VHB 2008 § 13 Nr. 1b
Leitsatz
1. Erfüllt der Tresor des VN nicht die Voraussetzungen eines Wertschutzbehältnisses, dann gelten die vereinbarten Entschädigungsgrenzen auch dann, wenn das im Tresor aufbewahrte Geld nicht durch Aufbrechen des Tresors, sondern mittels Raubes erfolgt.
2. § 15 Nr. 1 und 2 AVB (= § 13 Nr. 1 und 2 VHB 2008) sind weder überraschend i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB noch benachteiligen sie den VN in unangemessener Weise i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB.
OLG Hamm, Beschl. v. 4.1.2012 – 20 U 124/11
Sachverhalt
Der Kl. nimmt die Bekl. aus einer Hausratversicherung in Anspruch. Nachdem ein Täter über ein Fenster in die Wohnung des Kl. eingedrungen war, nötigte er dessen Ehefrau durch eine Bedrohung mit einem Messer zur Herausgabe des Schlüssels für den Tresor. Mit der Behauptung, dass der Täter das im Tresor aufbewahrte Bargeld von 100.000 EUR entwendet habe, hat der Kl. die Bekl., die vorgerichtlich 1.000 EUR gezahlt hat, auf Zahlung von 20 % der Versicherungssumme in Anspruch genommen. Er hat geltend gemacht, dass der Tresor in einem Schrank eingebaut und mit Schrauben mit der Wand verbunden gewesen sei. Er hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass es auch bei Aufbewahrung des Geldes in einem Tresor mit höherer Sicherheitsstufe zu demselben Schadensfall gekommen wäre. Seine Ehefrau hätte sich aufgrund der Bedrohungssituation in jedem Fall dazu entschieden, dem Täter das aufbewahrte Geld herauszugeben.
Das LG E hat die Klage abgewiesen.
2 Aus den Gründen:
“… II. Die seitens der Berufung des Kl. vorgebrachten Angriffe greifen nicht, was sich aus Folgendem ergibt:
1. Zwar weist der Berufungskl. zutreffend darauf hin, dass bei einem Raub – anders als bei einem Einbruch – die Aufbewahrung des Bargeldes in einem in § 15 Ziffer 1 lit. b) AVB (vergleichbar § 13 Ziffer 1b VHB 2008) genannten Wertschutzbehältnis keine größere Sicherheit geboten hätte, da es das Wesen des Raubes ist, dass der Täter durch die Bedrohung die Zugriffsmöglichkeit auf den Inhalt eines Tresors erhält. Daraus resultiert aber – anders als der Kl. meint – nicht, dass die in § 15 Ziffer 2 lit. b) genannte Beschränkung für den Versicherungsfall “Raub' nicht gilt. Die Entschädigungsgrenze des § 15 Ziffer 2 lit. b) differenziert nämlich schon ihrem Wortlaut nach nicht zwischen dem Versicherungsfall des Einbruchsdiebstahls und demjenigen des Raubes. Die Regelung bestimmt vielmehr unabhängig von dem konkreten Versicherungsfall die Grenzen der Einstandspflicht des VR und verknüpft diese mit der Art der Aufbewahrung von Bargeld und anderen Wertgegenständen. Insofern kann daraus gerade nicht abgeleitet werden, dass im Falle der Beraubung höhere Wertgrenzen als im Falle eines Diebstahls gelten.
2. Anders als der Kl. meint sind § 15 Ziffer 1 und 2 AVB für den VN auch weder überraschend i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB noch wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BGB unwirksam.
2.1. Eine Unwirksamkeit wegen Verstoßes gegen § 305c Abs. 1 BGB läge nur dann vor, wenn eine deutliche Abweichung zwischen den Erwartungen eines durchschnittlichen VN einerseits und der betreffenden Klausel andererseits bestünde. Die berechtigten Erwartungen des VN werden dabei von allgemeinen Umständen, wie etwa dem Grad der Abweichung von dispositiven Normen bzw. den Umständen des Vertragsschlusses, bestimmt. …
Daran gemessen handelt es sich bei den Regelungen in § 15 Ziffer 1 lit. b und § 15 Ziffer 2 lit. b nicht um überraschende Klauseln. Ein gewöhnlicher VN wird nämlich durchaus damit rechnen, dass der VR einer Hausratversicherung nicht ohne weiteres für Bargeldbeträge in Höhe der vollen Versicherungssumme einstehen wird (siehe dazu OLG Saarbrücken VersR 2011, 489 … ).
2.2. Die vorgenannten Klauseln sind auch nicht wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, denn sie benachteiligen den VN nicht in unangemessener Weise. Angesichts der bei der Hausratversicherung i.d.R. überschaubaren Prämienhöhe (hier 93,81 EUR jährlich für Hausrat-, Glas- und Haftpflichtversicherung, siehe die Kopie des Versicherungsantrags vom 14.4.2008, stellt die Vereinbarung von Entschädigungsgrenzen für Wertsachen in Abhängigkeit von ihrer konkreten Aufbewahrung gerade keine unangemessene Benachteiligung des VN dar. Der durchschnittliche VN muss deshalb mit einer Entschädigungsgrenze rechnen (so bereits OLG Celle VersR 2011, 211; OLG Saarbrücken a.a.O.).
3. Anders als der Berufungskl. meint, musste die Bekl. auch nicht darauf hinwirken, dass das Wertschutzbehältnis des Kl. durch die V GmbH anerkannt werden musste. Eine solche Verpflichtung ergibt sich weder aus den Bedingungen noch aus dem Gesamtzusammenhang. Die Regelung in § 15 Nr. 1 lit. b) aa) ist nämlich aus sich heraus verständlich und die Bekl. ist deshalb nicht ohne Hinzutreten weiterer Umstände zu einer Aufklärung oder einem Hinweis verpflichtet.
4. Anders als der Kl. meint handelt es sich bei dem von ihm so bezeichneten Wertschrank auch nicht um ein Wertschutzbehältnis i.S.v. § 15 Nr. 1 lit. b) cc) der Bedingungen. Von dieser Klausel erfasst sind nämlich lediglich 'in die Wand oder im Fuß...