Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. vorläufige Entscheidung. Erstattung erbrachter Leistungen nach endgültiger Entscheidung. Widerspruchsbescheid. Ausgangsbescheid. rechtliche Einheit. Berufsausbildungsbeihilfe. Einkommensanrechnung. Aktualisierungsantrag. Elterneinkommen. abweichende Berechnung. Bindungswirkung auch bei Verschlechterung
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Beurteilung, ob eine Aufhebung nach § 45 SGB X oder eine endgültige Festsetzung nach § 328 Abs 2 SGB III vorliegt, ist auch auf den Widerspruchsbescheid abzustellen, der mit dem Ausgangsbescheid eine rechtliche Einheit bildet (§ 95 SGG).
2. Stellt ein Bezieher von Berufsausbildungsbeihilfe einen Aktualisierungsantrag (§ 67 Abs 2 S 1 SGB III iVm § 24 BAföG), muss er sich bei der endgültigen Entscheidung über den streitgegenständlichen Zeitraum an der abweichenden Berechnungsweise des Elterneinkommens nach § 24 Abs 3 BAföG auch dann festhalten lassen, wenn dies für ihn ungünstiger ist.
Tenor
Der Antrag der Klägerin, ihr für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts (SG) Oldenburg vom 7. Februar 2017, mit dem das SG die Klage der Klägerin gegen den Rückforderungsbescheid der Beklagten vom 20. Juli 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. August 2015 abgewiesen hat.
Die 1992 geborene Klägerin begann am 1. September 2012 eine Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten. Auf ihren Antrag hin bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 27. Juni 2013 Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Juli 2013. Nach entsprechenden Änderungsanträgen der Klägerin bewilligte die Beklagte mit Bescheiden vom 16. August 2013 und 19. Dezember 2013 teilweise höhere BAB. Sie bewilligte letztendlich Leistungen in Höhe von monatlich 184 € für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Juli 2013, von 140 € monatlich für die Zeit vom 1. August 2013 bis 22. September 2013 und in Höhe von monatlich 237 € für die Zeit vom 23. September 2013 bis 30. Juni 2014. Der Bescheide enthielten jeweils den Hinweis, dass die Bewilligung vorläufig erfolge (§ 328 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - SGB III -), weil die Höhe des Einkommen des Vaters der Klägerin noch nicht abschließend feststehe. Insoweit hatte die Klägerin sog. Aktualisierungsanträge gestellt, aufgrund derer die Beklagte bei der Leistungsberechnung das aktuelle Einkommen der Eltern (anstatt des Einkommens aus dem vorletzten Kalenderjahr) zugrunde legte.
Der Vater der Klägerin bezog danach zunächst Krankengeld (im Jahr 2013 insgesamt 20.437,12 € brutto) und ab dem 23. September 2013 Arbeitslosengeld I (im Jahr 2013 insgesamt 5.846,68 €, im Jahr 2014 insgesamt 16.883 €). Im November 2014 schloss er mit seinem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag mit Wirkung zum 30. November 2014. Ebenfalls wurde die Zahlung einer Abfindung in Höhe von 51.500 € brutto vereinbart, die im Dezember 2014 ausgezahlt wurde. Im weiteren Verfahren legte die Klägerin die Steuerbescheide ihres Vaters für die Jahre 2013 und 2014 vor. Aus dem Steuerbescheid für 2013 ergaben sich positive Einkünfte von 4.542 €. Für das Jahr 2014 betrugen die positiven Einkünfte 61.172 €.
Mit Bescheid vom 20. Juli 2015 nahm die Beklagte die Bewilligung von BAB für die Zeit vom 1. Januar 2013 bis 30. Juni 2014 zurück (Hinweis auf § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X -) und verlangte die Erstattung von 3.726,87 €. BAB sei vorläufig gezahlt worden. Die Überprüfung des Einkommens des Vaters habe ergeben, dass kein Anspruch auf BAB bestanden habe. In der Verwaltungsakte (Bl. 224) findet sich noch ein auf den 10. August 2015 datierender mit Entwurf überschriebener BAB-Ablehnungsbescheid bzgl. eines BAB-Antrages vom 1. Januar 2013. Ob dieser Bescheid versandt wurde, lässt sich der Akte nicht entnehmen. Der Beklagte ist jedenfalls im erstinstanzlichen Verfahren davon ausgegangen, dass der Bescheid existiert (Schriftsatz vom 9. Dezember 2015).
Den Widerspruch der Klägerin vom 3. August 2015 gegen den Bescheid vom 20. Juli 2015 wies die Beklagte zurück. Die Rückforderung stütze sich allein auf § 328 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Es ergebe sich ein maßgebliches Monatseinkommen des Vaters von 2.435,63 € für 2013 und 4.458,32 € für 2014 und damit unter Berücksichtigung der Freibeträge ein monatliches anzurechnendes Einkommen von 699,69 €. Dies übersteige den Gesamtbedarf von 683,80 € (Widerspruchsbescheid vom 12. August 2015).
Die Klägerin hat am 7. September 2015 Klage erhoben und sich gegen die Rückforderung gewandt. Die im Dezember 2014 gezahlte Abfindung sei nicht als Einkommen im streitigen Zeitraum zu berücksichtigen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 7. Februar 2017 abgewiesen. Die Erstattungsforderung beruhe auf einer zutreffenden endgültigen Festsetzung des Anspruchs auf BAB. Mit ihrer Rücknahmeentscheidung vom 20. Juli 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. August 2015 habe die...