StVO § 3
Leitsatz
1. Von der PTB als Bundesoberbehörde zugelassene Systeme zur Geschwindigkeitsmessung sind grds. als standardisierte Messverfahren anzuerkennen.
2. Für den Fall eines widerstreitenden Gutachtens zur verfahrensgegenständlichen Messung kann das Gericht eine für das Rechtsbeschwerdegericht prüfungsfähige eigene Bewertung vornehmen, oder was angesichts der Materie naheliegend ist, das beschriebene strukturelle Problem der PTB als Zulassungs- und Aufsichtsbehörde des Bundes zur ergänzenden Begutachtung vorlegen.
3. Sieht das Tatgericht sich nicht in der Lage, sich eine eigene Überzeugung zu bilden, hat es alle Möglichkeiten dazu auszuschöpfen, bevor es den Betr. freispricht. Dies umfasst z.B. die Vorlage der Fragestellung zur ergänzenden Stellungnahme an die PTB, um eine schriftliche Stellungnahme zu erhalten.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Köln, Beschl. v. 20.4.2018 – III-1 RBs 115/18
Sachverhalt
Das AG (AG Jülich, Beschl. v. 8.12.2018 – 12 OWi-806 Js 2072/16-122/16) hat den Betr. vom Vorwurf der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften freigesprochen. Das OLG Köln hat die Rechtsbeschwerde der StA zur Fortbildung des Rechts zugelassen, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.
2 Aus den Gründen:
"… II. Die Rechtsbeschwerde der StA ist gem. § 300 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG zugleich als Zulassungsantrag i.S.v. § 80 Abs. 3 OWiG anzusehen. Dieser Antrag ist – durch den Einzelrichter, § 80a Abs. 1 OWiG – gem. § 80 Abs. 2 Nr. 2 OWiG zur Fortbildung des sachlichen Rechts zuzulassen. Zwar hat sich die obergerichtliche Rspr. bereits mit der Einstufung des eingesetzten Messverfahrens LEIVTEC XV3 als standardisiertes Messverfahren befasst (vgl. KG, Beschl. v. 1.2.2017 – 3 Ws 12/17-122 Ss 3/17; KG, Beschl. v. 12.7.2017 – 3 Ws 166/17-162 Ss 95/17; OLG Celle, Beschl. v. 28.10.2013 – 322 SsRs 280/13). Soweit ersichtlich, ist aber die Frage, ob das Geschwindigkeitsüberwachungsgerät LEIVTEC XV3 alle Anforderungen auch der EMV-Prüfung (EMV = elektromagnetische Verträglichkeit) erfüllt oder die Bauartzulassung wegen fehlender Prüfung auf Magnetfeldresistenz ungültig ist bzw. dem verwendeten Messgerät die Qualifizierung als standardisiertes Messverfahren mit der Begründung abgesprochen werden kann, das Gerät sei nicht ausreichend auf Magnetfeldresistenz überprüft worden, bislang nicht Gegenstand obergerichtlicher Erörterung gewesen. Die Sache war daher dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern zu übertragen."
III. Die nach ihrer Zulassung gem. § 79 Abs. 1 S. 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde begegnet hinsichtlich ihrer Zulässigkeitsvoraussetzungen keinen Bedenken. Sie hat auch in der Sache (vorläufigen) Erfolg, indem sie gem. § 353 StPO, § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG auf die sinngemäß erhobene Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das AG (§ 79 Abs. 6 OWiG) führt. Die von der StA in sachlich-rechtlicher Hinsicht beanstandete Beweiswürdigung des Tatgerichts hält einer materiell-rechtlichen Prüfung nicht stand. Das AG hat die Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung und den Umfang der Beweisaufnahme bei Verwendung des standardisierten Messverfahrens verkannt und seinem Urteil ein rechtlich fehlerhaftes Verständnis des Zweifelssatzes zugrunde gelegt. Die im angefochtenen Urteil dokumentierten Erkenntnisse aus der Hauptverhandlung bilden keine ausreichende Grundlage für die Annahme des AG, dass zugunsten des Betr. im Zweifel von einer Notwendigkeit der gesamten Prüfung des Geschwindigkeitsmessgerätes LEIVTEC XV3 auf Magnetfeldresistenz auszugehen ist und mangels Durchführung einer solchen keine ordnungsgemäße Zulassung durch die PTB (Physikalisch-Technische Bundesanstalt) vorliegt.
1. Die diesbezüglichen Feststellungen des AG lauten wie folgt:
Zitat
“Hinsichtlich der Vorgaben zur Resistenz gegen hochfrequente elektromagnetische Felder des Gehäuses (Ziff. 4-3) und der Leitungen (Ziff. 4-6) sowie Magnetfeldern mit energietechnischen Frequenzen (Ziff. 4-8) ist jedoch das Gerät nicht ausreichend auf Magnetfeldresistenz überprüft worden. Insb. bzgl. der Prüfungen zu Ziff. 4-8 ist das Gerät nur in der X-Achse geprüft worden, in Y- und Z-Achse wurde das Gerät jedoch nicht geprüft. Warum die Prüfung insoweit nur in Teilen erfolgt ist, ist nicht nachvollziehbar. Aus den Gutachten der hierzu beauftragten Firma M GmbH ergibt sich, dass diese Prüfung auf Vorgabe des Herstellers auf die X-Achse beschränkt wurde (S. 8 des EMV Gutachtens Anlage A4 des Gutachtens B, Anmerkung 2: “Auf Kundenwunsch nur in der X-Achse auf >115 A/m durchgeführt‘). Die PTB erklärte in ihrer Stellungnahme vom 3.11.2017 hierzu, dass Magnetfeldresistenzprüfungen nicht erforderlich gewesen seien, da das Gerät keine magnetfeldsensiblen Bauteile enthalte. Nachdem der Sachverständige Bt im Termin erläuterte, dass dies für ihn nicht nachvollziehbar sei und mit Sicherheit magnetfeldsensible Bauteile in dem Gerät verbaut seien, wurde im Hauptverhandlungstermin vom 8.12.2017 mit der PTB telefoni...