Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylbewerberleistung. Analogleistung. rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer. Hinauszögerung der Asylantragstellung. wiederholtes Untertauchen
Leitsatz (amtlich)
Zur rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung der Aufenthaltsdauer und zum Ausschluss von Analogleistungen nach § 2 Abs 1 AsylbLG durch "Untertauchen".
Orientierungssatz
Die Hinauszögerung des Beginns des Asylverfahrens durch eine verspätete Asylantragstellung spricht für eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Dauer des Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland (vgl LSG München vom 8.4.2005 - L 11 B 103/05 AY ER = ZFSH/SGB 2005, 620).
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 21. Mai 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt die Gewährung von sogenannten Analogleistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) anstatt von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG rückwirkend ab Februar 2007.
Der Kläger, der in der Vergangenheit auch unter dem Namen A. D. aus Rom aufgetreten ist, ist nach eigenen Angaben 1966 geboren und Staatsangehöriger der Republik Libyen. Er ist zu einem unbekannten Zeitpunkt vor dem 13. Juli 1996 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und seitdem wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten. Er ist von den Amtsgerichten Crailsheim und Stuttgart sowie auf Grund von Strafbefehlen der Staatsanwaltschaft Ulm wiederholt zu Geldstrafen, unter anderem wegen Sachbeschädigung, gefährlicher Körperverletzung, Körperverletzung und Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz verurteilt worden. Erstmals verurteilt wurde er am 13. Juli 1996 vom Amtsgericht Crailsheim wegen Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz.
Einen ersten Asylantrag stellte der Kläger am 27. August 1996, der abgelehnt wurde; diese Ablehnung wurde am 14. Oktober 1997 bestandskräftig. Seitdem ist die Abschiebeandrohung vollziehbar. Ein Asylfolgeantrag aus dem Jahr 1998 wurde ebenfalls abgelehnt; diese Ablehnung wurde am 5. Februar 1999 bestandskräftig.
Am 20. November 1996 wurde der Kläger im Rahmen des ersten Asylverfahrens von der Bezirksstelle G. in die staatliche Sammelunterkunft für Asylbewerber C. überstellt und damit in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten, von dem er wiederholt Leistungen erhielt. Unter anderem vom 7. bis 15. April 1997, vom 12. Mai bis 3. Juni 1997, vom 21. August bis 16. Oktober 1997, vom 19. Dezember 1997 bis zum 10. Dezember 1998 sowie vom 3. Januar 2000 bis zum 29. November 2001 war der Aufenthalt des Klägers unbekannt. Am 29. November 2001 wurde er festgenommen. Vom 29. Dezember 2001 bis zum 25. Januar 2002 befand er sich in Strafhaft zur Verbüßung von Ersatzfreiheitsstrafen.
Nachdem der Kläger bereits zuvor wiederholt Leistungen der Beklagten erhalten hatte, erhält er seit dem 30. Januar 2002 Leistungen des Beklagten nach §§ 3-7 AsylbLG (ursprünglich Bescheid des Beklagten vom 15. Februar 2002). So bewilligte der Beklagte dem Kläger unter anderem mit Bescheid vom 26. Juli 2005 Leistungen ab dem 1. November 2004 und mit Bescheid vom 19. Dezember 2007 ab dem 1. Januar 2008.
Am 28. Februar 2011 beantragte der Kläger, ihm ab Februar 2007 den vollen Eckregelsatz zu bewilligen und dementsprechend nachzuzahlen sowie fortlaufend 359,00 € monatlich auszubezahlen. Da er seit 2002 durchgehend Geldleistungen erhalte, stehe ihm der Regelsatz nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) zu.
Der Beklagte lehnte den Antrag vom 28. Februar 2011 mit Bescheid vom 21. Oktober 2011 ab. Zwar sei die zeitliche Voraussetzung des § 2 Abs. 1 AsylbLG mit einer Mindestdauer von 48 Monaten bereits seit dem 1. Februar 2006 erfüllt. Der Kläger habe aber den Tatbestand des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens mit der Beeinflussung der Dauer des Aufenthaltes dadurch erfüllt, dass er wiederholt untergetaucht sei und sich dadurch bewusst und vorsätzlich dem Zugriff der zuständigen Behörden entzogen habe. Durch die zum Teil sehr langen Abwesenheitszeiten von einem Jahr (1997 bis 1998) und fast zwei Jahren (2000 bis 2002) habe er die Dauer seines Gesamtaufenthaltes im Bundesgebiet bewusst erheblich und vorwerfbar, da gesetzeswidrig, verlängert. Er habe den von der zuständigen Behörde bestimmten Aufenthaltsort verlassen, ohne diese davon zu unterrichten oder eine entsprechende Genehmigung erhalten zu haben. Das Verschwinden ohne Kenntnis oder Erlaubnis der Ausländerbehörde für solch lange Zeiträume stelle eine erhebliche Pflichtverletzung im Rahmen des Asylverfahrens dar, die nach der Richtlinie 2003/9/EG (des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten) dadurch sanktioniert werden könne, dass die im Rahmen der Aufnahmebedingungen als Asylbewerber gewährten Vorteile eingeschränkt oder entzogen werden könnten. Das ihm vorzuwerfende rechtswidrige Verhalten habe erkennbar der Verfahrensverzögerung und damit der Aufenthaltsverläng...