OWiG § 33 Abs. 1 Nr. 9, 46; StVG § 26 Abs. 3; StPO § 206a
Leitsatz
Eine erst nach Zustellung zur Akte gereichte Vollmacht ist nicht ausreichend, eine vorherige unwirksame Zustellung wirksam erscheinen zu lassen oder nachträglich zu heilen.
AG Lüdinghausen, Beschl. v. 14.10.2014 – 19 OWi-89 Js 1652/14-166/14
1 Aus den Gründen:
" … Gegen den Betr. ist am 25.7.2014 ein Bußgeldbescheid erlassen worden, gegen den er rechtzeitig Einspruch eingelegt hat."
Die weitere Verfolgung der Ordnungswidrigkeit ist ausgeschlossen, weil inzwischen Verjährung eingetreten ist. Die in Rede stehende Tat ist am 22.5.2014 begangen worden. Die Verfolgungsverjährung wurde im Anschluss durch Verfügung des Anhörungsschreibens am 16.6.2014 unterbrochen. Der sodann ergangene Bußgeldbescheid vom 25.7.2014 dagegen hatte keine verjährungsunterbrechende Wirkung, da er nicht wirksam zugestellt worden ist. Die Zustellung erfolgte nämlich gegen Zustellungsurkunde an den Verteidiger. Gleichzeitig wurde eine Zustellung angeordnet an den Betr., die jedoch nicht stattgefunden hat. Die Zustellungsurkunde hinsichtlich der Zustellung an den Verteidiger datiert v. 26.7.2014. Eine Verjährungsunterbrechung hierdurch konnte jedoch nicht stattfinden, da der Verteidiger zu dieser Zeit sich zwar als Verteidiger gemeldet hatte, sich seine Vollmacht jedoch nicht bei der Akte befand. Die Vollmacht wurde vielmehr erst mit Schreiben v. 12.9.2014 eingereicht. Eine solche erst nach Zustellung zur Akte gereichte Vollmacht ist nicht ausreichend, eine vorherige Zustellung wirksam erscheinen zu lassen oder nachträglich zu heilen (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.4.2008 – 2 Ss (OWi) 191, 101/07 = NStZ 2008, 534). Die fehlende wirksame Zustellung des Bußgeldbescheides führt ferner dazu, dass die Verlängerung der Verjährungsfrist für die Verfolgungsverjährung sich nicht i.S.d. § 26 Abs. 3 StVG von drei auf sechs Monate verlängert. Damit war die Verfügung des Anhörungsbogens die letzte die dreimonatige Verjährungsfrist unterbrechende Handlung im Verfahren. Am 16.9.2014 ist damit Verfolgungsverjährung eingetreten, da die nächst mögliche verjährungsunterbrechende Handlung (Eingang der Akten bei Gericht) vom 10.10.2014 datiert und so nicht mehr in den Lauf der Verjährungsfrist fällt.
Die Entscheidung über die notwendigen Auslagen beruht auf § 46 OWiG i.V.m. § 467 Abs. 3 Nr. 2 StPO, weil nach dem Akteninhalt eine Verurteilung des Betr. ohne das Verfahrenshindernis wahrscheinlich gewesen wäre.“
Mitgeteilt von RiAG Carsten Krumm, Lüdinghausen
2 Anmerkung:
Kurz und knackig und richtig. In Fortführung der grundlegenden Entscheidung des OLG Köln (DAR 2013, 337) betont das AG Lüdinghausen, dass eine Zustellung ohne vorliegende Vollmacht des Verteidigers nicht zur Verjährungsunterbrechung führen kann, denn es fehlt die Fiktion des § 51 Abs. 3 OWiG. Konkludentes Verhalten des Verteidigers erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Eine großzügigere Auslegung der Vorschrift kann Unklarheit schaffen und sich insb. auch zulasten eines Angekl. auswirken. Zweckmäßigkeitserwägungen haben demgegenüber zurückzustehen (BGH BGHSt 41, 303; BGH NStZ-RR 2009, 144). Sofern andere Fälle eine außergerichtliche Vollmacht oder den Ausschluss der Zustellungsbevollmächtigung betrafen (vgl. OLG Brandenburg VRS 113, 434; OLG Jena VRS 112, 360, OLG Düsseldorf NJW 2008, 2727; OLG Dresden VerkMitt 2007, Nr. 63; OLG Hamm DAR 2004, 105; KG Berlin VRS 112, 475; KG Berlin VRS 122, 34; OLG Karlsruhe NStZ 2009, 295), wurde dort auf eine Art missbräuchliches Verhalten zurückgegriffen. Es liegt auch kein Fall vor, in dem der Betr. dem Verteidiger zwar keine Verteidigervollmacht, aber eine ausdrückliche Zustellungsvollmacht erteilt hat, die formlos nachgewiesen werden kann (OLG Rostock NStZ-RR 2003, 336). Die formlose Übersendung des Bußgeldbescheides an den Betr. ersetzt nicht dessen Zustellung, da insoweit kein Zustellungswille der Behörde vorläge. Dass wie in der Entscheidung des OLG Stuttgart (Beschl. v. 10.10.2013 – 4a Ss 428/13, juris) der Verteidiger noch innerhalb der Einspruchsfrist die an den Betr. ergangene Abschrift erhält und damit eine Heilung eintritt, stand hier nicht zur Debatte.
RiAG Dr. Benjamin Krenberger
zfs 1/2015, S. 54 - 55