Leitsatz (amtlich)
VwZG § 11 betrifft nur Ersatzzustellungen durch Behördenbedienstete.
Normenkette
SGG § 63 Abs. 2 Fassung: 1953-09-03; VwZG § 3 Fassung: 1952-07-03, § 11 Fassung: 1952-07-03
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts in Bremen vom 21. Juli 1955 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
Der Kläger beschäftigte den Beigeladenen als Boten und wurde für dessen Sozialversicherungsbeiträge in Anspruch genommen. Seine dagegen erhobene Klage war erfolglos; das Sozialgericht und das Landessozialgericht (LSG.) sahen die Voraussetzungen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung als erfüllt an. Im Termin des LSG. vom 31. März 1955 ist er nicht erschienen. Auch im zweiten Termin am 21. Juli 1955 ist der Kläger trotz der Aufforderung zum persönlichen Erscheinen unentschuldigt ausgeblieben. Das LSG. Bremen hat die Berufung des Klägers durch Urteil vom 21. Juli 1955 zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Das Urteil ist dem Kläger am 9. August 1955 durch die Post zugestellt worden, und zwar, wie sich aus der Postzustellungsurkunde ergibt, durch Niederlegung bei der Postanstalt Bremen 1.
Am 15. September 1955 ging beim Bundessozialgericht die Revisionsschrift ein. Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das LSG. Bremen zurückzuverweisen. Er rügt Verletzung der §§ 182 und 141 der Zivilprozeßordnung (ZPO). Zum Verhandlungstermin am 21. Juli 1955 habe er keine Ladung erhalten. Daher habe er den Termin nicht wahrnehmen können. Er habe keine Ladung mit Zustellungsurkunde bekommen und auch keinen Zettel des zuständigen Postamts, wonach er die Ladung beim Postamt 5 oder 1 abholen könnte. Er beruft sich auf eine Auskunft des Postamts 5 in Bremen und auf das Zeugnis seiner Ehefrau B... und seiner Tochter Karin R... Er meint, er hätte selbst geladen werden müssen, da das persönliche Erscheinen angeordnet gewesen sei. Die Zustellung sei nichtig, weil er von der Niederlegung der Ladung nicht schriftlich benachrichtigt worden sei. Er habe somit ohne Verschulden vom Verhandlungstermin keine Kenntnis erhalten. Die Beklagte beantragt, die Revision "abzuweisen".
II.
Da das LSG. die Revision nicht zugelassen hat, so ist sie nur statthaft, wenn ein tatsächlich vorliegender wesentlicher Mangel des Verfahrens gerügt wird (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -, vgl. BSG. 1, 150). Der behauptete wesentliche Mangel des Verfahrens liegt hier jedoch nicht vor. Der Kläger mußte nach §§ 110, 63 Abs. 1, 2 und 111 Abs. 1 SGG selbst geladen werden. Das ist in rechtsgültiger Weise geschehen. Nach § 63 Abs. 1 und 2 SGG sind Terminsbestimmungen und Ladungen von Amts wegen nach den §§ 2 bis 15 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) vom 3. Juli 1952 (BGBl. I S. 379) zuzustellen. § 3 VwZG, der die Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde behandelt, verweist in seinem Absatz 3 für das Zustellen durch einen Postbediensteten auf die Vorschriften der §§ 180 bis 186 und 195 Abs. 2 ZPO. Nach § 182 ZPO kann, wenn die Zustellung nicht nach § 181 ZPO ausführbar ist, dadurch zugestellt werden, daß der Postbedienstete das zu übergebende Schriftstück bei der Postanstalt niederlegt und eine schriftliche Mitteilung über die Niederlegung unter der Anschrift des Empfängers in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise abgibt oder, falls dies nicht tunlich ist, an der Tür der Wohnung befestigt. Nach der bei den Akten befindlichen Postzustellungsurkunde hat der Postbedienstete die Ladung zum Termin am 21. Juli 1955 in seiner Eigenschaft als Postbediensteter am 9. Juli 1955, weil er den Empfänger selbst in der Wohnung nicht angetroffen hatte und die Zustellung weder an einen zur Familie gehörenden erwachsenen Hausgenossen noch an sine in der Familie dienende Person noch an den Hauswirt oder Vermieter ausführbar war, bei der Postanstalt in Bremen 1 niedergelegt. Der Postbeamte hat in der Postzustellungsurkunde bescheinigt: "Eine schriftliche Mitteilung über die Niederlegung unter Anschrift des Empfängers ist in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise abgegeben worden". Diese Postzustellungsurkunde trägt den Poststempel "Bremen 9.7.55". Gegenüber dieser öffentlichen Urkunde kann es nicht darauf ankommen, ob die als Zeugen benannten Angehörigen des Klägers bekunden, der Kläger habe eine solche Mitteilung nicht erhalten. Die Zustellung ist somit wirksam. Zustellung ist nicht nur die Übergabe eines Schriftstücks, sondern "der in gesetzlicher Form zu bewirkende und zu beurkundende Akt, durch den dem Adressaten Gelegenheit zur Kenntnisnahme eines Schriftstücks verschafft wird" (Rosenberg: Lehrb. d.d. Zivilprozeßrechts, 7. Aufl., S. 308). Nutzt der Kläger diese Gelegenheit nicht, so trägt er die Gefahr dafür, daß er von dem Verhandlungstermin nichts erfahren hat. Wenn der Kläger, wie er an das LSG. am 24. August 1955 geschrieben hat, während der Sommermonate sich mit seiner Familie nicht in seiner Wohnung aufhielt, so hätte er dafür sorgen müssen, daß Briefe ihn erreichten. Aus Rückbriefen ergibt sich, daß er keinen Postnachsendungsantrag gestellt hatte.- Die Vorschrift des § 11 VwZG, die eine Ersatzzustellung durch Hinterlegung bei der Postanstalt nicht vorsieht, steht dieser Auffassung nicht entgegen, weil Zustellungen durch Postbedienstete in § 3 VwZG geregelt sind und durch die Vorschrift des § 11 VwZG, der sich nur auf Ersatzzustellungen durch Behördenbedienstete bezieht, nicht betroffen werden. Das ergibt sich eindeutig aus der Überschrift zum IV. Abschnitt des VwZG zu den §§ 10 bis 13: "Besondere Vorschriften für die Zustellungen durch die Behörde gegen Empfangsbekenntnis"; damit stimmt überein, daß § 5 Abs. 1 und 3 VwZG, der die Zustellung durch die Behörde gegen Empfangsbekenntnis regelt, auf die §§ 10 bis 13 VwZG verweist. Die Berufung des Klägers auf § 141 Abs. 2 Satz 2 ZPO - Ladung bei Anordnung des persönlichen Erscheinens der Partei - ist schon deshalb nicht begründet, weil der Kläger vor dem LSG. nicht durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten war; zudem ist der Kläger selbst geladen worden.
Da der behauptete Verfahrensmangel somit nicht vorliegt, war die Revision als unzulässig zu verwerfen (§ 159 SGG).
Fundstellen