Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Anspruchsübergang. Bestimmtheit der Überleitungsanzeige. Möglichkeit des Bestehens des übergeleiteten Anspruchs. Zeitgleichheit von Leistungsanspruch und übergeleitetem Anspruch. Kausalität zwischen Leistungsbezug und Nichterfüllung des übergeleiteten Anspruchs
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Wirksamkeit der Überleitung eines Anspruchs nach § 93 SGB 12 genügt bereits, dass ein überleitungsfähiger Anspruch überhaupt in Betracht kommt, also er nicht von vornherein objektiv ausgeschlossen ist.
2. Der überzuleitende Anspruch muss nicht gleichzeitig mit dem sozialhilferechtlichen Anspruch entstanden oder fällig geworden sein, es reicht aus, dass er in dem in der Bewilligung ausgesprochenen Zeitraum noch fällig und nicht erfüllt ist.
3. Die nach § 93 Abs 1 S 3 SGB 12 erforderliche Kausalität liegt vor, wenn dem Leistungsberechtigten die Verwendung der nunmehr als bereitstehend gedachten Mittel zur Beseitigung seiner Hilfebedürftigkeit sozialhilferechtlich zugemutet wird, was sich an Hand der Vorschriften über den Einkommens- und Vermögenseinsatz beurteilt.
Orientierungssatz
Eine Überleitungsanzeige nach § 93 SGB 12 ist hinreichend bestimmt iS des § 33 Abs 1 SGB 10, wenn der Wille des Sozialhilfeträgers zur Überleitung zum Ausdruck kommt und der Hilfeempfänger, die Art der Hilfe sowie der überzuleitende Anspruch unter Angabe von Gläubiger und Schuldner bezeichnet werden (vgl LSG Stuttgart vom 22.11.2007 - L 7 SO 73/06).
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12. August 2009 wie folgt abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Klägers sind nicht zu erstatten.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten steht im Streit, ob die Beklagte Ansprüche des Klägers gegen den Beigeladenen Ziff. 1 auf sich überleiten durfte.
Der 1960 geborene Kläger bezog in der Zeit vom 19. Mai 2003 bis zum 30. September 2003 sowie vom 19. März 2004 bis zum 31. Dezember 2004 Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG), vom 01. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2005 Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (SGB XII) und vom 01. Juli 2005 bis zum 31. August 2008 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII. Die Sozialhilfeaufwendungen der Beklagten für den Kläger betrugen in den Jahren 2003 bis 2007 insgesamt 36.621,06 €.
Das Landgericht Karlsruhe verurteilte den Beigeladenen Ziffer 1 zunächst mit rechtskräftigem Teilurteil vom 30. Oktober 2007 (4 O 833/05) zur Zahlung von 13.397,18 € nebst 7,25 % Zinsen p.a. seit dem 01. Januar 1998 an den Kläger und dann mit rechtskräftigem Urteil vom 16. April 2008 zu einer weiteren Zahlung in Höhe von 790,96 € nebst 7,25 % Zinsen p.a. seit 01. Januar 1998. Es stützte sein Urteil darauf, dass dem Kläger ein Anspruch auf Rückzahlung seiner Einlage in Höhe von 30.000,- DM als stiller Gesellschafter eines Inkassobüros in der Rechtsform der GmbH, die jedoch nie gegründet wurde, zum 01. Januar 1998 zustehe. Weder über das seit dem 09. Dezember 2005 beim Landgericht Karlsruhe anhängige Klageverfahren noch über den dort geltend gemachten Anspruch hatte der Kläger die Beklagte in seinen Sozialhilfeanträgen unterrichtet (vgl. Anträge vom 19. Mai 2003, 16. August 2005, 29. Mai 2006, 19. Juni 2007).
Der Beigeladene Ziffer 1 teilte der Beklagten mit Schreiben vom 23. November 2007 mit, dass zu Gunsten des Klägers Ansprüche aus einer Beteiligung als stiller Gesellschafter seit dem 01. Januar 1998 in Höhe von 13.397,18 € zuzüglich Zinsen bestehen, und fragte an, ob und ggf. in welcher Höhe mit befreiender Wirkung an den Kläger dieser Betrag ausbezahlt werden könne.
Mit Bescheid vom 25. Januar 2008 leitete die Beklagte die dem Kläger gegen den Beigeladenen Ziffer 1 zustehende Forderung aus dem Teilurteil des Landgerichts Karlsruhe vom 30. Oktober 2007 in Höhe von 13.397,18 € zuzüglich Zinsen dem Grunde nach auf sich über und informierte den Beigeladenen Ziff. 1 darüber (Bescheid vom gleichen Tag). Die Überleitungsentscheidung stehe im Ermessen des Sozialhilfeträgers. Das Gebot wirtschaftlicher und sparsamer Bewirtschaftung öffentlicher Mittel sei mit den sozialrechtlichen Belangen des Hilfeempfängers und des in Anspruch genommenen Schuldners abzuwägen. Interessen des Klägers, die einer Überleitung entgegen stünden, seien im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Ebenso verhalte es sich mit der Interessenlage des Schuldners der Forderung. Insgesamt betrachtet sei es daher ermessensgerecht, den Anspruch des Klägers aus dem ergangenen Urteil dem Grunde nach auf den Sozialhilfeträger überzuleiten.
Ausweislich eines Aktenvermerks der Beklagten vom 07. Februar 2008 teilte der Beigeladene Ziffer 1 mit, dass der Kläger seinerzeit die stille Einlage an ihn - den Beigeladenen Ziffer 1 - darlehensweise finanziert hab...