VwGO § 151 § 162; ZPO § 91 Abs. 1; JVEG § 5; BRKG § 3 § 4
Leitsatz
Reisekosten eines Verfahrensbeteiligten in Gestalt von Fahrkarten der Deutschen Bahn im sog. Flexpreis-Tarif sind stets erstattungsfähig i.S.v. § 162 Abs. 1 VwGO. Die Pflicht, die notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung so niedrig wie möglich zu halten, führt nicht dazu, dass der Erstattungsanspruch auf den Betrag eines eventuellen Sparangebots ("Super-Sparpreis") reduziert wäre.
BVerwG, Beschl. v. 27.6.2019 – 2 KSt 1.19
Sachverhalt
Die beklagte Behörde hatte sich in der mündlichen Verhandlung vor dem BVerwG durch einen Bediensteten vertreten lassen, der die Terminsreise mit der Deutschen Bahn unternommen hatte. Aufgrund der zu ihren Gunsten ergangenen Kostenentscheidung hat die Bekl. die Festsetzung ihrer außergerichtlichen Kosten, darunter ihrer Auslagen für die Terminsreise, im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht. Hierzu hat sie eine zu dem "Flexpreis"-Tarif erworbene Bahnfahrtkarte vorgelegt. Der Urkundsbeamte (UdG) der Geschäftsstelle des BVerwG hat die Terminsreisekosten als nicht notwendig angesehen, weil die Bekl. vorhandene Sparangebote der Deutschen Bahn weder geprüft noch genutzt habe. Ob der UdG die Terminsreisekosten insgesamt abgesetzt hat oder sie nur in Höhe der unter Berücksichtigung des "Super-Sparpreises" ermittelten Kosten berücksichtigt hat, lässt sich dem mitgeteilten Sachverhalt nicht entnehmen.
Die gegen die Absetzung gerichtete Erinnerung der Bekl. hatte beim Senat Erfolg.
2 Aus den Gründen:
[4] "… 2. Die Bekl. kann Reisekosten für einen Behördenvertreter geltend machen (a). Die Höhe der erstattungsfähigen Aufwendungen bemisst sich nach den einschlägigen Vorschriften (b)."
[5] a) Der Kostenbeamte ist im angefochtenen Beschl. v. 24.4.2019 zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei den von der Bekl. erstatteten Reisekosten ihrer Bediensteten dem Grunde nach um zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendige Aufwendungen eines Beteiligten handelt, die gem. § 162 Abs. 1 VwGO zu den Kosten des Verfahrens zählen, die der Kl. auf der Grundlage des Kostenausspruchs in dem Urt. des BVerwG v. 30.10.2018 – 2 A 4.17 – zu tragen hat. Die Notwendigkeit einer Aufwendung muss aus der Sicht einer verständigen Partei beurteilt werden. Dabei ist jeder Beteiligte aus dem prozessrechtlichen Verhältnis heraus verpflichtet, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten (BVerwG RVGreport 2015, 143 [Hansens]), soweit sich dies mit der Wahrung ihrer berechtigten Belange vereinbaren lässt (vgl. BGH zfs 2012, 700 m. Anm. Hansens = RVGreport 2012, 463 [ders.] = AGS 2012, 511, Rn 9; Schulz in: MüKo zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 91 Rn 49 m.w.N. der Rspr.).
[6] Reisekosten der Beteiligten, auch des Behördenvertreters, für die Teilnahme am Termin der mündlichen Verhandlung sind regelmäßig erstattungsfähig. Dies gilt auch dann, wenn das persönliche Erscheinen des Beteiligten nicht vom Gericht angeordnet worden ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 12.10.2017 – OVG 3 K 6.17 – juris Rn 3; VGH Mannheim, Beschl. v. 3.7.1990 – 8 S 2212/87 – juris Rn 2; Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 162 Rn 11–12 m.w.N.).
[7] b) Die Höhe der zu erstattenden Auslagen der Beteiligten, insb. welches Beförderungsmittel und in welcher Höhe dessen Kosten als notwendig anzuerkennen sind, ist in der VwGO nicht geregelt. Unabhängig davon, ob sich die Reisekostenerstattung nach § 173 VwGO, § 91 Abs. 1 S. 2 Halbs. 2 ZPO i.V.m. § 9 Abs. 3 S. 1 des früheren Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen – ZSEG – (vgl. dafür BVerwG Rpfleger 1984, 158) bzw. nunmehr i.V.m. § 5 JVEG (vgl. dafür VG Gießen, Beschl. v. 16.3.2009 – 10 O 188/09.GI – juris Rn 13 f. m.w.N.) oder nach den §§ 3 und 4 des Bundesreisekostengesetzes – BRKG – bzw. nach dem jeweiligen Landesreisekostengesetz richtet (vgl. dafür OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 12.10.2017 – OVG 3 K 6.17 – juris Rn 6; VGH Kassel, Beschl. v. 25.1.1989 – F 4471/88 – AgrarR 1989, 256; Neumann DÖV 2012, 510 [517]), hat die Bekl. im vorliegenden Fall Anspruch auf volle Erstattung der beantragten Reisekosten für die Fahrkarten der Deutschen Bahn (§ 4 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 BRKG bzw. § 5 Abs. 1 JVEG). Nach allen Rechtsgrundlagen werden notwendige Kosten, die für Fahrten auf dem Land- oder Wasserweg mit regelmäßig verkehrenden Beförderungsmitteln entstanden sind, erstattet. Während für Bahnfahrten – wie hier – von einer Dauer von mindestens zwei Stunden nach dem BRKG die entstandenen Fahrtkosten der nächsthöheren Klasse erstattet werden können (§ 4 Abs. 1 BRKG), sieht § 5 Abs. 1 JVEG die Erstattung der tatsächlich entstandenen Auslagen bis zur Höhe der entsprechenden Kosten für die Benutzung der ersten Wagenklasse der Bahn einschließlich der Auslagen für Platzreservierung und Beförderung des notwendigen Gepäcks vor. Mögliche Fahrpreisermäßigungen sind nach dem Gesetzeswortlaut ausdrücklich nur nach dem Bundesreisekostenrecht zu berücksichtigen (§ 4 Abs. 2 S. 1 BRKG).
[8] Daraus folgt u.a., dass die Beteiligten gehalten sind, die Wahrn...