Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen eine früher berufstätige Frau, die - im wesentlichen seit ihrer Verheiratung - 25 Jahre lang nur noch in ihrem Haushalt tätig gewesen ist und sich erst im Alter von 61 Jahren wieder als Arbeitsuchende beim Arbeitsamt gemeldet hat, als "seit mindestens einem Jahr ununterbrochen arbeitslos" (AVG § 25 Abs 2) anzusehen ist (Vergleiche BSG 1964-02-18 11/1 RA 239/60 = BSGE 20,190).
Normenkette
AVG § 25 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1248 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23; AVAVG §§ 75-76
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Bremen vom 2. März 1961 wird aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die Klägerin, geboren 21. Juli 1896, beantragte am 22. November 1958 das vorzeitige Altersruhegeld (§ 25 Abs. 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG -). Sie war von 1915 bis 1919 als technische Zeichnerin, von 1919 bis April 1932 als Kontoristin versicherungspflichtig beschäftigt; im Jahre 1929 hatte sie geheiratet; von Mai 1932 an war sie nur noch als Hausfrau tätig, sie entrichtete nach ihrer Verheiratung freiwillig Beiträge bis Dezember 1957. Am 26. Oktober 1956 hatte sie Rente wegen Berufsunfähigkeit beantragt, diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12. April 1957 ab, da die Klägerin noch nicht berufsunfähig sei. Vom 8. November 1957 bis 21. November 1958 meldete sich die Klägerin monatlich einmal und seither auch weiterhin als Arbeitsuchende beim Arbeitsamt (ArbA).
Mit Bescheid vom 4. März 1959 lehnte die Beklagte den Antrag auf das vorzeitige Altersruhegeld ab, da die Klägerin nicht arbeitslos im Sinne von § 75 Abs. 1 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) sei. Auf die Klage verurteilte das Sozialgericht (SG) Bremen am 30. März 1960 die Beklagte, der Klägerin ab 1. November 1958 das vorzeitige Altersruhegeld zu gewähren. Die Berufung der Beklagten wies das Landessozialgericht (LSG) Bremen durch Urteil vom 2. März 1961 zurück: Die Klägerin sei nach dem Bescheid der Beklagten vom 12. April 1957 zwar in ihrer Erwerbsfähigkeit eingeschränkt, aber noch nicht berufsunfähig gewesen; die Klägerin habe sich, nachdem die Beklagte ihr die Rente wegen Berufsunfähigkeit versagt habe, beim ArbA deshalb wieder als Arbeitsuchende gemeldet, weil sie mit dem bevorstehenden Ausscheiden ihres Ehemannes aus seinem Arbeitsverhältnis gerechnet habe, der Ehemann sei auch am 30. April 1958 altershalber aus seinem Beschäftigungsverhältnis, in dem er zuletzt monatlich 761,- DM verdient habe, ausgeschieden, sein Altersruhegeld betrage 448,- DM monatlich. Die Klägerin habe sich seit 8. November 1957 regelmäßig über ein Jahr lang bei der Vermittlungsstelle des ArbA gemeldet und werde vom ArbA auch als Arbeitslose geführt, sie sei deshalb auch im Sinne von § 25 Abs. 2 AVG als arbeitslos anzusehen; aus der Fünften Durchführungsverordnung (5. DVO) zum AVAVG vom 22. Mai 1958 ergebe sich, daß Arbeitslosigkeit nicht ausnahmslos dann zu verneinen sei, wenn für längere Zeit eine unselbständige Beschäftigung als Arbeitnehmer nicht die Lebensgrundlage des Rentenbewerbers gewesen sei; Arbeitsmöglichkeiten habe die Klägerin seit ihrer Meldung beim ArbA nicht ausgeschlagen, sie habe nach ihren Angaben auch regelmäßig in den Tageszeitungen die Anzeigen durchgesehen, in denen Arbeitskräfte gesucht worden seien. In ihrem früheren Beruf, in dem sie fast 30 Jahre nicht mehr tätig gewesen sei, habe sie nach der Auskunft des ArbA B vom 27. August 1959 jedoch wegen ihres Alters und wegen fehlender kaufmännischer Kenntnisse nicht vermittelt werden können, für gewerbliche Frauenarbeiten komme sie infolge ihrer altersmäßig geschwächten Körperkräfte nicht mehr in Frage; aus der Tatsache, daß sie ihren eigenen Haushalt noch versorgen könne, sei nicht ohne weiteres zu schließen, daß sie auch in abhängiger Stellung Hausfrauenarbeiten verrichten könne. Der Anspruch auf das vorzeitige Altersruhegeld nach § 25 Abs. 2 AVG werde vom Gesetz gerade für die Arbeitslosen gewährt, die nicht berufsunfähig seien und trotz ihres Willens zur Arbeitsleistung wegen vorgeschrittenen Alters praktisch nicht mehr in Arbeit vermittelt werden könnten. Das LSG ließ die Revision zu. Das Urteil wurde der Beklagten am 12. April 1961 zugestellt.
Am 26. April 1961 legte die Beklagte Revision ein, sie beantragte,
die Urteile des SG und des LSG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Am 24. Mai 1961 begründete die Beklagte die Revision: Das LSG sei zutreffend davon ausgegangen, daß der Begriff der Arbeitslosigkeit im Sinne von § 25 Abs. 2 AVG grundsätzlich nach dem Recht der Arbeitslosenversicherung (ArblV) auszulegen sei, es habe insoweit aber die §§ 75, 76 AVAVG unrichtig angewandt und auch zu Unrecht die Vorschriften der 5. DVO zum AVAVG herangezogen, die Klägerin erfülle nicht die Voraussetzungen des § 4 dieser Verordnung für die Gewährung von Arbeitslosenhilfe; bei der Klägerin handele es sich um den typischen Fall einer älteren Hausfrau, die mit der Meldung beim ArbA nicht eine Vermittlung in Arbeit, sondern die Gewährung von Rente angestrebt habe; die Meldung beim ArbA sei in derartigen Fällen kein Nachweis echter Arbeitslosigkeit und könne auch nicht als Vermutung für Arbeitslosigkeit und echte Arbeitsbereitschaft gewertet werden; § 25 Abs. 2 AVG betreffe nur solche Fälle, in denen die Tätigkeit als Arbeitnehmer dem Berufsleben vor der Arbeitslosigkeit das Gepräge gegeben habe, bei der Klägerin sei dies nicht der Fall; der Unterschied der gesetzlichen Regelung in § 25 Abs. 2 und Abs. 3 AVG dürfe nicht verwischt werden.
Die Klägerin beantragte,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten erklärten sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung (§§ 165, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) einverstanden.
II.
Die Revision der Beklagten ist zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164 SGG); sie ist auch begründet.
Das LSG ist bei der Beurteilung der Frage, ob die Klägerin in der Zeit von November 1957 bis November 1958 "arbeitslos" im Sinne von § 25 Abs. 2 AVG gewesen ist, zutreffend grundsätzlich von dem Recht der ArblV ausgegangen; es hat deshalb zu Recht zunächst geprüft, ob die Klägerin "berufsmäßig als Arbeitnehmer tätig zu sein pflegt, aber vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht" (§ 75 Abs. 1 AVAVG) und es hat diese Frage im Ergebnis zu Recht bejaht. Insoweit ist allerdings - entgegen der Meinung des LSG - für die Anwendung von § 75 Abs. 1 AVAVG nicht erheblich gewesen, ob die Klägerin unmittelbar vor ihrer Arbeitslosigkeit eine berufsmäßige Tätigkeit als Arbeitnehmer ausgeübt hat, es ist auch nicht - wie die Beklagte meint - für die Anwendung von § 25 Abs. 2 AVG erforderlich gewesen, daß das Arbeitsleben der Klägerin durch die Tätigkeit als Arbeitnehmerin "geprägt" gewesen ist. Das Bundessozialgericht (BSG) hat in mehreren Urteilen (BSG 15, 131; 18, 287; Urteil des erkennenden Senats vom 18. Februar 1964 - 11/1 RA 239/60 -) dargelegt, daß die Eigenschaft, "berufsmäßig als Arbeitnehmer tätig zu sein", schon durch den Entschluß zur Aufnahme oder Wiederaufnahme abhängiger Arbeit begründet werden kann. Auch aus § 145 AVAVG und der Verordnung zu den §§ 144 und 145 AVAVG (5. DVO zum AVAVG) vom 22. Mai 1958 (BGBl I, 377) ergibt sich - wie in dem Urteil vom 18. Februar 1964 näher dargelegt ist -, daß Angehörige verschiedener Personengruppen als "Arbeitslose" im Sinne von § 75 Abs. 1 AVAVG Anspruch auf Arbeitslosenhilfe haben, obwohl sie vor ihrer Arbeitslosmeldung eine Arbeitnehmertätigkeit nicht ausgeübt haben, und deshalb Arbeitslosigkeit im Sinne von § 25 Abs. 2 AVG auch dann vorliegen kann, wenn unmittelbar vorher eine Arbeitnehmertätigkeit nicht ausgeübt worden ist.
Das LSG hat aber verkannt, daß der Begriff der Arbeitslosigkeit in § 25 Abs. 2 AVG (ebenso wie in § 1248 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung - RVO -) neben den Tatbestandsmerkmalen des § 75 AVAVG grundsätzlich auch die Tatbestandsmerkmale des § 76 Abs. 1 Nr. 1 - 3 AVAVG mit einschließt (vgl. BSG aaO), weil ebenso wie das Arbeitslosengeld und (§ 145 AVAVG) die Arbeitslosenhilfe auch das Altersruhegeld nach § 25 Abs. 2 AVG nur den Versicherten zugute kommen soll, die trotz ihrer Beschäftigungslosigkeit arbeitswillig und arbeitsfähig sind, also subjektiv und objektiv der Arbeitsvermittlung oder doch jedenfalls dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Das LSG hat die Tatbestandsmerkmale des § 76 Abs. 1 Nr. 1 - 3 AVAVG teils überhaupt nicht, teils nicht erschöpfend geprüft. Diese Vorschrift ist aber für den Begriff der Arbeitslosigkeit im Sinne von § 25 Abs. 2 AVG gerade dann von erheblicher Bedeutung, wenn - wie hier die Klägerin - ein Versicherter, der das vorzeitige Altersruhegeld nach dieser Vorschrift begehrt, lange Zeit keine abhängige Arbeit mehr verrichtet hat und früher freiwillig aus dem Kreis der berufsmäßigen Arbeitnehmer ausgeschieden ist. In diesem Fall spricht - zunächst - alles dafür, daß der Versicherte mit seiner Meldung beim ArbA von vornherein nur die Gewährung des vorzeitigen Altersruhegeldes erstrebt und sich infolgedessen nicht ernstlich um die Erlangung eines Arbeitsplatzes bemüht. Um dieser von der Beklagten mit Recht hervorgehobenen Gefahr des Mißbrauchs des § 25 Abs. 2 AVG und - bei weiblichen Versicherten - zugleich einer Umgehung des § 25 Abs. 3 AVG vorzubeugen, müssen daher in solchen Fällen sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 76 Abs. 1 AVAVG sorgfältig geprüft und es muß insbesondere an die subjektive Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt ein strenger Maßstab angelegt werden (vgl. Urteil vom 18. Februar 1964).
Nach § 76 Abs. 1 AVAVG steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer 1) ernstlich bereit und 2) ungeachtet der Lage des Arbeitsmarktes nach seinem Leistungsvermögen imstande sowie 3) nicht durch sonstige Umstände, insbesondere tatsächliche oder rechtliche Bindungen, gesetzliche Beschäftigungsverbote oder behördliche Anordnungen, die eine Beschäftigung von mehr als geringfügigem Umfange (§ 66 AVAVG) ausschließen, gehindert ist, eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben, und wer - wenn diese Voraussetzungen gegeben sind - auch nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsauffassung für eine Vermittlung als Arbeitnehmer in Betracht kommt. Im vorliegenden Fall ist deshalb zunächst zu prüfen gewesen, ob die Klägerin, die nach der Auskunft des ArbA Bremen fachlich für eine Tätigkeit in ihrem früheren kaufmännischen Beruf wegen ihres Alters und wegen fehlender kaufmännischer Kenntnisse nicht mehr in Betracht kommt und in gewerblichen Frauenarbeiten wegen ihrer geschwächten körperlichen Kräfte nicht mehr vermittelt werden kann, in der Zeit, in der sie sich als Arbeitsuchende beim ArbA gemeldet hat, bereit gewesen ist, die danach noch verbleibenden zumutbaren anderen Arbeitsmöglichkeiten, insbesondere Haushaltsarbeiten in fremden Haushalten, Krankenhäusern, Küchenbetrieben usw. zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu übernehmen oder ob sie - wie dies nach der Auskunft des ArbA jedenfalls möglich erscheint - ihre Arbeitsbereitschaft etwa nur auf die "einfachen handschriftlichen Arbeiten" beschränkt hat, die sie nach der Ansicht des ArbA noch verrichten kann; wenn sie ihre Arbeitswilligkeit insoweit von vornherein eingeschränkt hat, so hat sie in der Zeit von November 1957 bis November 1958 jedenfalls dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung gestanden und ist schon deshalb nicht "arbeitslos" im Sinne von § 25 Abs. 2 AVG gewesen. Auch wenn die Klägerin ihre Arbeitsbereitschaft nicht auf bestimmte Arbeiten beschränkt hat, hat das LSG weiter prüfen müssen, ob die Klägerin "ernstlich" arbeitsbereit gewesen ist; "ernstlich" arbeitsbereit ist (vgl. Urteil vom 18. Februar 1964) nur der Versicherte, dessen Arbeitsbereitschaft durch objektive Umstände so belegt ist, daß an der Arbeitsbereitschaft keine vernünftigen Zweifel bestehen. Gegen die Ernstlichkeit der Arbeitsbereitschaft der Klägerin spricht, daß die Klägerin sich rund 25 Jahre lang nicht um eine Arbeitnehmertätigkeit bemüht hat, daß sie im Jahre 1956 Rente wegen Berufsunfähigkeit beantragt und damit zum Ausdruck gebracht hat, sie könne und wolle jedenfalls in ihrem früheren Beruf nicht mehr tätig sein, und daß sie sich erst einige Monate nach der Ablehnung des Antrags auf Rente wegen Berufsunfähigkeit beim ArbA als Arbeitsuchende gemeldet hat. Die Meldung beim ArbA und auch die vom LSG festgestellte Tatsache, daß die Klägerin sich über ein Jahr lang einmal monatlich der Meldekontrolle beim ArbA unterzogen hat, sind in diesem Falle noch kein Nachweis der "Ernstlichkeit" der Arbeitsbereitschaft; das LSG hat vielmehr die gesamten Arbeitsbemühungen der Klägerin in dieser Zeit prüfen müssen, es hat feststellen müssen, ob die Klägerin sich auch selbst etwa um Haushaltsarbeit "unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes" bemüht hat und warum sie trotz der allgemeinen und insbesondere für Haushaltskräfte günstigen Konjunkturlage auch insoweit weder durch die Vermittlung des ArbA noch durch eigene Bemühungen Arbeit gefunden hat; mit der Angabe der Klägerin, sie habe laufend auch die Arbeitsangebote in den Tageszeitungen durchgesehen, hat das LSG sich nicht begnügen dürfen. Nur wenn solche ernstlichen Arbeitsbemühungen festzustellen wären, könnte als weiterer Hinweis auf die Ernstlichkeit der Arbeitsbereitschaft der Klägerin möglicherweise auch gewertet werden, daß jedenfalls ab 1. Mai 1958 eine der Klägerin schon vorher bekannte Änderung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse dadurch eingetreten ist, daß sich von diesem Zeitpunkt an das Einkommen des Ehemannes der Klägerin erheblich ermäßigt hat.
Auch wenn das LSG zu Recht die Voraussetzungen des § 76 Abs. 1 Nr. 1 AVAVG bejaht hätte, hat es außerdem aber auch die Voraussetzungen des § 76 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AVAVG prüfen müssen. Nach § 76 Abs. 1 Nr. 2 AVAVG steht der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung, wer infolge einer Minderung seines Leistungsvermögens zwar in mehr als geringfügigem Umfange aber nicht für die übliche Dauer der Arbeitszeit beschäftigt werden kann (vgl. BSG 12, 226 ff); Bedenken gegen das gesundheitliche Leistungsvermögen der Klägerin hat das LSG deshalb haben müssen, weil es festgestellt hat, daß die Klägerin, die in der Zeit von November 1957 bis November 1958 über 61 Jahre alt gewesen ist, an Hauptschlagaderverkalkung, einem leichten Herzschaden, ausgedehnter verkalkter Lungentuberkulose, leichter Alterslungenblähung, Zwerchfellhochstand rechts und an Platt-Spreizfuß beiderseits leide; das LSG hat sich insoweit nicht damit begnügen dürfen, festzustellen, daß die Klägerin nach dem Bescheid der Beklagten vom 12. April 1957 trotzdem noch nicht berufsunfähig im Sinne von § 23 AVG gewesen sei. Zwar sind die Voraussetzungen der Berufsunfähigkeit enger als die Voraussetzungen des § 76 Abs. 1 Nr. 2 AVAVG, weil es nach § 76 Abs. 1 Nr. 2 AVAVG auf das Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und nicht nur auf die Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit im Bereich der Tätigkeiten ankommt, die nach § 23 Abs. 2 Satz 1 und 2 AVG für die Beurteilung der Berufsfähigkeit erheblich sind; wer noch nicht berufsunfähig ist, wird daher in der Regel die Voraussetzungen des § 76 Abs. 1 Nr. 2 AVAVG erfüllen. Das LSG hat aber nicht ohne weiteres davon überzeugt sein dürfen, die Beklagte habe in dem Bescheid vom 12. April 1957 die Gesundheitsverhältnisse der Klägerin richtig beurteilt, es hat das Leistungsvermögen im Sinne von § 76 Abs. 1 Nr. 2 AVAVG selbst prüfen und die medizinischen Unterlagen, die insoweit erheblich gewesen sind, selbst würdigen müssen. Schließlich hat das LSG aber auch noch Ermittlungen darüber anstellen müssen, ob die Klägerin, auch wenn sie die Voraussetzungen des § 76 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AVAVG erfüllt hat, nicht durch "sonstige Umstände" gehindert gewesen ist, in der Zeit ab November 1957 eine Beschäftigung von mehr als geringfügigem Umfange im Sinne von § 60 AVAVG auszuüben (§ 76 Abs. 1 Nr. 3 AVAVG); solche Umstände können bei der Klägerin in "tatsächlichen Bindungen" gelegen haben, weil sie erkennbar auch in dieser Zeit weiterhin ihren eigenen Haushalt und ihre eigene Familie zu besorgen gehabt hat (vgl. hierzu BSG 17, 164 ff und für den Fall, daß ein Arbeitsloser sowohl wegen tatsächlicher Bindungen im Sinne von § 76 Abs. 1 Nr. 3 AVAVG als auch wegen seines Leistungsvermögens - Abs. 1 Nr. 2 - nicht voll, aber immerhin mehr als wöchentlich 24 Stunden arbeiten kann, BSG 19, 226 ff).
Da das LSG sonach nicht alle Tatsachen ermittelt und gewürdigt hat, die für die Entscheidung über den Anspruch der Klägerin auf das Altersruhegeld nach § 25 Abs. 2 AVG erheblich gewesen sind, hat es die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG möglicherweise zu Unrecht zurückgewiesen. Auf die Revision der Beklagten ist daher das Urteil des LSG aufzuheben. Die Sache ist zu neuer Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen