Entscheidungsstichwort (Thema)
Kurzarbeitergeldanspruch. Wirksamkeit der Antragstellung. Verlust auf dem Postweg. objektive Beweislast. Zugangsnachweis durch den Antragsteller. Versäumung der Ausschlussfrist. Unzulässigkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. keine Nachsichtgewährung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Antrag auf Kurzarbeitergeld wird als öffentlich-rechtliche Willenserklärung bei Zugang bei der zuständigen Agentur für Arbeit wirksam. Das Übermittlungsrisiko und damit auch das Risiko des Verlustes auf dem Postweg trägt der Antragsteller.
2. Gegen die Versäumung der Ausschlussfrist für den Antrag auf Kurzarbeitergeld (§ 325 Abs 3 SGB 3) ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand iS von § 27 Abs 5 SGB 10 unzulässig.
3. Die Berufung auf den Fristablauf ist (vorliegend) auch nicht rechtsmissbräuchlich.
Tenor
I. |
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Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 12. August 2021 wird zurückgewiesen. |
II. |
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Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten. |
III. |
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Die Revision wird nicht zugelassen. |
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) für den Monat Oktober 2020 streitig.
Der Kläger ist Inhaber des Landhotels A. in A-Stadt. Im Jahr 2020 und auch im Jahr 2021 hatte er in mehreren Monaten und fortlaufend antragsgemäß Kurzarbeitergeld von der Beklagten erhalten, nachdem diese mit Bescheid vom 26. März 2020 erstmals die betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld dem Grunde nach zunächst für den Zeitraum vom 1. März 2020 bis 30. September 2020 und mit Bescheid vom 21. September 2020 weiter bis 28. Februar 2021 anerkannt hatte.
Am 2. März 2021 ging der mit Datum vom 3. November 2020 unterschriebene Antrag des Klägers auf Kurzarbeitergeld für den Monat Oktober 2020 in Höhe eines Gesamtbetrages von 8.516,52 € (Kurzarbeitergeld + Pauschalierte SV-Erstattung) bei der Beklagten ein. Dem vorausgegangen war ein E-Mail-Verkehr, wonach eine Mitarbeiterin des Klägers einer Mitarbeiterin der Beklagten am 1. März 2021 mitgeteilt hatte:
„Sehr geehrte Frau E.,
im Oktober haben wir einige Anträge von Ihnen zur Korrektur zurückerhalten. Nach dem wir die
Anträge korrigiert haben, haben wir Ihnen diese zurückgeschickt. Bei diesen Korrekturen war auch
der Kurzarbeit Antrag von Frau R. S. für den Monat Oktober 2020.
Diesen senden wir Ihnen in Kopie noch einmal zu.
Wir bitten Sie das fehlende Geld für die Monate Oktober 2020 und Januar 2021 auszuzahlen, da wir
nicht weiter in Vorkasse gehen können.“
Mit Bescheid vom 2. März 2021 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass dem Antrag auf Leistungen vom 2. März 2021 nicht entsprochen werden könne. Gemäß § 325 Abs. 3 SGB III sei Kurzarbeitergeld für den jeweiligen Kalendermonat innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Kalendermonaten zu beantragen. Die Frist beginne mit Ablauf des Monats, in dem die Tage liegen würden, für den die Leistung beantragt werde. Der Antrag sei am 2. März 2021 eingegangen, die Ausschlussfrist habe jedoch am 1. Februar 2021 geendet.
Hiergegen legte der Kläger am 3. März 2021 Widerspruch ein. Danach gebe es Zeugen, dass der Antrag bereits im Oktober 2020 an die Beklagte gesandt worden sei. Der Fehler liege hier bei der Beklagten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. März 2021 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück und führte aus, dass gemäß § 325 Abs. 3 SGB III Kurzarbeitergeld für den jeweiligen Kalendermonat innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Kalendermonaten zu beantragen sei. Die Frist beginne mit Ablauf des Monats, in dem die Tage liegen würden, für den die Leistung beantragt werde. Die dreimonatige Ausschlussfrist sei eine materiell-rechtliche Frist, gegen deren Versäumung keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich sei (vgl. BSG, Urteil vom 14. Februar 1978 - 7/12 RAr 73/76, SozRecht 4100 § 72 Nr. 3), denn die Bezeichnung als Ausschlussfrist schließe dies im Sinne von § 27 Abs. 5 SGB X aus (BSG, Urteil vom 21. Februar 1991 - 7 RAr 74/89, SozRecht 3-4100 § 81 Nr. 1; BSG, Urteil vom 5. Februar 2004 - B 11 AL 47/03 R, SozRecht 4-4300 § 325 Nr. 1, NZS 1005, 38). Die Agentur für Arbeit könne bei einer verspäteten Antragstellung einen früheren Leistungsbeginn auch nicht nach § 324 Abs. 1 S. 2 SGB III zur Vermeidung unbilliger Härten zulassen (BSG, a. a. O.). Der Antragsteller trage ohne Rücksicht auf sein Verschulden das volle Übermittlungsrisiko (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28. November 1986 - L 6 Ar 16/86, NZA 1987, 215; BSG, Urteil vom 14. Februar 1978, a. a. O.). Der Antrag werde mit Eingang bei der nach § 327 Abs. 3 SGB III zuständigen Agentur für Arbeit wirksam (Brand/Hassel, 8. Aufl. 2018, SGB III, § 325 Rn. 9-10). Der Antrag sei am 2. März 2021 eingegangen, die Ausschlussfrist habe jedoch am 1. Februar 2021 geendet. Der Vortrag des Klägers führe zu keiner anderen Entscheidung. Ein Eingang des Antrags bis zum 1. Februar 2021 sei nicht ersichtlich.
Hiergegen hat der K...