Verfahrensgang
SG Lüneburg (Entscheidung vom 12.09.2012; Aktenzeichen S 11 VE 23/11) |
LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 27.09.2018; Aktenzeichen L 10 VE 57/12) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. September 2018 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Beschädigtenrente ohne Bedürftigkeitsprüfung.
Das LSG hat der Klägerin unter Aufhebung entgegenstehender Bescheide und des erstinstanzlichen Urteils dem Grunde nach eine Beschädigtenrente nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) iVm dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 60 zugesprochen wegen wiederholten sexuellen Missbrauchs durch ihren Vater in Thüringen in den Jahren 1978 bis 1979 (Urteil vom 27.9.2018).
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde zum BSG eingelegt. Es sei gleichheitswidrig, ihr die Rente nur unter der weiteren Voraussetzung ihrer Bedürftigkeit zu zahlen (vgl § 10a OEG). Das LSG hätte das Verfahren aussetzen und dem BVerfG vorlegen müssen.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung vom 25.10.2018 genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht ordnungsgemäß dargelegt worden ist (§ 160a Abs 2 S 3 SGG).
1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen BSG Beschluss vom 25.10.2016 - B 10 ÜG 24/16 B - Juris RdNr 7 mwN).
Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn sie höchstrichterlich weder tragend entschieden noch präjudiziert ist und die Antwort nicht von vornherein praktisch außer Zweifel steht, so gut wie unbestritten ist oder sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Um die Klärungsbedürftigkeit ordnungsgemäß darzulegen, muss sich der Beschwerdeführer daher ua mit Wortlaut, Kontext und ggf der Entstehungsgeschichte des fraglichen Gesetzes sowie der einschlägigen Rechtsprechung auseinandersetzen (Senatsbeschluss vom 21.8.2017 - B 9 SB 11/17 B - Juris RdNr 8 mwN).
Wer - wie die Klägerin - eine Verfassungsverletzung geltend macht, darf sich dabei nicht auf die bloße Benennung angeblich verletzter Rechtsgrundsätze beschränken, sondern muss unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und ggf des BSG zu den gerügten Verfassungsnormen in substantieller Argumentation darlegen, welche gesetzlichen Regelungen welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (BSG Beschluss vom 1.6.2017 - B 10 ÜG 30/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 14 RdNr 16 mwN).
Diese Anforderungen verfehlt die Beschwerdebegründung. Wie die Klägerin selber einräumt, hat der Senat das von ihr beanstandete Bedürftigkeitserfordernis nach § 10a Abs 1 S 1 Nr 2 OEG (inzwischen in der insoweit gleichlautenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des BVG und anderer Vorschriften vom 20.6.2011, BGBl I 1114) geprüft und dagegen keine verfassungsrechtlichen Bedenken erhoben.
Gibt es aber bereits höchstrichterliche Rechtsprechung, kommt es darauf an, ob eine Rechtsfrage erneut klärungsbedürftig geworden ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn im neueren Schrifttum bislang noch nicht berücksichtigte Argumente angeführt oder sonst erhebliche Einwände vorgebracht werden. Zur Darlegung der (erneuten) Klärungsbedürftigkeit reicht es dagegen nicht aus, lediglich die eigene Rechtsmeinung auszubreiten. Vielmehr ist eine substantielle Auseinandersetzung mit den einschlägigen oberstgerichtlichen Entscheidungen erforderlich (BSG Beschluss vom 30.10.2017 - B 10 EG 9/17 B - Juris RdNr 5 mwN). Entsprechende Ausführungen enthält die Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin ist zwischen 1978 und 1979 auf dem Hoheitsgebiet der DDR nach den Feststellungen des LSG Opfer eines wiederholten sexuellen Missbrauchs und damit von Angriffen iS von § 1 Abs 1 S 1 OEG geworden, einem Territorium, in dem der bundesdeutsche Staat zur Tatzeit sein Gewaltmonopol nicht durchsetzen konnte. Sie ist daher für die Folgen dieser Taten nicht durch die Bundesrepublik Deutschland zu entschädigen. Anspruch auf Entschädigungsleistungen hat sie erst durch den Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR über die Herstellung der Einheit Deutschlands im Rahmen der Wiedervereinigung erhalten (zur Rechtsentwicklung vgl Rademacker in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 10a OEG RdNr 2 mwN). Opfer von Gewalttaten in den neuen Bundesländern, die bereits zu DDR-Zeiten die Schädigung erlitten hatten, sollten aus sozialpolitischen Gründen zumindest dann in den Opferschutz einbezogen werden, wenn sie durch die Gewalttat schwerbeschädigt sind. In dieser weder mit der Situation der Gewaltopfer eines rechtswidrigen tätlichen Angriffs nach der Wiedervereinigung in den neuen Bundesländern, noch mit der von Gewaltopfern vor der Wiedervereinigung in den alten Bundesländern vergleichbaren Lage war der Gesetzgeber frei in der Gestaltung der besonderen Entschädigungsregelung. Er durfte eine Härteregelung wählen, um durch die vorgefundene Situation entstandene besondere Härten auszugleichen. Dabei hält es sich im verfassungsrechtlichen Rahmen, das Vorliegen eines Härtefalls durch den Grad der Beschädigung (Schwerbeschädigung) und die Bedürftigkeit zu bestimmen. Dies gilt (auch), soweit der Regelung keine zeitliche Befristung beigemessen worden, sondern sie inzwischen in § 10a Abs 1 S 2 OEG übernommen worden ist. Eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit zu einer Befristung besteht nicht (vgl Senatsurteil vom 16.12.2004 - B 9 VG 1/03 R - SozR 4-3800 § 10a Nr 1 RdNr 32 ff mwN).
Mit dieser auch vom LSG zitierten Senatsentscheidung setzt sich die Klägerin nicht auseinander und verfehlt damit die Darlegungsanforderungen. Dies gilt auch für die Entscheidung des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit der unterschiedlichen Höhe der Renten von Kriegsopfern im Beitrittsgebiet (BVerfG Urteil vom 14.3.2000 - 1 BvR 284/96, 1 BvR 1659/96 - BVerfGE 102, 41 = SozR 3-3100 § 84a Nr 3), die allein die kontinuierliche Angleichung von Leistungen in den neuen Bundesländern an das Westniveau und damit eine wesentlich andere Konstellation als die Opferentschädigung betrifft, wie der Senat in seinem zitierten Urteil im Einzelnen ausgeführt hat (Senatsurteil vom 16.12.2004 - B 9 VG 1/03 R - SozR 4-3800 § 10a Nr 1 RdNr 40 ff mwN).
Soweit die Klägerin auf eine vermeintliche Verletzung der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl L 303 S 16) verweist, fehlt es an jeder Auseinandersetzung mit deren Anwendungsbereich und Inhalt.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
2. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13104351 |