Leitsatz (amtlich)
Ist in einer Bergbauart (hier niedersächsischer Kalibergbau) die Tätigkeit eines Maschinenhauers in den Tarifvereinbarungen nicht berücksichtigt, so kann dort die Tätigkeit eines Schlossers unter Tage auch dann nicht als Hauerarbeit nach HaVO § 1 Abs 1 Nr 2 gelten, wenn er von seinem Betriebe als Maschinenhauer bezeichnet wird. Die Schlossertätigkeit beim Auf- und Abbau von Schrapperanlagen fällt auch nicht unter HaVO § 3 Nr 4 Buchst c weil die Berücksichtigung von Tätigkeiten dieser Art durch HaVO § 1 Abs 1 Nr 2 abschließend geregelt ist.
Normenkette
RKG § 49; HaVO § 3 Nr. 4 Buchst. c Fassung: 1958-03-04, § 1 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1958-03-04
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 23. November 1961 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der ... 1903 geborene Kläger, von Beruf Schlosser, bezieht seit dem 1. Januar 1958 den Knappschaftssold und begehrt statt dessen die Bergmannsrente wegen Vollendung des 50. Lebensjahres und Erfüllung der besonderen Wartezeit nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG). Er hat die Gewährung dieser Rente am 19. Dezember 1958 beantragt. Ein früherer Antrag war mit der Begründung abgelehnt worden, er habe die besondere Wartezeit nicht erfüllt, insbesondere keine 180 Monate Hauerarbeit unter Tage oder diesen gleichgestellte Arbeiten (im folgenden kurz "Hauerarbeiten" genannt) verrichtet. Der Kläger berief sich darauf, daß er als Schlosser und Maschinenhauer in der Hauptsache Schrapperumbauten ausführe, daß diese Tätigkeit denselben Erschwernissen unterliege wie die Tätigkeit der Hauer und daß er zu einem besonders vereinbarten Lohn beschäftigt werde. Auch der neue Antrag wurde abgelehnt; der Widerspruch blieb erfolglos. Die Klage beim Sozialgericht (SG), mit welcher der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der Bergmannsrente ab 1. Januar 1958 erstrebte, wurde abgewiesen.
Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 23. November 1961 die Berufung des Klägers zurückgewiesen. In der Begründung wird ausgeführt, die Schlosserarbeit des Klägers beim Auf- und Abbau der Schrapperanlagen entspreche nicht den Tätigkeitsmerkmalen des Maschinenhauers i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Hauerarbeitenverordnung (HaVO). Im Kalibergbau gebe es die Tätigkeit eines Maschinenhauers weder tarifmäßig noch tatsächlich; demgemäß könne es hier auch keine diesem Typ vergleichbare Tätigkeit geben. Aus seiner der Tarifgestaltung und der Übung im Kalibergbau widersprechenden Benennung als Maschinenhauer könne der Kläger keine Rechte herleiten. Es fehle aber auch als weitere Voraussetzung für die Anerkennung als Hauerarbeit, daß der Kläger zu besonders vereinbartem Lohn beschäftigt gewesen sei. Die nach § 1 Abs. 2 HaVO erforderliche Festigkeit dieses Lohnes und die Annäherung an die Gedingesätze sei nur bei schriftlicher Vereinbarung gewährleistet, wie sie grundsätzlich auch für Gedinge vorgeschrieben sei. Auch genüge die Gewährung von Prämien zum Schichtlohn nicht, um die Voraussetzungen für einen "festen Lohn" i. S. dieser Vorschrift zu erfüllen.
Mit der Revision rügt der Kläger zunächst eine Verletzung des Verfahrensrechts (§ 103 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Die tatsächliche Feststellung des LSG, es gebe im Kalibergbau keine Maschinenhauer, werde schon durch die ihm im Jahre 1957 ausgehändigte Ehrenurkunde, in der er als Maschinenhauer bezeichnet sei, widerlegt. Im Tarifvertrag seien die Maschinenhauer unter der Sammelbezeichnung "Handwerker" erfaßt, so daß es ihrer besonderen Erwähnung dort nicht bedürfe. Da er - der Kläger - Schrapperumbauarbeiten ausgeführt, also "Fördermittel umgebaut" habe, sei er gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 a) HaVO "im Abbau" beschäftigt gewesen. Als im Abbau beschäftigter Maschinenhauer habe er - was das LSG verkannt habe - die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 2 HaVO und damit die besondere Wartezeit für die Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG erfüllt. Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung der Entscheidungen des LSG Niedersachsen vom 23. November 1961 und des SG Hannover vom 14. Dezember 1960 sowie der Bescheide der Beklagten, die Beklagte zu verurteilen, ab 1. Januar 1958 die Bergmannsrente gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für richtig. Die Tätigkeit von Handwerkern könne nur dann als Hauerarbeit gelten, wenn sie unter den in § 1 Abs. 1 Nr. 2 HaVO genannten Voraussetzungen als Elektro- oder Maschinenhauer tätig seien. Diese Tätigkeiten gebe es im Kalibergbau jedoch nicht; eine vergleichbare Tätigkeit verrichteten hier die in § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Nr. 2 HaVO aufgeführten "Bediener oder Fahrer von Gewinnungs-, Streckenvortriebs- oder Lademaschinen", zu denen der Kläger nicht gehöre. Da es im Kalibergbau die Tätigkeit des Maschinenhauers selbst nicht gebe, könne es auch keine "gleiche" Tätigkeit geben. Außerdem müsse der Berechnung und Festsetzung des "besonders vereinbarten Lohnes" ein möglicher oder tatsächlicher Gedingelohn zugrunde liegen. Das sei aber nicht der Fall, wenn die Arbeiten in der Regel im Schichtlohn verrichtet würden; die Gewährung einer Prämie oder eines Zuschlags könne in solchen Fällen das Erfordernis eines besonders vereinbarten Lohnes nicht erfüllen. Nach alledem habe der Kläger als Handwerker keine Hauerarbeiten verrichtet und somit die besondere Wartezeit nicht erfüllt.
Die vom LSG zugelassene und somit nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthafte Revision des Klägers ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Das LSG hat zu Recht angenommen, daß die Tätigkeit des Klägers nicht unter § 1 Abs. 1 Nr. 2 HaVO fällt. Der Kläger ist auch dann nicht Maschinenhauer im Sinne dieser Vorschrift, wenn er tatsächlich - seiner Behauptung entsprechend - diese Berufsbezeichnung in seinem Betriebe geführt hat. Entscheidend für die Einordnung unter die Hauerarbeiten ist nämlich nicht die individuelle Berufsbezeichnung, sondern die tatsächlich verrichtete Tätigkeit. Der Verordnungsgeber hat sich in der HaVO der Berufsbezeichnungen lediglich bedient, um die privilegierten Tätigkeiten damit zu umschreiben. Hierbei war für ihn der Stand im Bergbau zur Zeit des Erlasses der Verordnung maßgebend; die Tätigkeiten konnten also nur aus den zu diesem Zeitpunkt geltenden Tarifvereinbarungen entnommen werden. Die in der HaVO aufgeführten Tätigkeiten sind daher in den einzelnen Bergbauarten und Bergbaugebieten grundsätzlich nur dann zu berücksichtigen, wenn sie bei Erlaß der HaVO in den Tarifverträgen für die betreffende Bergbauart und das betreffende Bergbaugebiet enthalten waren. Auf die Frage, was dann zu gelten hat, wenn etwa als Folge technischer Veränderungen in einer Bergbauart oder einem Bergbaugebiet solche Tätigkeitsbegriffe dort erst später in die Tarifverträge Eingang gefunden haben, braucht hier nicht eingegangen zu werden. Denn die Tarifvereinbarungen für den niedersächsischen Kalibergbau kennen den besonderen Tätigkeitsbegriff des Maschinenhauers überhaupt nicht. Es braucht hier auch nicht entschieden zu werden, ob es etwa ausnahmsweise einmal genügen könnte, daß eine Berufsbezeichnung in einer Bergbauart zwar aus besonderen Gründen nicht tariflich festgelegt, aber doch allgemein üblich ist. Das LSG hat nämlich ausdrücklich festgestellt, daß die Berufsbezeichnung Maschinenhauer dort auch nicht allgemein üblich ist. Soweit sich die Revision gegen diese tatsächliche Feststellung wendet, geht ihr Angriff fehl. Der Umstand, daß der Kläger innerhalb seines Betriebes - zB in einer Ehrenurkunde - als Maschinenhauer bezeichnet worden ist, steht der tatsächlichen Feststellung des Berufungsgerichts, diese Berufsbezeichnung sei im Kalibergbau nicht allgemein üblich, keineswegs entgegen.
Eine Feststellung, daß es dort überhaupt keine Bergleute mit der Berufsbezeichnung Maschinenhauer gebe, hat das LSG nicht getroffen und wollte es auch gar nicht treffen, weil es hierauf nach seiner Rechtsauffassung gar nicht ankam. Aus seiner untypischen, nur betriebsinternen Bezeichnung als Maschinenhauer kann der Kläger daher keine Rechte nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 HaVO herleiten. Er kann sich aber auch nicht darauf berufen, daß er "mit gleicher Tätigkeit" wie ein Maschinenhauer beschäftigt gewesen sei. Dieser ausdehnende Zusatz in der genannten Vorschrift erfaßt nach Sinn und Zweck diejenigen Grubenhandwerker, die die Tätigkeit eines Maschinenhauers verrichten, ohne die Prüfung für Maschinenhauer abgelegt zu haben. Notwendige Voraussetzung der Gleichstellung ist aber auch hierbei, daß es in der betreffenden Bergbauart und dem betreffenden Bergbaugebiet überhaupt den Tätigkeitsbegriff des Maschinenhauers gibt. Der Zusatz "oder mit gleicher Tätigkeit" bedeutet nicht etwa, daß der Maschinenhauerbegriff aus dem Tarifgebiet des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaus auf eine rein technisch gesehen zwar ähnliche Tätigkeit in einem Tarifgebiet übertragen werden könnte, in der es diesen Tätigkeitsbegriff nicht gibt. Denn die Tätigkeit kann dort infolge anderer Arbeitsbedingungen mit wesentlich geringerer Gefahr und geringerem Verschleiß der Körperkraft verbunden sein; gerade diese Umstände sind aber maßgebend dafür, ob eine Tätigkeit zu begünstigen ist. Es kann sich also insoweit um eine wesentlich andere Tätigkeit handeln. Eine Ausdehnung des Kreises der Hauerarbeiten auf andere Tätigkeiten steht aber nur dem hierzu gesetzlich ermächtigten Verordnungsgeber, nicht den nur auslegend tätigen Versicherungsträgern und Gerichten zu; sie können und dürfen auch nicht prüfen, ob eine bestimmte Tätigkeit es gerechterweise "verdient", in die HaVO aufgenommen zu werden.
Die Tätigkeit des Klägers wird auch nicht etwa von § 3 Nr. 1 und 2 i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 HaVO erfaßt. Das LSG hat die Tätigkeit des Klägers als "Schlosserarbeit beim Auf- und Abbau der Schrapperanlagen" hinreichend deutlich umschrieben. Unter den in den genannten Vorschriften erschöpfend aufgeführten Bergmannstypen befindet sich der Grubenschlosser nicht; seine Tätigkeit ist daher auch dann keine Hauerarbeit im Sinne dieser Vorschriften, wenn sie an den in § 1 Abs. 1 Nr. 1 RKG zu a) und b) genannten Betriebspunkten verrichtet wird. Die Bemerkung "beim Umbau der Fördermittel" in § 1 Abs. 1 Nr. 1 HaVO zu a) enthält aber nur eine Erläuterung des Begriffes "im Abbau", betrifft also nur den Betriebspunkt, nicht auch den Tätigkeitstyp.
Der Senat hat abschließend auch geprüft, ob die Tätigkeit des Klägers etwa unter § 3 Nr. 4 c HaVO einzuordnen wäre. Hierunter fällt u. a., wer Zimmer-, Raparatur- oder sonstige Instandsetzungsarbeiten im Abbau, beim Streckenvortrieb oder in der Aus- und Vorrichtung ausführt und einen Lohn erhält, der mindestens dem höchsten tariflichen Schichtlohn entspricht. Anders als in Abschnitt IV Nr. 1 der Durchführungsbestimmungen des Reichsversicherungsamts zum knappschaftlichen Leistungszuschlag vom 7. Dezember 1943 (RABl II 522) ist die Anwendung dieser Vorschrift nicht ausdrücklich auf die Tätigkeit der Zimmer- und Reparaturhauer beschränkt. Rein vom Wortlaut der Vorschrift aus könnte es daher immerhin vertretbar erscheinen, auch die Schlossertätigkeit beim Auf- und Abbau von Schrapperanlagen zu den "sonstigen Instandsetzungsarbeiten" im Sinne der o. a. Vorschrift zu rechnen. Dagegen spricht allerdings schon, daß es sich bei der Gruppe der in § 3 Nr. 4 HaVO aufgeführten Tätigkeiten, für die auch ein gemeinsames besonderes Lohnerfordernis aufgestellt ist, sonst nur um typisch bergmännische Arbeiten handelt. Entscheidend ist aber nach Ansicht des Senats ein anderer Gesichtspunkt. Die handwerklichen Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten an den besonderen Betriebspunkten sind dort, wo es diesen Tätigkeitsbegriff gibt, typische Elektro- und Maschinenhauerarbeiten. Sinn und Aufbau der HaVO lassen aber deutlich erkennen, daß solche Tätigkeiten der Elektriker, Schlosser und verwandter Berufe unter Tage abschließend durch § 1 Abs. 1 Nr. 2 erfaßt werden sollen, daß also Handwerker dieser Art nur dann Hauerarbeit verrichten, wenn sie als Elektro- oder Maschinenhauer oder mit gleicher Tätigkeit unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen tätig sind. Es geht daher nicht an, solche Arbeiten, wenn sie von § 1 Abs. 1 Nr. 2 HaVO nicht erfaßt werden, auf dem Umweg über § 3 Nr. 4 c HaVO doch unter die privilegierten Hauerarbeiten zu bringen, zumal nach dieser Vorschrift die lohnmäßigen Anforderungen, je nach den Tarifvereinbarungen, auch noch geringer sein können. Wie oben bereits ausgeführt, fällt die Tätigkeit des Klägers aber nicht unter § 1 Abs. 1 Nr. 2 HaVO.
Das LSG hat also die Tätigkeit des Klägers zu Recht nicht als Hauerarbeit angesehen. Demgemäß war die Revision zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen