AUB 1994 § 7 I (1); BGB § 280
Leitsatz
Der in die Abwicklung eines Unfallschadens eingeschaltete Versicherungsmakler muss den Versicherungsnehmer regelmäßig auf die Frist zur ärztlichen Feststellung einer Invalidität und ihrer Geltendmachung gegenüber dem Versicherer nach § 7 I (1) AUB (1994) hinweisen, wenn für ihn erkennbar ist, dass Ansprüche wegen Invalidität gegen den Unfallversicherer ernsthaft in Betracht kommen.
BGH, Urt. v. 16.7.2009 – III ZR 21/09
Sachverhalt
Der Kläger macht Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten als Versicherungsmakler geltend. Der Beklagte vermittelte dem als Maurermeister tätigen Kläger verschiedene Versicherungsverträge einschließlich einer Unfallversicherung. Letzterer lagen die AUB 1994 zu Grunde. Der Kläger erlitt am 4.8.2002 einen Motorradunfall in der Schweiz. Er wurde zunächst dort und später in Deutschland weiter behandelt. Der Beklagte unterstützte den Kläger bei der Geltendmachung der Ansprüche gegen die verschiedenen Versicherer. Die "Unfall-Schaden-Anzeige" an den Unfallversicherer wurde vom Beklagten am 22.8.2002 erstellt, dem Kläger zur Unterschrift vorgelegt und sodann an den Versicherer gesandt. Der Unfallversicherer sandte eine Kopie dieser Anzeige mit Schreiben vom 27.8.2002 an den Kläger zurück und bat um Vervollständigung der dort gemachten Angaben und um Unterzeichnung an den in dem Schreiben farbig markierten Stellen. Der Beklagte erhielt von diesem Schreiben erst 2004 Kenntnis. Innerhalb von einem Jahr bzw. 15 Monaten nach dem Unfall gab keiner der behandelnden Ärzte eine schriftliche Erklärung über die unfallbedingte Invalidität des Klägers ab. In der zweiten Jahreshälfte 2004 wandte sich der Beklagte, nachdem er vom Kläger über den Stand der Angelegenheit unterrichtet worden war, zunächst telefonisch und später schriftlich an den Unfallversicherer. Dieser berief sich jedoch auf die Ausschlussfrist des § 7 I (1) der Versicherungsbedingungen und lehnte eine Zahlung ab.
Hierauf nahm der Kläger den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch.
Aus den Gründen
Aus den Gründen: [7] „… Der vom OLG ausgeurteilte Betrag steht dem Kläger nach § 280 Abs. 1 BGB zu.
[8] 1. Zwischen den Parteien bestand ein Versicherungsmaklervertrag. Die Pflichten des Versicherungsmaklers gehen weit. Er wird regelmäßig vom Versicherungsnehmer beauftragt und als sein Interessen- oder sogar Abschlussvertreter angesehen. Wegen seiner umfassenden Pflichten kann der Versicherungsmakler für den Bereich des Versicherungsverhältnisses des von ihm betreuten Versicherungsnehmers als dessen treuhänderischer Sachwalter bezeichnet und insoweit mit sonstigen Beratern verglichen werden (Senat NJW-RR 2007, 1503, 1504 Rn 10 und BGHZ 162, 67, 78; BGHZ 94, 356, 359). Der Pflichtenkreis des Versicherungsmaklers umfasst grundsätzlich auch die Hilfestellung bei der Regulierung eines Versicherungsschadens, insbesondere die Erstellung einer sachgerechten Schadensanzeige (OLG Hamm NJW-RR 2001, 602, 603; Prölss/Martin/Kollhosser, VVG, 27. Aufl., nach § 48 Rn 5). Dementsprechend hatte der Beklagte den Kläger auf sein Ersuchen bei der Erstellung der “Unfall-Schaden-Anzeige’ und auch bei der weiteren Abwicklung der übrigen, ebenfalls von ihm vermittelten Versicherungen unterstützt.
[9] 2. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht im vorliegenden Fall angenommen, dass der Beklagte seine Pflicht zum Hinweis auf die Ausschlussfrist in § 7 I (1) der Versicherungsbedingungen verletzt hat.
[10] a) Der Beklagte ist als Versicherungsmakler mit der Abwicklung von Schadensfällen gegenüber Versicherungen vertraut. Er ist deshalb auch besonders sachkundig im Hinblick auf den Inhalt der Versicherungsbedingungen, die dem Versicherungsnehmer regelmäßig nicht in vergleichbarer Weise geläufig sind. Deshalb darf der Versicherungsnehmer bei der Abwicklung von Schadensfällen einen Hinweis durch den Versicherungsmakler erwarten, der in seinem Interesse tätig wird, soweit ihm Schäden drohen, weil er z.B. wegen der mangelnden Beachtung ihm regelmäßig nicht geläufiger Formalitäten in Gefahr gerät, seinen gesamten Versicherungsschutz zu verlieren. Insofern stellt das mögliche Verstreichen der Ausschlussfrist nach § 7 I (1) der Versicherungsbedingungen ein erhebliches Risiko für die Versicherungsnehmer einer Unfallversicherung dar. Deshalb kann von einem Versicherungsmakler ein Hinweis auf den drohenden Verlust des Versicherungsanspruchs wegen Nichteinhaltung der Frist zur ärztlichen Feststellung und Geltendmachung einer eingetretenen Invalidität erwartet werden. Eine Belehrungsbedürftigkeit des Versicherungsnehmers wird dabei regelmäßig dann anzunehmen sein, wenn für den Versicherungsmakler erkennbar ist, dass Ansprüche wegen Invalidität gegen die Unfallversicherung ernsthaft in Betracht kommen.
[11] Dem stehen im Gegensatz zur Auffassung der Revision weder die Vorschriften noch die Wertungen des Rechtsberatungsgesetzes entgegen. Es geht hier nicht um eine umfassende Rechtsberatung, sondern um eine Hinweispflicht als Nebenpflicht des Versicherungsmaklervertrags.
[12] Ohne Erfolg...