nicht rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Hilfsmittel. Hörgerät. Festbetrag
Leitsatz (redaktionell)
1. Die in § 35 und in § 36 i.V.m. § 35 SGB V den dort genannten Verbänden eingeräumte Ermächtigung, Festbeträge festzusetzen, ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
2. Die Beitragsfestsetzung wäre jedoch nicht gesetzeskonform, wenn das Sachleistungsprinzip den Versicherten im unteren Preissegment nicht erhalten bliebe. Dies wäre dann der Fall, wenn Versicherte, die Hilfsmittel benötigen, diese – abgesehen von äußersten und eher zufälligen Ausnahmen – nicht mehr als Sachleistung ohne Eigenbeteiligung beziehen können, da zu diesen Konditionen die Leistungserbringer mit den Krankenkassen nicht mehr die nach § 2 Abs. 2 S. 2 SGB V vorgesehenen Verträge abschließen.
3. Der für ein Hilfsmittel festgesetzte Festbetrag begrenzt die Leistungspflicht der Krankenkasse dann nicht, wenn er für den Ausgleich der konkret vorliegenden Behinderung objektiv nicht ausreicht.
4. Ein Mangel in der Festbetragsfestsetzung ist durch Anfechtungsklage gegen die Allgemeinverfügung zu rügen.
5. Die Krankenkasse schuldet keine Optimalversorgung, sondern sie ist gem. § 2 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 12 SGB V lediglich verpflichtet, nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Leistungen zu erbringen, die das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Dieses Maß des Notwendigen grenzt der Höchstbetrag bei Festbetragsregelungen ab.
Normenkette
SGB V §§ 12, 33-34, 36; SGB IX § 31 Abs. 1
Verfahrensgang
SG München (Entscheidung vom 29.07.2003; Aktenzeichen S 44 KR 716/01) |
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 29. Juli 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger DM 5.209,00 zu bezahlen, weil er mit Hörgeräten über den Festbetrag hinaus versorgt worden ist.
Der 1946 geborene Kläger ist bei der Beklagten als Rentner versichert. Er leidet an hochgradiger Innenohrschwerhörigkeit beidseits mit Schwindel und Tinnitus. Weil seine bisherigen Hörgeräte veraltet waren, wurden ihm am 22.09.1999 vom Klinikum G. , Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkranke (Prof.Dr.S.) Hörgeräte verordnet. Nach Angaben der J.R. Hörtechnik GmbH wurden in der Zeit vom 01.10.1999 bis März 2000 verschiedene Hörgeräte ausgiebig erprobt. Ein dreikanaliges Hörgerät mit zwei Trennfrequenzen sei empfohlen worden. Der Kläger habe sich für das Gerät M.T.Senso C 19 Plus entschieden, weil damit das beste Ergebnis erzielt worden sei. Der Kläger könne auch bei seiner Tätigkeit im Stadtrat nun dem Gespräch zufriedenstellend folgen. Die Klinik bestätigte am 11.04.2000, dass das vorgeschlagene Gerät zweckmäßig sei. Von der J.R. Hörtechnik GmbH wurden 1.791,00 DM als Preis dafür angegeben. Am 20.04.2000 wurden dem Kläger dann jedoch insgesamt 5.209,00 DM in Rechnung gestellt. Als Kassenleistung waren 1.791,00 von dem geschuldeten Gesamtbetrag von 7.000,00 DM abgezogen worden.
Der Kläger wandte sich daraufhin mit Schreiben vom 12.05.2000 an die Beklagte und teilte mit, mit dem vorgegebenen Zuschuss sei er nicht einverstanden, da sein Gehörschaden von der üblichen Norm in erheblichem Maße abweiche und die handelsüblichen Geräte unbrauchbar und nicht in der Lage seien, seinen Hörverlust auch nur annähernd zu egalisieren. Als Frührentner (schwerbehindert 50 %) sei es ihm aus eigener Kraft nicht möglich, für die für ihn passenden Hörgeräte einen Betrag von 5.209,00 DM zuzuzahlen. Die jetzt von ihm getragenen Geräte brächten das mit Abstand beste Ergebnis, welches ihm trotz Einschränkungen erlaube, einigermaßen am täglichen Leben teilzunehmen.
Die Beklagte hörte hierzu den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Bayern, MDK, (Gutachter Dr.F.) an. In der Stellungnahme vom 11.07.2000 wurde ausgeführt, aus dem Anpassbericht des Akkustikers gehe hervor, dass der Kläger nach seiner Audiometriekurve einen frequenzabhängig unterschiedlichen Verstärkungsbedarf habe. Bei dieser Konstellation sei der Einsatz von Mehrkanaltechnologie sinnvoll. Dies werde von der Festbetragsgruppe 3 abgedeckt. Auf diese Gruppe sei der Kläger zu verweisen, weil die Solidargemeinschaft nicht dafür zu sorgen habe, dass das optimale, sondern das Ausreichende zur Verfügung gestellt werde. Die Beklagte lehnte daher mit Bescheid vom 03.08.2000 einen höheren Kassenzuschuss ab. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 17.08.2000 Widerspruch ein, den seine Bevollmächtigte damit begründete, mit einem Hörgerät zum Preis der Festbetragsgruppe 3 könne ein Ausgleich der hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit des Klägers nicht erzielt werden. hierzu wurde erneut der MDK eingeschaltet (Gutachten vom 09.03. 2001 nach Aktenlage, Gutachter Dr.D.). Der Gutachter bezweifelte nicht, dass der Kläger mit dem angepassten Sensogerät subjektiv am besten zurecht komme. Die Versorgung mit mehrkanaligen Geräten sei nachvollziehbar. ...