“[1] Die Verfassungsbeschwerde betrifft eine unterbliebene Vorlage an den EuGH hinsichtlich der Auslegung der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.12.2006 über den Führerschein (3. Führerscheinrichtlinie – ABl L 403/18).
[2] I. 1. Das AG E verhängte gegen den Beschwerdeführer im Jahr 2007 eine isolierte Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis von neun Monaten (§ 69a Abs. 1 S. 3 StGB). Nach Ablauf und vor Tilgung der Sperre im Verkehrszentralregister erwarb der Beschwerdeführer in der Tschechischen Republik eine Fahrerlaubnis, in welcher der tschechische Zweitwohnsitz des Beschwerdeführers eingetragen ist.
[3] 2. Das AG E verurteilte den Beschwerdeführer mit angegriffenem Urt. v. 20.5.2010 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten und verhängte eine erneute isolierte Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis von zwölf Monaten. Das LG N verwarf die dagegen gerichtete Berufung des Beschwerdeführers mit angegriffenem Urt. v. 8.11.2010 und änderte auf die Berufung der Staatsanwaltschaft das Urt. d. AG dahingehend ab, dass die Gesamtfreiheitsstrafe zu Lasten des Beschwerdeführers auf sechs Monate erhöht wurde.
[4] Das OLG Nürnberg verwarf die dagegen gerichtete Revision des Beschwerdeführers mit angegriffenem Beschl. v. 30.3.2011 – 1 St OLG Ss 42/11 – als unbegründet. § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 FeV versage das Recht, von einer ausländischen EU-Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, wenn eine isolierte Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis im Inland verhängt worden sei. Zwar sei die Sperre zu dem Zeitpunkt, als der Beschwerdeführer die tschechische Fahrerlaubnis erworben habe, und zu den jeweiligen Tatzeiten bereits abgelaufen gewesen. Dies ändere jedoch nichts, weil die Sperre noch im Verkehrszentralregister eingetragen und nicht tilgungsreif sei (vgl. § 28 Abs. 4 S. 3 FeV i.V.m. § 29 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StVG).
[5] Diese Auslegung von § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 i.V.m. S. 3 FeV sei mit Unionsrecht, insb. mit Art. 11 Abs. 4 UAbs. 2 der 3. Führerscheinrichtlinie, vereinbar (mit Hinweis auf VGH München, Beschl. v. 7.10.2010 – 11 CS 10.1380, NJW 2011, 1380). Der Beschwerdeführer habe wegen Alkoholdelikten im Straßenverkehr wiederholt belangt werden müssen. Er habe sich dadurch in hohem Maße zum Führen von Kfz als ungeeignet erwiesen. Angesichts der Gefahren, die vom motorisierten Straßenverkehr für das menschliche Leben und die körperliche Unversehrtheit insb. dann ausgingen, wenn charakterlich ungeeignete Personen wie der Beschwerdeführer zum Führen von Kfz zugelassen würden, sei der europäische Normgeber gehalten gewesen, diesem Schutzauftrag bei der Ausgestaltung der 3. Führerscheinrichtlinie gerecht zu werden.
[6] 3. Auf den Antrag des Beschwerdeführers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung setzte die Kammer die Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem Urt. d. AG E v. 20.5.2010 in Form des Urt. d. LG N v. 8.11.2010 mit Beschl. v. 30.5.2011 einstweilen für die Dauer des Verfassungsbeschwerdeverfahrens, längstens für die Dauer von sechs Monaten aus.
[7] II. Der Beschwerdeführer sieht sich durch die angegriffenen Entscheidungen in seinen Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten aus Art. 2 Abs. 2 S. 2, Art. 3 Abs. 1 und Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG verletzt.
[8] Das OLG N habe seinen Beurteilungsspielraum für eine Vorlage an den EuGH nach Art. 267 Abs. 3 AEUV in unvertretbarer Weise überschritten. Gegenüber der v. OLG N vorgenommenen Auslegung von § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 i.V.m. S. 3 FeV sei die Gegenauffassung eindeutig vorzuziehen. Verschiedene Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte hätten § 28 Abs. 4 FeV als unionsrechtswidrig bezeichnet und nicht angewendet, § 28 Abs. 4 FeV unionsrechtskonform ausgelegt oder dem EuGH Fragen zur Auslegung der 3. Führerscheinrichtlinie vorgelegt (vgl. VG Koblenz, Beschl. v. 22.9.2009 – 5 L 970/09, juris; VGH Kassel, Beschl. v. 4.12.2009 – 2 B 2138/09, juris; OVG Saarlouis, Beschl. v. 16.6.2010 – 1 B 204/10, [zfs 2010, 530 =] SVR 2010, 392). Es sei davon auszugehen, dass der EuGH Art. 11 Abs. 4 UAbs. 2 der 3. Führerscheinrichtlinie ebenso wie Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 91/439/EWG des Rates v. 29. Juli 1991 über den Führerschein (2. Führerscheinrichtlinie – ABl L 237/1) eng auslegen werde und auch nach Inkrafttreten der 3. Führerscheinrichtlinie allein ein Wohnsitzverstoß es rechtfertige, die Anerkennung einer gültigen EU-Fahrerlaubnis abzulehnen.
[9] III. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet.
[10] Eine Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG liege nicht vor. Es bestünden keine Zweifel hinsichtlich des inhaltlichen Verständnisses von Art. 11 Abs. 4 der 3. Führerscheinrichtlinie, so dass die Vereinbarkeit von § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 i.V.m. S. 3 FeV mit Unionsrecht von dem OLG klar und ohne Vorlage an den EuGH habe beantwortet werden können. Art. 11 A...