StVO § 3; StVG § 25; BKatV § 4
Leitsatz
1. Ein Kraftfahrer hat seine Geschwindigkeit grds. so einzurichten, dass er bereits beim Passieren eines die Geschwindigkeit regelnden Verkehrszeichens die vorgeschriebene Geschwindigkeit einhalten kann. Allerdings trägt die Rspr. möglichen Unwägbarkeiten bei der Einfahrt in eine Zone mit veränderter Geschwindigkeitsregelung bei der Frage des Ausmaßes des Verschuldens grds. Rechnung, indem sie dem Kraftfahrer zubilligt, dass er mit gewissen Abständen zwischen geschwindigkeitsregelndem Verkehrszeichen und Messstrecke rechnen kann.
2. Bei Nichteinhaltung einer verwaltungsrechtlichen Abstandsvorschrift kann der Schuldgehalt einer Tat geringer bewertet werden mit der Folge, dass allein die Verwirklichung des Tatbestandes noch keine grobe Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrers darstellt und im Einzelfall daher von einem Regelfahrverbot Abstand genommen werden kann.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Oldenburg, Beschl. v. 13.1.2014 – 2 SsBs 346/13
1 Aus den Gründen:
"Durch das angefochtene Urteil hat das AG den Betr. wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung innerhalb geschlossener Ortschaft um 38 km/h zu einer Geldbuße von 160 EUR verurteilt und gegen den Betr. ein Fahrverbot für die Dauer von 1 Monat festgesetzt."
Gegen dieses Urteil wendet sich der Betr. mit seiner Rechtsbeschwerde. Er beanstandet insb., dass gegen den Betr. ein Fahrverbot verhängt worden ist.
Die GenStA hat beantragt, das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben und die weltergehende Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 OWiG zulässig. Sie hat Im Hinblick auf den Rechtsfolgenausspruch einen zumindest vorläufigen Erfolg. Im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.
Die GenStA hat ausgeführt:
,Die allein erhobene Sachrüge greift nicht durch, soweit sie den Schuldspruch angreift. Insoweit tragen die tatsächlichen, mit der Rechtsbeschwerde nicht angreifbaren Feststellungen den Schuldspruch. Im Hinblick auf den Rechtsfolgenausspruch dürfte ihr jedoch ein vorläufiger Erfolg nicht zu versagen sein.
Nach den Feststellungen hat sich die Messstelle in Fahrtrichtung stadteinwärts von der B51 kommend gesehen ca. 130 m und stadteinwärts von der BAB 30 kommend ca. 145 m hinter den die Geschwindigkeit beschränkenden Vorschriftszeichen befunden, darüber hinaus ca. 37 m hinter der Ortstafel.
Ein Kraftfahrer hat seine Geschwindigkeit grds. so einzurichten, dass er bereits beim Passieren eines die Geschwindigkeit regelnden Verkehrszeichens die vorgeschriebene Geschwindigkeit einhalten kann. Allerdings trägt die Rspr. möglichen Unwägbarkeiten bei der Einfahrt in eine Zone mit veränderter Geschwindigkeitsregelung bei der Frage des Ausmaßes des Verschuldens grds. Rechnung, indem sie dem Kraftfahrer zubilligt, dass er mit gewissen Abständen zwischen geschwindigkeitsregelndem Verkehrszeichen und Messstrecke rechnen kann. Dies hat sich in den in Niedersachsen geltenden Richtlinien für die Überwachung des fließenden Verkehrs durch die Straßenverkehrsbehörden (gem. RdErl. d. MI u.d. MW v. 25.11.1994, Nds. MBl. 1994, 1555; zul. Geänd. d. VV v. 27.10.210, Nds. MBl. 2010, 1016) niedergeschlagen, wo in Nr. 4 der Anlage “Einsatz von Geschwindigkeitsmessgeräten‘ geregelt ist, dass der Abstand bis zur Messstelle mindestens 150 m betragen soll und nur in begründeten Fällen (z.B. Gefahrenstellen, Gefahrzeichen, Geschwindigkeitstrichter) unterschritten werden kann. Bei Nichteinhaltung der Abstandsvorschrift kann der Schuldgehalt einer Tat geringer bewertet werden mit der Folge, dass allein die Verwirklichung des Tatbestandes noch keine grobe Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrers darstellt und im Einzelfall daher von einem Regelfahrverbot Abstand genommen werden kann (OLG Celle NStZ-RR 2012, 26).
Das Gericht begründet die Verhängung des Fahrverbots allein mit dem Umstand, dass der Bußgeldkatalog bei der festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung ein Regelfahrverbot vorsieht. Angesichts der Feststellungen, dass hier aber eine Unterschreitung des Regelabstandes – wenn auch keine erhebliche – vorgelegen hat und sich der Betr. bei der Messung erst ca. 37 m in dem Bereich, nämlich Innerorts, befand, in dem die festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung zu einem Regelfahrverbot führt, hätte das Gericht weitere Ausführungen machen müssen, wieso es gleichwohl zur Annahme einer groben Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrers kommt, die allein die Verhängung eines Fahrverbots rechtfertigt.
Insoweit erscheint das Urteil lückenhaft, zumal es keine Feststellungen enthält, ob eine – tatsächlich mögliche – Ausnahme für die Unterschreitung des Regelabstandes vorliegt bzw. wieso trotz Unterschreitung des Regelabstandes eine grobe Pflichtverletzung festzustellen ist.‘
Dem schließt sich der Senat an.
Die Sache war daher im Umfange der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das AG zurückzuverweisen.“
Mitgeteilt von RA Oli...