PHV 3.1
Leitsatz
Schiebt ein VN sein fahruntüchtiges Kfz über eine öffentliche Straße, um es zur Abholung zur Verschrottung bereitzustellen und stößt er dabei gegen ein parkendes anderes Kfz, so besteht keine Deckung aus der privaten Haftpflichtversicherung.
AG Mönchengladbach, Urt. v. 8.10.2015 – 29 C 905/15 (rechtskräftig nach Zurückweisung der Berufung durch LG Mönchengladbach, Beschl. v. 9.3.2016 – 2 S 114/15)
Sachverhalt
Die Parteien sind durch einen Privathaftpflichtversicherungsvertrag verbunden. Unter Punkt 3.1 der unstreitig in den Versicherungsvertrag einbezogenen Erläuterungen (EHV) und Besonderen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung, Privathaftpflichtversicherung für Singles und Senioren heißt es:
"Nicht versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des Eigentümers, Besitzers, Halters oder Führers eines Kraft-, Luft-, Wasserfahrzeugs oder Kraftfahrzeuganhängers wegen Schäden, die durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursacht werden."
Am 18.1.2014 schob der Kl. seinen Pkw aus seiner Einfahrt auf die gegenüberliegende Straßenseite, um die Abholung des Fahrzeugs durch einen Schrotthändler vorzubereiten. Bel diesem Manöver kam es zu einer Kollision mit einem am Straßenrand parkenden Fahrzeug. Der. hierdurch am parkenden Fahrzeug entstandene Sachschaden belief sich auf 3.000 EUR. Der Pkw des Kl. war zum Unfallzeitpunkt weder zum Straßenverkehr zugelassen, noch bestand für dieses Kfz-Haftpflichtversicherung.
Der Kl. behauptet, sein Pkw sei zum Zeitpunkt des Unfalls nicht fahrbereit gewesen, da der Motor vier Wochen zuvor ausgebaut worden sei. Er vertritt die Auffassung, dass die Bekl. für den entstandenen Schaden eintrittspflichtig sei, da der Vorgang von der – als Ausnahmevorschrift eng auszulegenden – sog. kleinen Benzinklausel nicht umfasst sei. Mangels Fahrtauglichkeit und Motorisierung sei der Schaden nicht durch den "Gebrauch" eines Fahrzeugs entstanden.
2 Aus den Gründen:
" … Der Kl. hat gegen die Bekl. keinen Anspruch aus dem Privathaftpflichtversicherungsvertrag auf Zahlung von 3.000 EUR."
Die Einstandspflicht der Bekl. scheitert an der in Ziffer 3.1 der unstreitig in den Vertrag einbezogenen Erläuterungen (EHV) und Besonderen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung, Privathaftpflichtversicherung für Singles und Senioren enthaltenen sog. kleinen Benzinklausel. Nach dieser Vorschrift ist die gesetzliche Haftpflicht des Eigentümers, Besitzers, Halters oder Führers eines Kraft-, Luft-, Wasserfahrzeugs oder Kraftfahrzeuganhängers wegen Schäden aus dem sachlichen Anwendungsbereich der Privathaftpflicht ausgenommen, die durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursacht werden. Die Voraussetzungen dieses Ausnahmetatbestands sind im Streitfall erfüllt.
Hinsichtlich des Begriffs des Gebrauchs deckt sich die kleine Benzinklausel mit der Formulierung in § 1 PflVG, welcher die gesetzliche Verpflichtung des Halters regelt, für sich, den Eigentümer und den Fahrer eine Haftpflichtversicherung zur Deckung der durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursachten Schäden abzuschließen. Sie wurde ursprünglich konzipiert um eine Abgrenzung zu ermöglichen zwischen dem sachlichen Anwendungsbereich der Kfz-Haftpflicht einerseits und der Privathaftpflicht andererseits. Überschneidungen und Deckungslücken sollten hierdurch vermieden werden; sie lassen sich jedoch nicht immer gänzlich vermeiden, etwa dann, wenn entgegen § 1 PflVG keine Kfz-Haftpflicht bestand oder die Kfz-Haftpflicht aus anderen Gründen eine Eintrittspflicht verneint.
Wenngleich Ausnahmetatbestände nach den allgemeinen Regeln eng auszulegen ist, darf dies bezogen auf die kleine Benzinklausel nicht zu einer unbilligen Verlagerung des von der Kfz-Haftpflichtversicherung umfassten Risikos in den sachlichen Anwendungsbereich der Privathaftpflichtversicherung führen. Dies führt zwar nicht dazu, dass jedes Halten und Besitzen eines Kfz als dessen Gebrauch im haftungsrechtlichen Sinne anzusehen ist. Von dem Begriff des Gebrauchs sind jedoch jedenfalls alle solche Risiken umfasst, die unmittelbar mit der Nutzung eines Fahrzeugs in seiner Eigenschaft als Fortbewegungsmittel einhergehen. Auch ist der Begriff des Gebrauchs nicht mit dem Begriff des “Betriebs’ in § 7 StVG gleichzusetzen.
Gemessen an diesem Maßstab ist vorliegend von einem durch den Gebrauch des klägerischen Fahrzeugs entstandenen Schaden auszugehen. Der Kl. hat seinen Pkw im öffentlichen Straßenraum bewegt. Dass ein Fahrzeug (vorübergehend oder endgültig) nicht fahrbereit ist und an den Straßenrand geschoben werden muss, damit es zwecks Reparatur oder Entsorgung abgeholt werden kann, gehört zu den typischen Risiken, die mit dem Gebrauch eines Fahrzeugs in seiner Eigenschaft als Fortbewegungsmittel einhergehen. Kommt es beim manuellen Fortbewegen des nicht mehr fahrbereiten Pkw aufgrund der Schwergängigkeit der Lenkung oder ähnlichem zu einer Kollision, verwirklicht sich ebenfalls ein typisches mit dem Gebrauch eines Pkw einhergehendes Risiko. Insoweit kann es auch keine Rolle spielen, ob das Fahrzeug zum Kollisionszeitpunkt über einen Motor verfügte ode...