Entscheidungsstichwort (Thema)
Rinderzuchtbetrieb einer Personenhandelsgesellschaft - keine Anwendung des Verlustausgleichsverbots
Leitsatz (amtlich)
Betreibt eine gewerblich tätige Personenhandelsgesellschaft (Wurst- und Fleischfabrik) eine auf ausreichender pflanzlicher Futtergrundlage beruhende Rinderzucht, die der Entwicklung eines besonderen Fleischrindes dient, so findet das Verlustausgleichsverbot des § 15 Abs.2 EStG 1975 keine Anwendung.
Orientierungssatz
Verluste, die einer Personenhandelsgesellschaft aus Tierzucht oder Tierhaltung erwachsen, stellen keine Verluste i.S. des § 15 Abs. 2 EStG 1975 dar, wenn die nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 EStG für eine landwirtschaftliche Tierzucht und Tierhaltung erforderlichen landwirtschaftlichen Flächen vorhanden sind und die Einkünfte der Gesellschaft nur deshalb als gewerbliche Einkünfte zu behandeln sind, weil die Gesellschaft daneben auch ein gewerbliches Unternehmen betreibt (Festhalten an BFH-Urteil vom 4.10.1984 IV R 195/83).
Normenkette
EStG 1975 § 15 Abs. 2, § 13 Abs. 1 Nr. 1 S. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betrieb in den Streitjahren (1978 bis 1981) in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG einen Gewerbebetrieb, dessen Gegenstand die Herstellung und der Vertrieb von Fleisch und Fleischerzeugnissen war. Daneben hielt und züchtete sie auf gepachteten Nutzflächen eines landwirtschaftlichen Betriebs Rinder, in einer Menge, die die in § 13 Abs.1 Nr.1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) aufgeführten Grenzen für eine pflanzliche Futtergrundlage nicht überschritt. Diese Rinderzucht hatte den Zweck, ein auf die Bedürfnisse der Fleisch- und Wurstfabrikation ausgerichtetes Fleischrind zu züchten, das ein bei normaler Mast nicht zu erzielendes Fleisch einer bestimmten Art und Güte besitzt. Die Klägerin verfolgte damit das Ziel, das auf diese Weise gewonnene Know-how auf andere Landwirte zu übertragen, um dann das besondere Fleischrind in der gewünschten Menge kaufen zu können. Die Produktion aus dieser Rinderzucht deckte nur einen kleinen Bruchteil des Gesamtbedarfs der Klägerin an Schlachtvieh. Die Produkte wurden zum überwiegenden Teil vom Hauptbetrieb der Klägerin weiterverarbeitet. Da die Rinder nicht wie im herkömmlichen landwirtschaftlichen Betrieb mit Kraftfutter gemästet, sondern ohne eingehende Betreuung wie eine Wildherde auf der Weide gehalten wurden, hatten sie bei der Schlachtung nur 1/2 bis 2/3 des Gewichts der üblichen Stallmasttiere.
Die Klägerin ermittelte die Ergebnisse aus dieser Rinderzucht über besondere Konten innerhalb ihrer Buchführung. In den Streitjahren erlitt die Klägerin nach dieser Gewinnermittlung aus der Rinderzucht Verluste, die sich nach einverständlich mit dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) vorgenommenen Korrekturen auf ... DM (1978), ... DM (1979), ... DM (1980) und ... DM (1981) beliefen.
In ihren Erklärungen zur einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung gab die Klägerin Betriebsergebnisse an, die die genannten Verluste aus der Rinderzucht enthielten. Das FA folgte dem zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Im Anschluß an eine Außenprüfung vertrat das FA demgegenüber die Auffassung, daß es sich bei den aus der Rinderzucht resultierenden Verlusten um solche aus gewerblicher Tierzucht handle, die nach § 15 Abs.2 EStG 1975 (seit 1986 § 15 Abs.4 EStG) nicht ausgleichsfähig seien.
Gegen die daraufhin ergangenen Änderungsbescheide wandte sich die Klägerin mit der Klage. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage unter Berufung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 4.Oktober 1984 IV R 195/83 (BFHE 142, 272, BStBl II 1985, 133) und das Urteil des Schleswig-Holsteinischen FG vom 17.August 1976 III 368-369/75 rkr. (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1977, 5) statt.
Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision des FA, mit der die Verletzung der Vorschrift des § 15 Abs.2 EStG 1975 gerügt wird.
Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das Verlustausgleichs- und Verlustabzugsverbot des § 15 Abs.2 EStG 1975 kann auf die hier in Rede stehenden Verluste der Klägerin nicht angewandt werden.
Allerdings hat die Klägerin mit ihrer Rinderhaltung gewerbliche Einkünfte erzielt. Das folgt aus § 15 Abs.3 Nrn.1 und 2 i.V.m. § 52 Abs.18 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung. Denn die Klägerin wurde in den Streitjahren in der Form einer Kommanditgesellschaft betrieben, die zugleich gewerblich tätig war.
Der Begriff der "gewerblichen Tierzucht oder gewerblichen Tierhaltung" i.S. des § 15 Abs.2 EStG 1975 ist jedoch entsprechend dem Gesetzeszweck restriktiv auszulegen. Der Senat hat in seinem Urteil in BFHE 142, 272, BStBl II 1985, 133 entschieden, daß die Verluste, die einer Personenhandelsgesellschaft aus Tierzucht oder Tierhaltung erwachsen, keine Verluste i.S. des § 15 Abs.2 EStG 1975 darstellen, wenn die nach § 13 Abs.1 Nr.1 EStG für eine landwirtschaftliche Tierzucht und Tierhaltung erforderlichen landwirtschaftlichen Flächen vorhanden sind, und die Einkünfte der Gesellschaft nur deshalb als gewerbliche Einkünfte zu behandeln sind, weil die Gesellschaft daneben auch ein gewerbliches Unternehmen betreibt.
Diese Auffassung, an der der Senat festhält, beruht auf der Begründung der später Gesetz gewordenen Gesetzesvorlage der CDU/CSU-Fraktion vom 9.März 1971 in der es heißt:
"Diese Einschränkung (sc. des Verlustausgleichs) soll jedoch nur insoweit gelten, als es sich bei der Tierhaltung nicht um eine landwirtschaftliche Nutzung im Sinne des Bewertungsgesetzes handelt" (BTDrucks VI/1934).
Überschreiten die Tierbestände nicht die in § 13 Abs.1 Nr.1 Satz 2 EStG genannten Grenzen für eine pflanzliche Futtergrundlage, so gehören sie nach der Vorschrift des § 51 Abs.1 des Bewertungsgesetzes (BewG), in der dieselben Grenzen aufgeführt sind, zur landwirtschaftlichen Nutzung. Die Tierzucht oder -haltung wird in diesen Fällen in der traditionellen landwirtschaftlichen Weise betrieben, auch wenn sich das Unternehmen wegen seiner Rechtsform als gewerblich darstellt.
Entgegen der in Abschn.138c Abs.1 Satz 3 und 4 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1987 geäußerten Verwaltungsauffassung findet § 15 Abs.2 EStG 1975 (§ 15 Abs.4 EStG 1986) auch dann keine Anwendung, wenn die auf einer ausreichenden Flächengrundlage basierende Tierzucht oder -haltung mit der gewerblichen Tätigkeit der Gesellschaft in einer planmäßigen, deren Interessen fördernden Weise verbunden ist, also die Voraussetzungen erfüllt, unter denen ein Nebenbetrieb zu einem gewerblichen Hauptbetrieb anzunehmen ist.
Das ergibt sich aus dem dem Urteil in BFHE 142, 272, BStBl II 1985, 133 zugrundeliegenden Sachverhalt. In jenem Fall diente die Tierhaltung dazu, eine verläßliche und nachhaltige Belieferungsmöglichkeit für die gastronomischen Betriebe der Gesellschaft sicherzustellen. Eine Landwirtschaft, die planmäßig im Interesse einer Gastwirtschaft geführt wird, stellt sich jedoch als typisches Beispiel für einen Nebenbetrieb zu einem gewerblichen Hauptbetrieb dar (vgl. Leingärtner/Zaisch, Die Einkommensbesteuerung der Landwirte, 1983, Rdnr.160).
Für die in Abschn.138c Abs.1 Satz 3 und 4 EStR geforderte Differenzierung gibt es auch keinen ersichtlichen Grund. Gebietet es der Gesetzeszweck, Betriebe mit ausreichender Futtergrundlage vom Verlustausgleichsverbot dann auszunehmen, wenn sie nur wegen ihrer Rechtsform als gewerblich anzusehen sind, so muß das gleiche für Betriebe mit ausreichender Futtergrundlage gelten, die wegen ihrer auf einen gewerblichen Hauptbetrieb ausgerichteten Zweckbestimmung einem einheitlichen Gewerbebetrieb zugerechnet werden.
Entgegen der Auffassung des FA ist das Verlustausgleichsverbot des § 15 Abs.2 EStG 1975 auch nicht deswegen anwendbar, weil sich die von der Klägerin betriebene Tierhaltung isoliert betrachtet als Liebhaberei dargestellt hätte. Allerdings hat der Senat eine solche Ausnahme für möglich gehalten (Urteile in BFHE 142, 272, BStBl II 1985, 133, und vom 13.September 1985 III R 193/81, BFH/NV 1986, 278). Das FG hat jedoch festgestellt, daß die Rinderzucht der Klägerin der Entwicklung eines Rindes bestimmter Art und Güte diente, das ihren Anforderungen bei der Fleisch- und Wurstproduktion entsprach. An diese Feststellung ist der Senat mangels zulässiger Verfahrensrügen gebunden (§ 118 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Es handelte sich bei der Rinderzucht der Klägerin demnach um eine unselbständige Forschungsabteilung, mit der der Zweck verfolgt wurde, die Gewinne des Gesamtunternehmens zu verbessern. Selbst wenn man sich diese Abteilung als rechtlich selbständiges Unternehmen vorstellt, könnte eine Gewinnerzielungsabsicht nicht verneint werden. Denn die rechtlich selbständige "Forschungsabteilung" müßte dem Mutterunternehmen zur Vermeidung verdeckter Gewinnausschüttungen Fremdpreise in Rechnung stellen, die auch einen Gewinnaufschlag enthalten.
Ist demnach § 15 Abs.2 EStG 1975 schon deshalb nicht anwendbar, weil die Rinderzucht der Klägerin auf einer ausreichenden pflanzlichen Futtergrundlage betrieben wurde, so kommt es nicht darauf an, ob die Rinderhaltung der gewerblichen Haupttätigkeit in einem Maße zu dienen bestimmt war, daß die Erzeugung von Fleisch und tierischen Erzeugnissen von ganz untergeordneter Bedeutung war, und ob das Verlustausgleichsverbot folglich deshalb nicht eingreift, weil die Klägerin zur traditionellen Viehveredelungswirtschaft nicht in Konkurrenz getreten ist (vgl. hierzu das Urteil des Schleswig-Holsteinischen FG in EFG 1977, 5; Leingärtner/Zaisch, a.a.O., Rdnr.122). Ebensowenig kommt es auf die Richtigkeit der von der Revision vorgetragenen Ansicht an, daß die Klägerin deshalb in einem "potentiellen Konkurrenzbereich zur Tätigkeit des Landwirts im engeren Sinne" tätig geworden sei, weil auch die Gewinnung von Know-how und verändertem Erbgut eine typische landwirtschaftliche Tätigkeit sei, die in den schutzbedürftigen Bereich der Tierveredelung falle. Ist nämlich eine ausreichende pflanzliche Futtergrundlage vorhanden, so steht nach dem Senatsurteil in BFHE 142, 272, BStBl II 1985, 133 die Möglichkeit, daß die Tierzucht oder -haltung in Konkurrenz zu anderen landwirtschaftlichen Betrieben tritt, der restriktiven Anwendung des in § 15 Abs.2 EStG 1975 normierten Verlustausgleichsverbots nicht entgegen.
Fundstellen
Haufe-Index 63228 |
BFH/NV 1990, 36 |
BStBl II 1991, 625 |
BFHE 159, 475 |
BFHE 1990, 475 |
BB 1990, 848 (L) |
DB 1990, 914-915 (LT) |
DStR 1990, 290 (KT) |
HFR 1990, 362 (LT) |
StE 1990, 154 (K) |