Entscheidungsstichwort (Thema)
Honorarbegrenzungen für Fallzahlsteigerungen. Budgetrelevante Behandlungsfälle. Verhütung übermäßiger Ausdehnung vertragsärztlicher Tätigkeit. Auf fünf Prozent des Fachgruppendurchschnitts bemessene Zuwachsgrenze. Honorarverteilung als Maßnahme der Selbstverwaltung. Honorarverteilungsgerechtigkeit
Leitsatz (redaktionell)
Eine Kassenärztliche Vereinigung kann durch Ergänzung ihres Honorarverteilungsmaßstabs (HVM) den Honorarzuwachs für alle Vertragsärzte für den Fall beschränken, dass die Zahl der budgetrelevanten Behandlungsfälle gesteigert wurde. Bei der Ausgestaltung des HVM haben die Kassenärztlichen Vereinigungen einen Gestaltungsspielraum, weil die Honorarverteilung eine Maßnahme der Selbstverwaltung ist. So kann für die Berechnung der Fallzahlzuwachstoleranz die durchschnittliche Fallzahl der Fachgruppe im Vorjahresquartal zu Grunde gelegt werden und muss sich nicht an der früheren Fallzahl des einzelnen Vertragsarztes oder an der durchschnittlichen Fallzahl der Fachgruppe orientieren.
Normenkette
GG Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1; HVM § 12 Abs. 4a, § 8
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 14. Januar 2003 geändert. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 24. Januar 2001 wird in vollem Umfang zurückgewiesen.
Der Kläger hat der Beklagten ihre außergerichtlichen Kosten auch für das Berufungs- und Revisionsverfahren zu erstatten.
Tatbestand
I
Umstritten sind Honorarbegrenzungen für Fallzahlsteigerungen.
Der Kläger ist seit Mitte der 90er-Jahre als Hals-Nasen-Ohrenarzt im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Die Beklagte beschränkte durch Ergänzung ihres Honorarverteilungsmaßstabs (HVM) mit Wirkung ab 1. Juli 1997 den Honorarzuwachs für den Fall, dass die Zahl der budgetrelevanten Fälle gesteigert wurde. Gemäß § 12 Abs 4a ff HVM (in der geänderten Fassung vom 18. März 1998, mit Geltung ab 1. Oktober 1997) griff eine Honorarbegrenzung ein, wenn der Zuwachs der budgetrelevanten Behandlungsfälle in der Fachgruppe und auch der eigene Fallzahlzuwachs mehr als 5 % betrugen, wobei diese 5 % von der Fallzahl der Fachgruppe im Vorjahresquartal berechnet wurden. Im Maß der Überschreitung wurden die Honoraranforderungen quotiert. Zur Ergänzung dieser Grundregelungen gab es weitere Einzelbestimmungen zB darüber, dass die Quotierung wieder aufzuheben war, wenn der Arzt in drei folgenden Quartalen die Zuwachsgrenzwerte unterschritt, für Aufbaupraxen in den ersten vier Jahren, für den Fall überhöhten Zuwachses nach länger dauernder Praxisabwesenheit, für Umwandlungen in eine Gemeinschaftspraxis und für Fälle unbilliger Härte.
Auf Grund dieser Fallzahlzuwachsregelungen verminderte die Beklagte – abgesehen von der Anwendung der Regelungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) über Praxis- und Zusatzbudgets – die Honorarforderung des Klägers von 91.847,40 DM für seine budgetrelevanten Fälle des Quartals I/1998 um 8.404,04 DM (Bescheid vom 14. Juli 1998 und Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 1999). Zu dieser Reduzierung um 9,15 % führte sie aus, dass die durchschnittliche Fallzahl der Fachgruppe der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte von 1.261 im Vorjahresquartal I/1997 um mehr als 5 % auf 1.317 und seine Fallzahl von 1.387 im Vorjahresquartal ebenfalls um mehr als 5 % auf 1.596 Fälle gestiegen seien. Von seiner Fallzahlsteigerung um 209 Fälle sei nur eine Erhöhung um 5 % – berechnet von der durchschnittlichen Fallzahl der Fachgruppe im Vorjahresquartal, also 63 Fälle – zu berücksichtigen. Die daraus resultierende Nichtberücksichtigung von 146 (von insgesamt 1.596) Fällen ergebe eine Honorarminderung um 9,15 %.
Mit seiner Klage zum Sozialgericht (SG) hat der Kläger sowohl die Rechtswidrigkeit der Regelungen des EBM-Ä über die Praxisbudgets als auch derjenigen des § 12 Abs 4a ff HVM über die Fallzahlzuwachsregelungen geltend gemacht. Das SG hat seine Klage abgewiesen (Urteil vom 24. Januar 2001). Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG und den Honorarbescheid für das Quartal I/1998 aufgehoben, soweit durch diesen das Honorar des Klägers in Anwendung des § 12 Abs 4a HVM gekürzt wurde (und sinngemäß die Beklagte verurteilt, dem Kläger das Honorar ohne dessen Anwendung auszuzahlen). Die weiter gehende Berufung – dh soweit der Kläger die EBM-Ä-Praxisbudgets beanstandet hat – hat das LSG zurückgewiesen (Urteil vom 14. Januar 2003). Zur Begründung hat es ausgeführt, die Bestimmungen des § 12 Abs 4a ff HVM, die auf eine Beschränkung der Ausdehnung der Praxistätigkeit zielten, seien am Maßstab der Regelungen zur Verhütung übermäßiger Ausdehnung vertragsärztlicher Tätigkeit in § 85 Abs 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zu überprüfen. Den dazu vom Bundessozialgericht (BSG) entwickelten Maßstäben genüge eine allein auf Fallzahlgrenzwerte abstellende Regelung nicht. Aber auch wenn man wie das BSG in seinen Urteilen vom 13. März 2002 als Maßstab nicht § 85 Abs 4 Satz 4 SGB V, sondern die allgemeinen Regelungen des § 85 Abs 4 Satz 1 bis 3 SGB V heranziehe, seien die Bestimmungen des § 12 Abs 4a ff HVM rechtswidrig. Denn indem § 12 Abs 4a HVM einen Fallzahlzuwachs bei 5 % des Fachgruppendurchschnitts strikt abschneide, ohne die überschießende Zahl an Fällen wenigstens abgestaffelt zu vergüten, würden diese weiteren Behandlungsfälle überhaupt nicht honoriert. Dies greife unverhältnismäßig in die Berufsausübung ein. Zudem ermögliche die auf 5 % des Fachgruppendurchschnitts bemessene Zuwachsgrenze kleineren Praxen einen verhältnismäßig höheren Zuwachs als größeren, was dem Gleichbehandlungsgebot und dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit nicht gerecht werde. Unberücksichtigt bleibe schließlich, ob das Quartalshonorar insgesamt möglicherweise auf Grund unterdurchschnittlicher Fallwerte vergleichsweise gering sei. Im Übrigen werde missachtet, dass die Fallzahlzuwachsgrenze dem Arzt schon im Zeitpunkt der Leistungserbringung vorhersehbar sein müsse; er könne nicht wissen, ob die Fachgruppe im Durchschnitt die Toleranzgrenze übersteigen werde. Zur Zurückweisung der weiter gehenden Berufung – dh soweit der Kläger auch die EBM-Ä-Praxisbudgets beanstandet hat – hat das LSG ausgeführt, die im EBM-Ä normierten Regelungen über die Praxis- und Zusatzbudgets seien rechtmäßig, auch der vom Kläger vor allem beanstandete Kostensatz für HNO-Ärzte, wie sich aus den Ausführungen des BSG im Urteil vom 15. Mai 2002 (BSGE 89, 259 = SozR 3-2500 § 87 Nr 34) zum Kostensatz für die Hautärzte ergebe.
Die Beklagte macht mit ihrer Revision geltend, das Berufungsgericht habe die Regelungen des § 12 Abs 4a ff HVM über Fallzahlzuwächse zu Unrecht beanstandet. Diese hätten nach den Urteilen des BSG vom 13. März 2002 ihre gesetzliche Grundlage in § 85 Abs 4 Satz 1 bis 3 SGB V. Die strikte Begrenzung des Zuwachses auf 5 % des Fachgruppendurchschnitts ermögliche allen Ärzten einen absolut gleich hohen Zuwachs. Auch den Praxen mit großen Fallzahlen sei noch ein Wachstum möglich. Ein schnelleres Wachstum als in 5 %-Stufen brauche jedenfalls Praxen mit überdurchschnittlicher Fallzahl nach der Rechtsprechung des BSG nicht eingeräumt zu werden. Die hier zu beurteilende Regelung sei im Vergleich zu den vom BSG als rechtmäßig erachteten Bestimmungen sogar großzügiger, weil die 5 %ige Begrenzung nicht in jedem Fall eingreife, sondern nur, falls auch die Fachgruppe insgesamt einen Fallzahlzuwachs um mehr als 5 % aufzuweisen habe. Schließlich werde der Honorarabzug dadurch gemildert, dass dieser bei Einhaltung der Fallzahlgrenzen in den Folgequartalen nicht realisiert bzw zurückerstattet werde.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 14. Januar 2003 zu ändern und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 24. Januar 2001 in vollem Umfang zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Er verteidigt das Berufungsurteil. Das LSG habe die Fallzahlzuwachsregelungen des § 12 Abs 4a ff HVM zu Recht beanstandet. Insbesondere sei im Zeitpunkt der Leistungserbringung nicht vorhersehbar gewesen, ob überhaupt eine Honorarbegrenzung und ggf bei welcher Fallzahl diese eingreife. Denn sie sei vom Abrechnungsverhalten der gesamten Fachgruppe abhängig, nämlich davon, ob auch deren Fallzahlzuwachs höher als 5 % liege. Zudem sei rechtswidrig, dass kleineren Praxen ein verhältnismäßig größerer Zuwachs als größeren möglich sei, zB ihm – dem Kläger – bezogen auf seine Fallzahl nur eine Steigerungsquote von weniger als 5 %. Steigerungen unter 5 % seien aber nach der Rechtsprechung des BSG nur rechtens, wenn es dafür eine Kompensation wie zB eine abgestaffelte Vergütung für solche Fälle gäbe, die über dieser niedrigeren Grenze lägen. Aus diesem Grund liege auch ein unverhältnismäßiger Eingriff vor. Die Bestimmung sei ferner mit dem Zweck einer Fallzahlzuwachsregelung nicht vereinbar. Denn die Honorarkürzung greife ohne Rücksicht darauf ein, ob die “Mehrfälle” einen hohen oder geringen Fallwert hätten, obgleich letzterenfalls der Aufwand je Fall sinke, was dem Ziel aller Honorarbegrenzungsmaßnahmen entspreche.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Urteil des LSG ist aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG in vollem Umfang zurückzuweisen. Denn entgegen der Auffassung des LSG sind nicht nur die EBM-Ä-Bestimmungen über die Praxis- und Zusatzbudgets, sondern auch die Honorarbegrenzungsregelungen in § 12 Abs 4a ff HVM (hier zu Grunde zu legen in der im Quartal I/1998 geltenden Fassung) rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für Regelungen über Honorarbeschränkungen für Fallzahlsteigerungen ist § 85 Abs 1 Satz 1 bis 3 SGB V (in der bis zum 31. Dezember 1999 geltenden Fassung des Gesundheits-Reformgesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl I 2477, geändert durch Gesetz vom 22. Dezember 1999, BGBl I 2626). Danach haben die KÄVen die Gesamtvergütung nach Maßgabe des HVM an die Vertragsärzte zu verteilen; bei der Verteilung sind Art und Umfang der Leistungen der Vertragsärzte zu Grunde zu legen. Bei der Ausgestaltung des HVM haben die KÄVen, wie im Senatsurteil vom 10. Dezember 2003 (B 6 KA 54/02 R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) zusammenfassend ausgeführt ist, einen Gestaltungsspielraum, weil die Honorarverteilung eine in der Rechtsform einer Norm, nämlich einer Satzung, ergehende Maßnahme der Selbstverwaltung ist. Zu beachten ist dabei allerdings insbesondere das in § 85 Abs 4 Satz 3 SGB V angesprochene Gebot leistungsproportionaler Verteilung des Honorars sowie der aus Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 Grundgesetz herzuleitende Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Bei dem Gebot leistungsproportionaler Vergütung handelt es sich jedoch nur um einen Grundsatz; von ihm darf abgewichen werden, wenn die KÄV damit andere billigenswerte Ziele verfolgt. Solche anerkennenswerten Zielsetzungen können in einer Stabilisierung des Auszahlungspunktwertes durch die Begrenzung des Anstiegs der zu vergütenden Leistungsmenge liegen, weil auf diese Weise die Vertragsärzte einen Teil des vertragsärztlichen Honorars sicherer kalkulieren können.
Diesen Grundsätzen entsprechen die von der Beklagten zum 1. Juli 1997 eingeführten Fallzahlzuwachsregelungen, die sie auf die Honoraranforderung des Klägers für das Quartal I/1998 anwendete.
Die Beklagte beschränkte mit Wirkung ab Inkrafttreten der Praxisbudgets, dem 1. Juli 1997, für alle Vertragsärzte den Honorarzuwachs bei Steigerung der Zahl der budgetrelevanten Behandlungsfälle, indem sie in ihren HVM die Regelungen des § 12 Abs 4a ff einfügte (hier anzuwenden idF vom 18. März 1998, mit Geltung ab 1. Oktober 1997, – außer Kraft seit 1. Januar 2000). Danach unterlagen Vertragsärzte einer Honorarbegrenzung, wenn der Zuwachs der budgetrelevanten Behandlungsfälle in der Fachgruppe und auch der eigene Fallzahlzuwachs mehr als 5 % betrugen, wobei diese 5 % von der Fallzahl der Fachgruppe im Vorjahresquartal berechnet wurden (§ 12 Abs 4a HVM). Entsprechend dem Ausmaß, in dem der Fallzahlzuwachs in der Praxis über diesen 5 % lag, wurde ihre Honoraranforderung vermindert (aaO Satz 3). Diese “Quotierung” war wieder aufzuheben – dh das einbehaltene Honorar war auszuzahlen –, wenn und soweit der Fallzahlzuwachs der Praxis im Verlauf dreier folgender Quartale die Grenzwerte ihrer Arztgruppe in entsprechendem Ausmaß unterschritt (aaO Abs 4b). Von der Honorarbegrenzung ausgenommen waren solche Vertragsärzte, die noch keine vier Jahre vertragsärztliche Abrechnungen eingereicht hatten (Aufbaupraxen), solange ihre Fallzahl unter dem Durchschnitt ihrer Fachgruppe lag (aaO Abs 4d). Sonderregelungen bzw Ausnahmemöglichkeiten bestanden für den Fall längerdauernder Praxisabwesenheit und anschließender Überschreitung der Grenzwerte (aaO Abs 4c), für den Fall der Umwandlung einer Gemeinschaftspraxis in eine Praxisgemeinschaft oder in mehrere Einzel- oder Gemeinschaftspraxen (aaO Abs 4e) sowie für Fälle unbilliger Härte (aaO Abs 8). Honorarausgleichsmaßnahmen waren zulässig (aaO Abs 7).
Gemäß diesen Fallzahlzuwachsregelungen verminderte die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid die Honoraranforderung des Klägers von 91.847,40 DM für seine budgetrelevanten Fälle des Quartals I/1998 um 8.404,04 DM. Diese Reduzierung um 9,15 % beruhte darauf, dass die durchschnittliche Fallzahl der Fachgruppe der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte von 1.261 im Vorjahresquartal I/1997 um mehr als 5 % auf 1.317 Fälle und die Fallzahl des Klägers von 1.387 im Vorjahresquartal ebenfalls um mehr als 5 % auf 1.596 Fälle gestiegen waren. Die dabei zu Grunde gelegte 5 %ige Fallzahlzuwachstoleranz betrug 63 Fälle; dies ergab sich gemäß § 12 Abs 4a Satz 2 HVM aus der durchschnittlichen Fallzahl der Fachgruppe im Vorjahresquartal (1.261 Fälle × 5 % = 63 Fälle). Der Kläger überschritt mit seiner Fallzahlsteigerung um 209 Fälle den tolerierten Fallzahlzuwachs von 63 Fällen um 146 Fälle. Im Verhältnis dieser Überschreitung zu seiner Gesamtfallzahl, also um 9,15 %, kürzte die Beklagte seine Honoraranforderung.
Diese Begrenzung des Honoraranspruchs bei Fallzahlzuwächsen ist von ihrem Ansatz und ihrer Ausgestaltung her mit den von der Rechtsprechung des erkennenden Senats entwickelten Grundsätzen vereinbar. Dieser hat im Einzelnen ausgeführt, dass sich die gesetzliche Grundlage für Fallzahlzuwachsregelungen nicht aus der Ermächtigung in § 85 Abs 4 Satz 4 SGB V ergibt, die Regelungen zur Verhütung übermäßiger Ausdehnung vertragsärztlicher Tätigkeit vorsieht (Satz 4 aaO in der Zeit vom 1. Januar 1993 bis 31. Dezember 1998; Satz 5 aaO im Jahr 1999; Satz 6 aaO seit 1. Januar 2000). Eine übermäßige Ausdehnung im Sinne dieser Regelung wird erst bei erheblich über dem Durchschnitt der Fachgruppe liegenden Leistungsmengen angenommen, die Qualitätsmängel befürchten lassen, wobei der Gesamtumfang der vertragsärztlichen Tätigkeit einzubeziehen ist, zB durch Berücksichtigung sowohl der Gesamtpunkt- als auch der Gesamtfallzahl. Aus der Fallzahl allein ergibt sich kein zuverlässiges Indiz für eine zu umfangreiche und deshalb qualitativ mutmaßlich unzulängliche Tätigkeit des Arztes (BSG, Urteile vom 13. März 2002, BSGE 89, 173, 174 = SozR 3-2500 § 85 Nr 45 S 369; SozR aaO Nr 44 S 359). Diese hier nicht einschlägige Ermächtigung zu Regelungen zur Verhütung übermäßiger Ausdehnung vertragsärztlicher Tätigkeit schließt anderweitige Regelungen der KÄVen, um der Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit bzw deren Honorierung entgegenzuwirken, nicht aus. Gerade seit den 1993 eingeführten Begrenzungen der Erhöhungen der Gesamtvergütungen besteht ein Bedarf nach Beschränkungen der Vergütung für Zuwächse sowohl des Fallwertes als auch der Fallzahl, um so die Gesamthonorarsituation zu stabilisieren und damit die Kalkulierbarkeit der Einnahmen aus vertragsärztlicher Tätigkeit zu verbessern sowie die Versorgungsqualität zu steigern (vgl die Zusammenfassung der Senatsrechtsprechung im Urteil vom 10. Dezember 2003 – B 6 KA 54/02 R –, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).
Zur Beschränkung der Vergütung für Fallwertsteigerungen dienten insbesondere die zum 1. Juli 1997 durch den EBM-Ä eingeführten Praxisbudgets, die bis zum 30. Juni 2003 in Kraft gewesen sind (zu den Praxisbudgets zuletzt BSG, Urteil vom 24. September 2003 – B 6 KA 31/02 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Um dem Anreiz entgegenzuwirken, an Stelle der nicht mehr attraktiven Steigerung von Fallwerten zur Honoraraufbesserung nunmehr die Fallzahlen zu steigern, bedurfte es ergänzender Regelungen. In diesem Sinn sahen die Spitzenverbände der Krankenkassen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung in ihrer Vereinbarung zur Einführung von Praxisbudgets vor, dass die KÄVen bei Fallzahlsteigerungen um mehr als 5 % des Vorjahresquartals Maßnahmen zu ergreifen hätten, um dadurch hervorgerufenen Punktwertminderungen entgegenzuwirken (s dazu Praxisbudgetvereinbarung, DÄ 1997, A-403 f unter 5. aE; s auch DÄ 1996, A-3364 unter 3. aE; DÄ 1997, A-860, 863 unter 6. aE). So stellen Honorarbegrenzungen für Fallzahlsteigerungen, die nach Maßgabe des § 85 Abs 4 Satz 1 bis 3 SGB V getroffen werden können, sinnvolle flankierende Maßnahmen zur Absicherung der Wirkung der Praxisbudgets dar (BSG, Urteile vom 13. März 2002, BSGE 89, 173, 177 f = SozR 3-2500 § 85 Nr 45 S 372 f; SozR aaO Nr 44 S 362).
Unter Berücksichtigung dieser Zusammenhänge hat das BSG Bestimmungen im HVM, die den zu honorierenden Fallzahlzuwachs auf 5 % gegenüber dem Vorjahresquartal begrenzen, als unbedenklich angesehen (Urteil vom 13. März 2002, BSGE 89, 173, 182 ff = SozR 3-2500 § 85 Nr 45 S 378 f und die weiteren Urteile vom selben Tag in den Verfahren Az: B 6 KA 13/01 R, 14/01 R, 35/01 R). Solche Regelungen bedeuten nicht, dass für die Behandlungsfälle, die der Zahl nach die Grenze übersteigen, keine Vergütung gewährt werde. Vielmehr wird lediglich das Ausmaß der Vergütungen insgesamt der Höhe nach begrenzt, sodass das auf die einzelnen Fälle bzw auf die einzelnen Leistungen entfallende Honorar entsprechend der größeren Fallzahl bzw dem größeren Leistungsvolumen sinkt (vgl BSG, Urteil vom 13. März 2002 – B 6 KA 35/01 R; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 48 S 411; BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003 aaO). Die Rechtmäßigkeit einer Regelung, die den zu honorierenden Fallzahlzuwachs auf 5 % gegenüber dem Vorjahresquartal begrenzt, hängt nicht davon ab, ob für die Zahl an Behandlungsfällen, die der Arzt über die Zuwachsgrenze hinaus hatte, eine zusätzliche abgestaffelte Vergütung oä gewährt wird (ohne solche weitere Vergütung s Urteile vom 13. März 2002, BSGE 89, 173 = SozR 3-2500 § 85 Nr 45 und diejenigen zu den Az: B 6 KA 13/01 R und 14/01 R; mit Abstaffelungsausgleich s Urteil vom 13. März 2002 – B 6 KA 35/01 R).
Der Senat hat auch solche Fallzahlzuwachsregelungen nicht beanstandet, bei denen eine Honorarbegrenzung für den einzelnen Vertragsarzt nur eingriff, wenn seine Fachgruppe im Durchschnitt ebenfalls einen Fallzahlzuwachs von mehr als 5 % aufwies. Die Bestimmungen in der erwähnten Vereinbarung zur Einführung von Praxisbudgets ließen Raum für eine solche Ausgestaltung. Sie legten eine Koppelung an Gesamtsteigerungen im KÄV-Bezirk nahe durch die Vorgabe an die KÄVen, Maßnahmen zu ergreifen, falls in ihrem Bezirk die Fallzahlen um mehr als 5 % des Vorjahresquartals stiegen. Dementsprechend waren die KÄVen zwar nicht verpflichtet, aber befugt, die Honorarbegrenzung für den einzelnen Vertragsarzt davon abhängig zu machen, dass auch seine Fachgruppe im Durchschnitt einen Fallzahlzuwachs von mehr als 5 % aufwies (zu einer ähnlichen Regelung s Urteil vom 13. März 2002, BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 44 S 358).
Unbedenklich ist auch, dass der hier zu beurteilende HVM für die Berechnung der Fallzahlzuwachstoleranz von 5 % die durchschnittliche Fallzahl der Fachgruppe im Vorjahresquartal zu Grunde legte. Die KÄV hat Gestaltungsfreiheit, ob sie die Fallzahlzuwachsquoten nach der eigenen früheren Fallzahl des Vertragsarztes oder nach der durchschnittlichen Fallzahl der Fachgruppe bemisst. Der Senat hat sich in seiner bisherigen Rechtsprechung zwar nur mit Fallzahlzuwachsregelungen befasst, die als Maßstab für die Berechnung der 5 % die eigene Fallzahl im Vorjahresquartal zu Grunde legten. Er hat diese Ausgestaltung aber nicht als die einzig rechtmäßige bezeichnet und insoweit lediglich ausgeführt, dass eine solche Regelung “einen vertretbaren Ausgleich” zwischen den Interessen des einzelnen Arztes an einem möglichst ungehinderten Wachstum und den Interessen aller Vertragsärzte an möglichst stabilen Punktwerten darstelle (BSGE 89, 173, 183 = SozR 3-2500 § 85 Nr 45 S 379). Schon diese Formulierung zeigte, dass auch andere Lösungen – wie die Bemessung nach der durchschnittlichen Fallzahl der Fachgruppe – vom Spielraum bei der Ausgestaltung des HVM gedeckt sein können. Im Urteil vom 10. Dezember 2003 (B 6 KA 54/02 R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) hat der Senat dies im Rahmen der Überprüfung von Individualbudgets dahin weitergeführt, dass im HVM zugelassene prozentuale Steigerungen nicht auf das bisherige Abrechnungsvolumen des Arztes, sondern auf einen generellen Wert wie zB den Durchschnittsumsatz der Fachgruppe bezogen werden “sollten”, um ungleiche Zuwachsmöglichkeiten auszuschließen. Dies gilt ebenso für Honorarbegrenzungsregelungen bei Fallzahlzuwächsen.
Diesen rechtlichen Anforderungen hat die Beklagte mit den Regelungen zur Honorarbeschränkung bei Fallzahlzuwächsen entsprochen. Die Grenzziehung bei einem Zuwachs von 5 % in § 12 Abs 4a HVM war nicht zu beanstanden. Unbedenklich war auch, dass diese Quote gemäß § 12 Abs 4a Satz 2 und 3 HVM nach der durchschnittlichen Fallzahl der Fachgruppe im Vorjahresquartal und nicht nach der eigenen früheren Fallzahl des Vertragsarztes berechnet wurde; demgemäß ist der Hinweis des Klägers ohne Erfolg, dass seine Fallzahl bereits über dem Durchschnitt der Fachgruppe gelegen habe und ihm hierauf bezogen nur ein Zuwachs von weniger als 5 % möglich gewesen sei. Auch die Regelung in § 12 Abs 4a Satz 1 HVM, wonach die Honorarbegrenzung für den einzelnen Vertragsarzt nur eingriff, wenn seine Fachgruppe im Durchschnitt ebenfalls einen Fallzahlzuwachs von mehr als 5 % aufwies, ist nach den dargestellten Maßstäben nicht zu beanstanden.
Die HVM-Vorschriften waren auch nicht deshalb rechtswidrig, weil sie keine Sonderregelung für den Fall trafen, dass der Zuwachs der Fallzahl zu einem maßgeblichen Teil auf Überweisungen beruhte. Für solche Sonderfälle reichte die Regelung des § 12 Abs 8 HVM aus, die vorsah, dass der Vorstand in Fällen unbilliger Härte eine abweichende Handhabung der Regelungen beschließen konnte. Mit ihr ist allgemein dem Erfordernis entsprochen, dass eine Regelung bestehen muss, die in Sondersituationen Ausnahmeentscheidungen ermöglicht (vgl dazu BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003 – B 6 KA 54/02 R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, mwN). Ein Fall, in dem die Zuerkennung einer Ausnahme geboten ist, lag beim Kläger nicht vor. Soweit er geltend macht, dass er sich auf Grund zahlreicher Überweisungen von anderen Ärzten dem Fallzahlzuwachs nicht entziehen könne, ist darauf hinzuweisen, dass die bei ihm vorliegende Fallzahlsteigerung um mehr als 200 Fälle nur zu einem Drittel auf Überweisungen beruhte.
Eine Freistellung von der Honorarbegrenzung bei Fallzahlzuwächsen musste auch nicht für den Fall vorgesehen oder im Wege einer Ausnahmebewilligung zuerkannt werden, dass der Vertragsarzt zwar große Fallzahlsteigerungen hatte, aber mit seinen Fallwerten und seinen Gesamthonoraranforderungen unter dem Durchschnitt der Fachgruppe lag. Gerade in Ergänzung zu den Praxisbudget-Regelungen im EBM-Ä durfte sich der HVM darauf beschränken, Regelungen zur Honorarbegrenzung bei Fallzahlsteigerungen zu treffen. Wer geringe(re) Fallwerte aufzuweisen hatte, wurde nicht – oder jedenfalls in geringerem Maße als andere – durch die Bestimmungen über die Praxisbudgets im EBM-Ä begrenzt. Ein bundesrechtliches Gebot, ihn zusätzlich von fallzahlbezogenen Honorarbegrenzungen auszunehmen, bestand und besteht nicht, ist insbesondere nicht aus dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit ableitbar.
Schließlich ergeben sich keine Bedenken aus dem Gesichtspunkt, dass die Zuwachstoleranz für den einzelnen Vertragsarzt nicht schon im Zeitpunkt seiner Leistungserbringung feststand. Zwar trifft es zu, dass diese Toleranz davon abhing, ob der Fallzahlzuwachs in der Fachgruppe höher als 5 % und wie groß er war, was beides erst nach Abschluss des Quartals berechnet werden konnte. Es waren aber ausreichende Eckwerte bekannt, die dem einzelnen Vertragsarzt eine ungefähre Abschätzung ermöglichten; denn die Beklagte gab regelmäßig die Durchschnittsfallzahlen der Fachgruppen bekannt, sobald diese vorlagen. Damit wurde dem Erfordernis, dass der Vertragsarzt bei seiner Leistungserbringung die für die Honorierung maßgeblichen Rahmendaten kennen muss, ausreichend Rechnung getragen (zu diesem Erfordernis im Zusammenhang mit Honorarbegrenzungen bei Fallzahlzuwächsen s BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 44 S 367).
Keines Eingehens bedarf es auf die Einwände, die der Kläger im Berufungsverfahren gegen die Regelungen des EBM-Ä über die Praxis- und Zusatzbudgets erhoben hat. Denn Revision hat nur die Beklagte eingelegt, die beim LSG insoweit obsiegt hatte und sich dementsprechend insoweit nicht gegen das Berufungsurteil wendet. Im Übrigen würden sich insoweit auch keine Beanstandungen ergeben. Die Regelungen über die Praxis- und Zusatzbudgets insgesamt unterliegen keinen durchgreifenden Bedenken, wie der Senat wiederholt (zuletzt mit Urteil vom 24. September 2003 – B 6 KA 31/02 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) ausgeführt hat. Was speziell die Kostensätze betrifft, so hat der Senat mit seinem Urteil vom 15. Mai 2002 (BSGE 89, 259 = SozR 3-2500 § 87 Nr 34) ausgeführt, dass die für die Hautärzte zu Grunde gelegten Kostensätze noch bis zum 30. Juni 2003 hinzunehmen seien. Im Vergleich zu diesen ist die Datenlage bei den hier in Frage stehenden Kostensätzen der HNO-Ärzte weniger problematisch, wie das LSG in seinem Urteil (S 19) festgestellt hat. Daher können erst recht nicht diese Kostensätze bezogen auf Zeiträume vor dem 30. Juni 2003 in Frage gestellt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).
Fundstellen