"… Zur ersten Frage: Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 3 Abs. 1 der Ersten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass der Abschluss einer Kfz-Haftpflichtversicherung verpflichtend ist, wenn das betreffende Fahrzeug nur deshalb auf einem Privatgrundstück abgestellt wurde, weil sein Eigentümer es nicht mehr nutzen will."
Diese Frage beruht auf der Prämisse, dass der Fonds von Frau D auf der Grundlage von Art. 25 des Decreto-Lei Nr. 522/85 die Erstattung der den Rechtsnachfolgern der Opfer des Unfalls, an dem ihr Fahrzeug beteiligt war, gezahlten Entschädigungen gefordert hat, weil sie verpflichtet war, eine Kfz-Haftpflichtversicherung für dieses Fahrzeug abzuschließen, und dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist. In diesem Kontext stellt sich das vorlegende Gericht im Wesentlichen die Frage, ob für das Fahrzeug in der Situation, die in der vorstehenden Randnummer beschrieben wird, eine solche Versicherung hätte bestehen müssen.
Nach dieser Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 3 Abs. 1 der Ersten RL jeder Mitgliedstaat vorbehaltlich der Anwendung ihres Art. 4 alle zweckdienlichen Maßnahmen trifft, um sicherzustellen, dass die Haftpflicht bei Fahrzeugen mit gewöhnlichem Standort im Inland durch eine Versicherung gedeckt ist.
Art. 3 Abs. 1 der Ersten RL, der sehr allgemein formuliert ist, verpflichtet also die Mitgliedstaaten, in ihrer nationalen Rechtsordnung eine allgemeine Versicherungspflicht für Fahrzeuge vorzusehen (vgl. i.d.S. Urt. v. 11.7.2013 – C-409/11).
Jeder Mitgliedstaat hat somit dafür zu sorgen, dass vorbehaltlich der in Art. 4 der Ersten RL vorgesehenen Ausnahmen jedes Fahrzeug mit gewöhnlichem Standort im Inland von einem mit einer Versicherungsgesellschaft abgeschlossenen Vertrag abgedeckt ist, damit innerhalb der durch das Unionsrecht definierten Grenzen die Haftpflicht für dieses Fahrzeug garantiert wird (…).
Der Begriff “Fahrzeug' wird in Art. 1 Nr. 1 der Ersten RL als “jedes … Kfz, welches zum Verkehr zu Lande bestimmt … ist', definiert. Diese Definition ist unabhängig von dem Gebrauch, der von dem fraglichen Fahrzeug gemacht wird oder gemacht werden kann (…).
Wie der Generalanwalt in den Nrn. 63 bis 65 seiner Schlussanträge dargelegt hat, spricht eine solche Definition für einen objektiven Fahrzeugbegriff, der von der tatsächlichen Nutzungsabsicht des Fahrzeugeigentümers oder einer anderen Person unabhängig ist.
Außerdem ist hervorzuheben, dass das Ausgangsverfahren im Unterschied u.a. zu den Rechtssachen, in denen die Urteile vom 4.9.2014, Vnuk (C-162/13), vom 28.11.2017, Rodrigues de Andrade (C-514/16), und vom 20.12.2017, Núñez Torreiro (C-334/16), ergangen sind, in denen der Gerichtshof in Bezug auf Kfz, für die eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen worden war, klarzustellen hatte, welche Benutzung der versicherten Fahrzeuge von der abgeschlossenen Versicherung gedeckt war, die hiervon zu trennende Frage nach dem Umfang der Pflicht zum Abschluss einer solchen Versicherung betrifft, die aus Gründen der Rechtssicherheit vorab, d.h. vor einer etwaigen Verwicklung des betreffenden Fahrzeugs in einen Unfall, geklärt werden muss.
Die Tatsache, dass der Gerichtshof in den vorstehend genannten Urteilen im Wesentlichen entschieden hat, dass nur die Fälle der Benutzung eines versicherten Fahrzeugs als Transportmittel unter Art. 3 Abs. 1 der Ersten RL oder Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2009/103 fallen und zur Übernahme des durch das Fahrzeug verursachten Schadens durch den VR aufgrund seiner Haftpflichtversicherung führen können, bedeutet daher keineswegs, dass zur Klärung der Frage, ob eine Pflicht zum Abschluss einer solchen Versicherung besteht, darauf abzustellen ist, ob das fragliche Fahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt tatsächlich als Transportmittel genutzt wurde.
In Anbetracht dessen ist davon auszugehen, dass ein zugelassenes und somit nicht ordnungsgemäß stillgelegtes Fahrzeug, das fahrbereit ist, unter den Begriff “Fahrzeug' i.S.v. Art. 1 Nr. 1 der Ersten RL fällt und folglich nicht allein deshalb, weil sein Eigentümer es nicht mehr nutzen will und es auf einem Privatgrundstück abstellt, nicht mehr der Versicherungspflicht gem. Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie unterliegt.
Diese Auslegung wird nicht durch das von der deutschen Regierung, Irland, der italienischen Regierung und der Regierung des Vereinigten Königreichs vorgebrachte Argument in Frage gestellt, wonach ein weites Verständnis des Umfangs der allgemeinen Versicherungspflicht nicht erforderlich sei, weil Schäden, die unter Umständen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden einträten, von der in Art. 1 Abs. 4 der Zweiten RL genannten Stelle ersetzt werden könnten.
Nach ihrem Wortlaut verpflichtet diese Vorschrift nämlich die Mitgliedstaaten dazu, eine Stelle zu schaffen, die u.a. für die durch ein nicht versichertes Fahrzeug verursachten Sach- oder Personenschäden zumindest in den Grenzen der im Unionsrecht vorgesehenen Versicherungspflicht Ersatz zu leisten hat.
Die Einschaltung...