OWiG § 10 § 71 § 79; StVO § 3; StPO § 261 § 345
Leitsatz
1. Bei Verwendung eines standardisierten Messverfahren muss das Urteil über die Feststellungen zum angewandten Messverfahren und die Angabe des berücksichtigten Toleranzwertes hinaus insb. die Mitteilung enthalten, dass die Bedienungsvorschriften beachtet worden sind und das Gerät geeicht war.
2. Der Tatrichter darf grds. davon ausgehen, dass aufgestellte Verkehrszeichen von den Verkehrsteilnehmern wahrgenommen werden. Die Möglichkeit, dass ein Kraftfahrer ein Zeichen übersehen hat, braucht nur dann in Rechnung gestellt zu werden, wenn sich hierfür konkrete Anhaltspunkte ergeben oder der Betr. dies im Verfahren einwendet.
3. Bei einer – wie hier – deutlichen (qualifizierten) Geschwindigkeitsüberschreitung, die nach st. Rspr. des OLG Koblenz außerhalb geschlossener Ortschaften ab einer Überschreitung um mehr als 40 km/h anzunehmen ist, ergibt sich schon aus den damit verbundenen sensorischen Eindrücken, hervorgerufen durch Motorgeräusch, Fahrzeugvibrationen und die Schnelligkeit, mit der sich die Umgebung verändert, ein beweiskräftiges Indiz dafür, dass der Kraftfahrer die erlaubte Geschwindigkeit zumindest mit bedingtem Vorsatz überschreitet.
4. Nach § 4 Abs. 4 BKatV soll, wenn von der Anordnung eines Fahrverbots ausnahmsweise abgesehen wird, das für den betreffenden Tatbestand als Regelsatz vorgesehene Bußgeld angemessen erhöht werden. Dies ist nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck dieser Regelung aber nur dann zulässig, wenn die Voraussetzungen für die Verhängung eines Fahrverbots an sich vorliegen, denn eine angemessene Erhöhung der Regelgeldbuße ist nur anstelle eines grds. verwirkten Fahrverbots zulässig.
5. Werden im Abwesenheitsverfahren Skizzen durch den Sachverständigen erst in der Hauptverhandlung vorgelegt und zum Hauptverhandlungsprotokoll genommen, aber dem Verteidiger mit der Übersendung des Hauptverhandlungsprotokolls bekannt gemacht, kann und muss der Betr. im Rahmen der Rechtsbeschwerde im Hinblick auf die Beruhensfrage konkret darlegen, welche Einwendungen sich aus den Skizzen im Einzelnen ergeben.
OLG Koblenz, Beschl. v. 7.5.2014 – 2 SsBs 22/14
Sachverhalt
Die Kreisverwaltung hat gegen den Betr. wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 50 km/h ein Bußgeld von 160 EUR festgesetzt und ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet. Das AG hat dann wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 50 km/h eine Geldbuße von 320 EUR festgesetzt, von der Verhängung eines Fahrverbots hingegen abgesehen. Auf die Rechtsbeschwerde des Betr. hat der erkennende Senat das Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. In seiner Entscheidung hat der Senat auf Seite 5 darauf hingewiesen, dass angesichts der Höhe der Überschreitung – sog. qualifizierte Geschwindigkeitsüberschreitung – eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Begehungsweise nahe liegt.
Mit dem angegriffenen, in Abwesenheit des Betr. und seines Verteidigers ergangenen neuen Urteil hat das AG erneut (nur) wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 50 km/h eine Geldbuße von 320 EUR festgesetzt. Es hat die Regelgeldbuße von 160 EUR im Hinblick auf das Absehen vom Regelfahrverbot verdoppelt. In seiner Rechtsbeschwerde rügt der Betr. die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Das OLG Koblenz hat den Schuldspruch in vorsätzliches Handeln abgeändert und die Geldbuße auf 250 EUR herabgesetzt.
2 Aus den Gründen:
" … II. Die Rechtsbeschwerde erweist sich mit den erhobenen Verfahrensrügen als unzulässig, da entgegen § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, § 344 Abs. 2 S. 2 StPO die den behaupteten Verfahrensmangel enthaltenen Tatsachen nicht hinreichend angegeben sind."
Innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO sind die Verfahrenstatsachen so vollständig, genau und aus sich heraus verständlich darzulegen, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein anhand der Begründung prüfen kann, ob der behauptete Verfahrensfehler vorläge, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären (BGH 2 StR 34/13 v. 12.3.2013 – NStZ-RR 2013, 222; 1 StR 45/11 v. 25.1.2012, juris). Der Senat muss allein aufgrund der Begründungsschrift – ohne Bezugnahmen und Verweisungen auf Aktenbestandteile oder Anlagen – prüfen können, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, wenn das tatsächliche Vorbringen der Rechtsbeschwerde zutrifft (BGH v. 9.3.1995 – 4 StR 77/95, NJW 1995, 2047; Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 344 Rn 21 m.w.N.; vgl. auch Cirener, Die Zulässigkeit von Verfahrensrügen in der Rspr. des BGH, NStZ-RR 2014, 33, 35). Diesen Anforderungen genügen die hier zur Überprüfung gestellten Verfahrensrügen nicht.
1. Soweit der Betr. rügt, sein Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) sei dadurch verletzt worden, dass das AG seine Überzeugung auch auf erst im Hauptverhandlungstermin vom Sachverständigen vorgelegte “Skizzen‘ gestützt habe, zu denen er – der Betr. – sich nicht habe äußern können, kann der Senat ohne Rückgriff auf die Akten schon nicht feststellen, um welche Skizzen es sich hand...