VVG § 178; AUB 2008 1.3. 1.4.
Leitsatz
Erleidet jemand einen Menikusschaden beim Verdrehen des Knies in Hockstellung, so liegt kein versicherter Unfall vor.
(Leitsatz der Schriftleitung)
LG Stade, Urt. v. 12.7.2016 – 3 O 309/15
Sachverhalt
Die Parteien streiten über Ansprüche auf Zahlung einer Invaliditätsentschädigung aus einem Unfallversicherungsvertrag, dem die AUB 2008 zugrunde liegen. Am 11.8.2012 erlitt die Kl. einen Außenmeniskusriss am rechten Knie, als sie in der Hocke eine Grabstelle pflegte. Die diesbezügliche Schadensanzeige wurde am 17.8.2012 gegenüber der Bekl. abgegeben. Die Bekl. beauftragte das Institut X mit der Erstellung eines fachchirurgischen Gutachtens, das am 7.10.2014 erstattet wurde. Mit Schreiben v. 13.10.2014 lehnte die Bekl. aufgrund des Ergebnisses des Gutachtens ihre Eintrittspflicht ab. Die Kl. behauptet, sie habe sich im "Entengang" fortbewegt, wobei es sich um eine unnatürliche Bewegung gehandelt habe, weshalb sie eine erheblich gesteigerte Kraftanstrengung habe leisten müssen.
2 Aus den Gründen:
"… Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. (…)"
1. a) Es fehlt der Kl. bereits die Aktivlegitimation, da sie den Anspruch aus dem Versicherungsvertrag als Mitversicherte nicht geltend machen kann. Gem. Nr. 12.1 der AUB 2008 steht die Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag bei einer Fremdversicherung nicht der versicherten Person, sondern dem Vertragspartner zu. Vertragspartner der Unfallversicherung bei der Bekl. ist der Ehemann der Kl.
b) Die Kl. kann die Ansprüche auch nicht aus abgetretenem Recht geltend machen. Gem. Nr. 12.3. AUB 2008 können Versicherungsansprüche vor Fälligkeit nicht ohne Zustimmung des VR übertragen werden.
Fälligkeit ist hier erst mit Schreiben der Bekl. v. 13.10.2014 eingetreten. Die Fälligkeit richtet sich nach § 14 VVG. Hiernach sind die Leistungen des VR fällig, wenn dieser seine Feststellungen zum Versicherungsfall beendet hat. (…) Das ist im Falle der Verweigerung von Zahlungen i.d.R. der Zeitpunkt der endgültigen Ablehnung der Versicherungsleistungen durch den VR, die mit dem vorstehenden Schreiben erklärt wurde. Seitens der Kl. wird insoweit lediglich vorgetragen, die Abwicklung des Schadensfalles sei vom VN von Anfang an der Kl. überlassen worden. Selbst wenn man dies als Abtretung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag werten würde, wäre diese mangels erforderlicher, aber nicht vorliegender Zustimmung der Bekl. nicht wirksam erfolgt.
c) Die Bekl. hat entgegen der Ansicht der Kl. auch keinen Rechtsschein dahingehend gesetzt, dass die Kl. den Anspruch direkt geltend machen kann. Die Bekl. hat sämtliche Schreiben stets an den VN adressiert und die Kl. lediglich als versicherte Person angegeben. Auch wurde hierin betont, dass dem VN kein Schutz gewährt werden könne. Woraus hier ein Rechtsschein konkret gefolgert werden sollte, ist auch seitens der Kl. nicht dargetan.
2. Unabhängig von der Frage der Aktivlegitimation fehlt es auch an einem bedingungsgemäßen Vorfall, um einen Anspruch aus der Versicherung zu begründen.
a) Vorausgesetzt ist in Nr. 1.3. oder 1.4. der AUB 2008 entweder ein “Unfall', d.h. ein plötzlich von außen auf den Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis), durch das der Versicherte unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet (Nr. 1.3) oder eine erhöhte Kraftanstrengung, durch die an Gliedmaßen oder Wirbelsäule ein Gelenk verrenkt wird oder Muskeln, Sehnen, Bänder oder Kapseln gezerrt oder zerrissen werden (Nr. 1.4.). Beides liegt hier nicht vor.
b) Eine Einwirkung von außen im Sinne eines Unfalls scheidet hier von Vornherein nach dem geschilderten Ablauf aus. Eine solche äußerliche Einwirkung hat es nach der Schilderung der Kl. nicht gegeben.
Es liegt aber auch keine erhöhte Kraftanstrengung im Sinne der AUB vor. Zwar gilt bei der Beurteilung, wann eine Kraftanstrengung als erhöht einzustufen ist, ein subjektiver Maßstab (…), weshalb zu beachten ist, dass die Kl. laut chirurgischem Gutachten übergewichtig ist und im Zeitpunkt des Vorfalles 44 Jahre alt war. Jedoch handelt es sich bei dem Verdrehen eines Knies in der Hocke um eine willensgesteuerte Eigenbewegung ohne erhöhte Anstrengung (vgl. OLG Hamm VersR 1998, 708). Selbst wenn man den streitigen “Entengang' zugrunde legen würde, ergibt sich nichts anderes. Selbst das schnelle Aufstehen/Springen aus der Hocke heraus genügt nicht für die Annahme einer erhöhten Kraftaufwendung (OLG Hamm VersR 1998, 708). Noch dazu ist bei lebensnaher Betrachtung davon auszugehen, dass die Kl. sich nicht länger im “Entengang' fortbewegt hat, sondern dies bei Gelegenheit der Grabpflege nach und nach erforderlich war.
c) Hierauf kommt es jedoch im Ergebnis nicht einmal an, denn die Verletzung des Meniskus ist schon nicht vom Umfang der hiesigen Versicherung erfasst. Ein Meniskus besteht aus Knorpel und Gewebe. Gem. Nr. 1.4 AUB 2008 ist aber lediglich die Verletzung von Gelenken, Muskeln, Sehnen, Bändern oder Kapseln versichert. Der Meniskus fällt schon nicht hierunter (vgl. auch OLG Köln VersR 97, 443; OLG Hamm VersR 95, 774)...