BGB § 439 Abs. 1 § 280 Abs. 1
Leitsatz
Ein unberechtigtes Mangelbeseitigungsverlangen des Käufers nach § 439 Abs. 1 BGB stellt eine zum Schadensersatz verpflichtende schuldhafte Vertragsverletzung dar, wenn der Käufer erkannt oder fahrlässig nicht erkannt hat, dass ein Mangel der Kaufsache nicht vorliegt, sondern die Ursache für das Symptom, hinter dem er einen Mangel vermutet, in seinem eigenen Verantwortungsbereich liegt.
BGH, Urt. v. 23.1.2008 – VIII ZR 246/06
Sachverhalt
Die Klägerin verkaufte der Beklagten, die ein Elektroinstallationsunternehmen betreibt, eine zu einem Einbau in einem Altersheim bestimmte Lichtrufanlage. Nachdem der Beklagten eine Störungsmeldung des Altersheims zuging, versuchte sie vergeblich die Störung zu beseitigen. Sie forderte die Klägerin auf, den von ihr angenommenen Mangel der Anlage zu beseitigen. Bei ihrer Untersuchung stellte die Klägerin einen Installationsfehler als Ursache der Störung fest. Sie beseitigte den Fehler und nahm die Beklagte auf Ersatz der Kosten der Untersuchung und der Reparatur in Anspruch.
Der BGH bejahte den Anspruch der Klägerin.
Aus den Gründen
[7] “Der Beklagten stand ein Anspruch auf Nacherfüllung in Form der Mangelbeseitigung gem. § 437 Nr. 1, § 439 BGB gegenüber der Klägerin nicht zu. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen und in der Revisionsinstanz nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts wies die von der Klägerin gelieferte Rufanlage keinen Sachmangel i.S.v. § 434 BGB auf.
[8] 2. In der Rspr. des BGH ist, wie die Revision zu Recht geltend macht, anerkannt, dass allein in der Erhebung einer Klage oder in der sonstigen Inanspruchnahme eines staatlichen, gesetzlich geregelten Rechtspflegeverfahrens zur Durchsetzung vermeintlicher Rechte weder eine unerlaubte Handlung i.S.d. §§ 823 ff. BGB (BGHZ 74, 9, 16; 95, 10, 18 f.; 118, 201, 206; 154, 269, 271 f.; 164, 1, 6) noch ein Verstoß gegen Treu und Glauben und damit eine zum Schadensersatz verpflichtende Vertragsverletzung gesehen werden kann (BGHZ 20, 169, 172; BGH, Urt. v. 20.3.1979, WM 1979, 1288 = NJW 1980, 189, unter I 2, insoweit in BGHZ 75, 1 nicht abgedruckt; Urt. v. 12.11.2004, NJW-RR 2005, 315 unter II 2). Für die Folgen einer nur fahrlässigen Fehleinschätzung der Rechtslage haftet der ein solches Verfahren Betreibende außerhalb der schon im Verfahrensrecht vorgesehenen Sanktionen grundsätzlich nicht, weil der Schutz des Prozessgegners regelmäßig durch das gerichtliche Verfahren nach Maßgabe seiner gesetzlichen Ausgestaltung gewährleistet wird. Eine andere Beurteilung würde die freie Zugängigkeit der staatlichen Rechtspflegeverfahren, an der auch ein erhebliches öffentliches Interesse besteht, in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise einengen.
[9] Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen sich diese Rspr. auf die außerprozessuale Geltendmachung vermeintlicher Rechte übertragen lässt, wird jedoch nicht einheitlich beantwortet.
[10] a) Nach der Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen vom 15.7.2005 (BGHZ 164, 1, 6) bleibt es beim uneingeschränkten deliktischen Rechtsgüterschutz nach § 823 Abs. 1 BGB und § 826 BGB, wenn es an der Rechtfertigungswirkung eines gerichtlichen Verfahrens fehlt. Im Rahmen einer (vor-)vertraglichen Beziehung der Parteien kommt nach einem Urteil des BGH v. 12.12.2006 (NJW 2007, 1458, unter II 1 und 2) auch ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1, § 311 BGB in Betracht, wenn jemand unberechtigt als angeblicher Schuldner außergerichtlich mit einer Forderung konfrontiert wird und ihm bei der Abwehr dieser Forderung Kosten entstehen (ebenso LG Zweibrücken NJW-RR 1998, 1105 f.; AG Münster NJW-RR 1994, 1261 f.; Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 280 Rn 27).
[11] b) Dagegen wird teilweise die Auffassung vertreten, die außergerichtliche Geltendmachung einer nicht bestehenden Forderung könne nicht anders behandelt werden als die gerichtliche (KG, Urt. v. 18.8.2005 – 8 U 251/04, juris, Tz. 142; Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen durch BGH, Beschl. v. 7.12.2006 – IX ZR 167/05, www.bundesgerichtshof.de, unter 1; OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 746, unter 2; OLG Braunschweig OLGR 2001, 196, 198; Grüneberg/Sutschet, in: Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl., § 241 Rn 54). In bestehenden Schuldverhältnissen gebe es ein Recht, in subjektiv redlicher Weise – wenn auch unter fahrlässiger Verkennung der Rechtslage – Ansprüche geltend zu machen, die sich als unberechtigt erwiesen.
[12] c) Nach Ansicht des Senats stellt jedenfalls ein unberechtigtes Mangelbeseitigungsverlangen nach § 439 Abs. 1 BGB eine zum Schadensersatz verpflichtende schuldhafte Vertragsverletzung dar, wenn der Käufer erkannt oder fahrlässig nicht erkannt hat, dass ein Mangel nicht vorliegt, sondern die Ursache für die von ihm beanstandete Erscheinung in seinem eigenen Verantwortungsbereich liegt (vgl. zum Werkvertragsrecht LG Hamburg NJW-RR 1992, 1301; a.A. OLG Düsseldorf, a.a.O., und LG Konstanz NJW-RR 1997, 722, 723). Für den Käufer liegt es auf der Hand, dass von ihm geforderte Mangelbeseitigungsarbeiten auf S...