Entscheidungsstichwort (Thema)
Bergmannsrente wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit. Anrechnungszeit für den Leistungszuschlag. Gleichstellung mit Hauerarbeit
Orientierungssatz
Hinsichtlich der Gewährung eines Leistungszuschlags zur Bergmannsrente können Zeiten einer Tätigkeit als Maschinensteiger im niedersächsischen Eisenerzbergbau nicht als der Hauerarbeit gleichgestellte Tätigkeit anerkannt werden, wenn die Arbeit als Maschinensteiger die Beaufsichtigung von Grubenschlossern zum Gegenstand hatte, die jedoch als Maschinenhauer tariflich nicht anerkannt waren.
Normenkette
RKG § 45 Abs. 1 Nr. 2; HaVO § 5 Nr. 1
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 24.11.1966) |
SG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 03.08.1961) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. November 1966 aufgehoben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 3. August 1961 zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger für die Zeit vom 1. November 1958 bis zum 31. Oktober 1964 die Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) zusteht, und ob bei der vom 1. November 1964 an gewährten Bergmannsrente die Zeit vom 1. Januar 1940 bis zum 31. Juli 1945 sowie vom 1. Januar 1946 bis zum 30. April 1948 für den Leistungszuschlag zu berücksichtigen ist.
Der am 21. November 1908 geborene Kläger war zunächst im Steinkohlenbergbau tätig, und zwar von Januar 1929 bis Februar 1931 als Schlosser über Tage und vom 1. Juni 1932 bis Dezember 1939 als Grubenschlosser im Schichtlohn. Anschließend war er bis Ende September 1949 im niedersächsischen Erzbergbau tätig, und zwar von Januar 1940 bis Ende Juli 1945 sowie von Anfang Januar 1946 bis zum 22. April 1948 als Maschinensteiger unter Tage und danach bis Ende September 1949 als Maschinensteiger über und unter Tage. Zwischenzeitlich, nämlich von August bis Ende Dezember 1945 wurde er als Pumpenwärter, Rottenarbeiter und Schlosser über Tage eingesetzt. Von Anfang Oktober 1949 bis Anfang Januar 1965 war der Kläger Maschinensteiger unter Tage im Steinkohlenbergbau.
Der Kläger beantragte am 3. Oktober 1958 die Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 18. September 1959 ab, weil die Tätigkeit des Klägers als Maschinensteiger im Erzbergbau nicht der Hauerarbeit gleichgestellt sei, so daß der Kläger nur während einer Zeit von 108 Kalendermonaten den Hauerarbeiten gleichgestellte Arbeiten verrichtet habe. Der Widerspruch des Klägers wurde zurückgewiesen.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe während seiner Tätigkeit als Maschinensteiger im Erzbergbau nicht der Hauerarbeit gleichgestellte Arbeiten verrichtet. Die von ihm beaufsichtigten Grubenschlosser fielen nicht unter § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Hauerarbeitenverordnung (HaVO). Die Berufsbezeichnung Maschinenhauer gebe es im niedersächsischen Erzbergbau nicht. Die Grubenschlosser seien aber auch nicht mit gleicher Tätigkeit wie Maschinenhauer eingesetzt worden. Sie hätten auch nicht Reparaturarbeiten und sonstige Instandsetzungsarbeiten im Sinne des § 3 Nr. 4c HaVO verrichtet; denn es sei nicht feststellbar, daß sie einen Lohn erhalten hätten, der dem höchsten tariflichen Schichtlohn entsprochen habe.
Dieses Urteil hat der Kläger mit der Berufung angefochten. Während des Berufungsverfahrens gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 31. März 1965 die Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG vom 1. November 1964 an und mit Bescheid vom 29. Juli 1965 die Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit vom 1. April 1965 an. Bei der Berechnung beider Leistungen ließ die Beklagte die Zeit der Tätigkeit des Klägers als Maschinensteiger im niedersächsischen Erzbergbau für den Leistungszuschlag unberücksichtigt.
Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG Gelsenkirchen abgeändert und die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Bescheides vom 18. September 1959 idF des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 1959 verurteilt, dem Kläger die Bergmannsrente wegen Vollendung des 50. Lebensjahres vom 1. November 1958 an zu gewähren und die Zeiten vom 1. Januar 1940 bis zum 31. Juli 1945 sowie vom 1. Januar 1946 bis zum 30. April 1948 als leistungszuschlagsberechtigte Zeiten anzurechnen. Das LSG hat angenommen, der Kläger habe auch als Maschinensteiger im niedersächsischen Erzbergbau der Hauerarbeit gleichgestellte Arbeiten verrichtet. Er habe nämlich - wie § 5 Nr. 1 HaVO dies voraussetze - täglich während des überwiegenden Teils der Schicht Personen beaufsichtigt, die unter § 1 Abs. 1 Nr. 2 HaVO fielen. Die Berufsbezeichnung Maschinenhauer sei im Erzbergbau zwar erst im Jahre 1960 und im niedersächsischen Erzbergbau erst im Jahre 1962 eingeführt worden. Das stehe jedoch der Annahme nicht entgegen, daß ein Teil der vom Kläger beaufsichtigten Grubenschlosser mit gleicher Tätigkeit beschäftigt gewesen sei wie Maschinenhauer. Zwischen den im Steinkohlenbergbau begünstigten Maschinenhauertätigkeiten und den ihnen entsprechenden Arbeiten im niedersächsischen Eisenerzbergbau habe im Zeitpunkt des Erlasses der HaVO weder in technischer Hinsicht noch hinsichtlich der mit den Arbeiten verbundenen Gefahren, Belastungen und dem körperlichen Verschleiß ein wesentlicher Unterschied bestanden. Die vom Kläger beaufsichtigten Grubenschlosser seien bis Ende Dezember 1963 im Gedinge und danach zu einem besonders vereinbarten Lohn im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 HaVO beschäftigt gewesen, denn der seit Januar 1944 gezahlte Lohn der Lohngruppe IV zuzüglich eines Zuschlags von 25 v.H. habe nicht nur über dem normalen Grubenschlosserlohn und dem Hauermindestlohn, sondern auch über dem Hauerdurchschnittslohn gelegen. Für die Gleichstellung der Tätigkeit des Klägers mit der Hauerarbeit sei es nicht erforderlich, daß die von ihm beaufsichtigten Grubenschlosser ausschließlich Arbeiten nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 HaVO verrichtet hätten. Es genüge vielmehr, daß der Kläger täglich während des überwiegenden Teils der Schicht die in § 1 Abs. 1 Nr. 2 HaVO genannten Tätigkeiten beaufsichtigt habe.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die unrichtige Anwendung des § 5 Nr. 1 HaVO. Der Kläger habe als Maschinensteiger im niedersächsischen Eisenerzbergbau keine der Hauerarbeit gleichgestellte Arbeit verrichtet, denn die von ihm beaufsichtigten Grubenschlosser fielen nicht unter § 1 Abs. 1 Nr. 2 HaVO. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erfasse die HaVO nur solche Tätigkeiten, die es in der jeweiligen Bergbauart und in dem Tarifgebiet bereits zur Zeit ihres Erlasses gegeben habe. Von diesem Grundsatz sei nur für den Fall eine Ausnahme gemacht worden, daß nach Erlaß der HaVO eine in dieser Verordnung genannte Tätigkeitsbezeichnung für eine Tätigkeit eingeführt wird, die es unter dieser Bezeichnung in derselben Bergbauart eines anderen Tarifgebietes bereits bei Erlaß der HaVO gegeben hat. Dieser Ausnahmefall liege hier nicht vor. Die Tätigkeitsbezeichnung Maschinenhauer habe es bei Erlaß dem HaVO im gesamten Eisenerzbergbau nicht gegeben, so daß sie von der HaVO jedenfalls für die Zeit bis zur Einführung dieser Bezeichnung nicht erfaßt sein könne. Mit gleicher Tätigkeit wie ein Maschinenhauer im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 HaVO sei ein Grubenschlosser nur dann beschäftigt, wenn er tatsächlich die Tätigkeit eines Maschinenhauers verrichte, was nur möglich sei, wenn es in der betreffenden Bergbauart und dem Bergbaugebiet überhaupt einen Maschinenhauer gebe. Im übrigen hätten die vom Kläger beaufsichtigten Grubenschlosser nicht nur unwesentlich auch solche Arbeiten verrichtet, die nicht unter § 1 Abs. 1 Nr. 2 HaVO fallen. Es genüge nicht, daß der Maschinenhauer täglich überwiegend Arbeiten im Sinne dieser Vorschrift beaufsichtige; vielmehr sei erforderlich, daß die von ihm beaufsichtigten Arbeiter unter die §§ 1 bis 4 HaVO fielen, was nicht der Fall sei, wenn sie in nicht nur unwesentlichem Umfang auch andere Arbeiten verrichteten.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Gelsenkirchen vom 3. August 1961 zurückzuweisen;
hilfsweise,
die Sache unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten gegen das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 24. November 1966 - L 2 Kn 507/61 - zurückzuweisen.
Der Kläger hält das angefochtene Urteil im Ergebnis und in der Begründung für richtig.
II
Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das LSG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, dem Kläger die Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG vom 1. November 1958 an zu gewähren und die Zeiten vom 1. Januar 1940 bis zum 31. Juli 1945 sowie vom 1. Januar 1946 bis zum 30. April 1948 als leistungszuschlagsberechtigte Zeiten anzurechnen. Der Kläger hat während dieser Zeiten als Maschinensteiger im niedersächsischen Eisenerzbergbau keine der Hauerarbeit gleichgestellte Arbeiten verrichtet.
Nach § 5 Nr. 1 HaVO verrichtet der Maschinensteiger den Hauerarbeiten unter Tage gleichgestellte Arbeiten, wenn er unter §§ 1 bis 4 aaO fallende Beschäftigte täglich während des überwiegenden Teils der Schicht beaufsichtigt. Die vom Kläger während der streitigen Zeiten beaufsichtigten Grubenschlosser fallen jedoch nicht unter §§ 1 bis 4 aaO.
Insbesondere sind die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 2 aaO nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift verrichtet Hauerarbeiten unter Tage, wer - u.a. - als Maschinenhauer oder mit gleicher Tätigkeit im Gedinge oder zu besonders vereinbartem Lohn im Abbau, beim Streckenvorbetrieb oder in der Aus- und Vorrichtung beschäftigt ist.
Die von dem Kläger beaufsichtigten Grubenschlosser waren während der streitigen Zeiten keine Maschinenhauer. Es kommt, wie der Senat bereits entschieden hat, nur darauf an, ob in dem betreffenden Bergbaugebiet und in der betreffenden Bergbauart der Maschinenhauer im Zeitpunkt des Erlasses der HaVO, d.h. im Jahre 1958, tariflich anerkannt war. Wie der Senat bereits in früheren Entscheidungen ausgeführt hat, muß davon ausgegangen werden, daß der Verordnungsgeber bei Erlaß der HaVO nur diejenigen Tätigkeiten begünstigen wollte, die zu diesem Zeitpunkt tariflich erfaßt waren. Wenn zu einem späteren Zeitpunkt Tätigkeiten tariflich anerkannt werden, wäre es Sache des Verordnungsgebers gewesen, diese Tätigkeiten durch Änderung der HaVO zu erfassen. Der Maschinenhauer ist aber im niedersächsischen Eisenerzbergbau weder zur Zeit des Erlasses der HaVO tariflich anerkannt gewesen, noch hat der Verordnungsgeber diese Tätigkeit später durch Änderung der HaVO zusätzlich anerkannt (vgl. BSG 23, 19; SozR Nr. 2 und 4 zu § 1 HaVO).
Etwas anderes könnte nur gelten, wenn der Maschinenhauer in dem maßgebenden Bergbaugebiet zur Zeit des Erlasses der HaVO noch nicht tariflich anerkannt war, er aber in einem gleichartigen anderen Bergbaugebiet, hier also in einem anderen Eisenerzbergbaugebiet, bei Erlaß der HaVO tariflich anerkannt war. Dann könnte, falls die betrieblichen Verhältnisse des Bergbaugebietes, in welchem der Versicherte arbeitet, schon zur Zeit des Erlasses der HaVO mit denen des anderen Bergbaugebiets gleich lagen, vielleicht auch, wenn sie später gleich werden, der Maschinenhauer mit dem Zeitpunkt seiner tariflichen Anerkennung in dem Bergbaugebiet, in welchem er tätig ist, frühestens jedoch von dem Zeitpunkt an, in welchem die Verhältnisse gleich liegen, anerkannt werden. Dieser Ausnahmefall liegt hier schon deshalb nicht vor, weil der Maschinenhauer zur Zeit des Erlasses der HaVO in keinem Eisenerzbergbaugebiet der Bundesrepublik Deutschland tariflich anerkannt war.
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 HaVO sind den Maschinenhauern gleichgestellt diejenigen Versicherten, die mit gleicher Tätigkeit im Gedinge oder zu besonders vereinbartem Lohn im Abbau, beim Streckenvorbetrieb oder in der Aus- und Vorrichtung beschäftigt sind. Unter einer gleichen Tätigkeit ist aber nur die Tätigkeit zu verstehen, die der des Maschinenhauers in demselben Tarifgebiet gleich ist. Das kann aber nur der Fall sein, wenn in demselben Tarifgebiet der Maschinenhauer während der streitigen Zeit nach den obigen Grundsätzen anerkannt werden kann. Da der Maschinenhauer, wie ausgeführt, im niedersächsischen Eisenerzbergbau bis zum Ende der hier streitigen Zeit nicht anerkannt werden kann, kann auch keine der Maschinenhauertätigkeit gleiche Tätigkeit anerkannt werden. Der Kläger hat daher in der streitigen Zeit keine Versicherten beaufsichtigt, die als Maschinenhauer oder mit gleicher Tätigkeit im Sinne dieser Vorschrift beschäftigt waren.
Die vom Kläger beaufsichtigten Grubenschlosser fallen auch nicht unter § 3 Nr. 4 Buchst.c HaVO, weil von dieser Vorschrift nur bergmännische Arbeiten erfaßt werden (vgl. BSG 23, 19, 21).
Da die Voraussetzungen der anderen Vorschriften der §§ 1 bis 4 aaO ebenfalls nicht vorliegen, können die streitigen Zeiten nicht als hauergleiche Zeiten anerkannt werden.
Die Revision der Beklagten ist daher begründet, so daß das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen