine Punkte |
Verjährung nicht vor 2014 zzgl. eine Überliegefrist oder aber spätestens nach 2,5, falls Anwendung von Tilgungsfristen dann nach FAER berechnet werden oder aber 5 Jahren (absolute Tilgungsreife nach VZR) nebst Überliegefrist |
Keine Sorgen |
Hier wird mit dem nächsten Verstoß die Stufe der Ermahnung sicher erreicht! |
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III. Sicherer Weg
Der sicherste Weg, vom BGH dem Rechtsanwalt als im Zweifel vorgegeben beschrieben, sollte in diesem Falle sein, das Verfahren zu verzögern. Eine allgemeine Regel verbietet sich, schon die unten stehenden allgemeinen Überlegungen können im Einzelfall sogar kontraproduktiv sein. Dennoch soll versucht werden, die folgenden Überlegungen als erste Hilfe aufzustellen:
- Die Punkteberechnung muss nach altem und neuem Recht überprüft werden (eine Gegenüberstellung der Punktesituation der bisherigen im Register eingetragenen Punkte nach den heutigen Regelungen VZR mit dem geplanten FAER und dessen geplanten Inkrafttreten zum 1.1.2013), um dann die günstigere Variante zu finden, wobei die Umrechnung von alt nach neu zu beachten ist.
- Bei Geltung des Tattagprinzips sollte vorsichtshalber das Verfahren bei vorsätzlichen Verkehrsstraftaten eher schnell abgeschlossen werden, um die Verjährung bzw. Tilgung in Gang zu setzen.
- Bei Geltung des Rechtskraftprinzips muss auf den jeweiligen Tatbestand geschaut und dann individuell entschieden werden.
- Es kann aktuell nur eine – zumindest vorläufige – Festlegung der Verteidigungsstrategie erfolgen, in die der Mandant einbezogen werden muss.
IV. Aktive Regressverhinderung
Abschließend stellt sich die Frage, wie einem Regress in diesem Stadium des Gesetzgebungsverfahrens vorgebeugt werden kann. Eine Beratung des Mandanten ist allein durch das Vorhaben beträchtlich umfangreicher, weil eine individuelle Prüfung bei Vorliegen von eingetragenen Punkten im VZR in jedem Falle stattfinden muss. Eine ökonomische Kompensation des erhöhten Arbeitsaufwandes für die Rechtsanwälte erfolgt schließlich bei der Gebührenbestimmung nach § 14 RVG un...