Entscheidungsstichwort (Thema)
örtliche Zuständigkeit des Sozialgerichts in Verfahren um Krankenhausvergütung, in denen nicht ausschließlich der Abschluss, die Wirksamkeit oder die Auslegung von Landesverträgen als solche Streitgegenstand ist
Leitsatz (amtlich)
In Verfahren um Krankenhausvergütung, in denen nicht ausschließlich der Abschluss, die Wirksamkeit oder die Auslegung von Landesverträgen als solche Streitgegenstand ist, richtet sich die örtliche Zuständigkeit des Sozialgerichts nicht nach § 57a Abs. 3 SGG, sondern nach § 57 Abs. 1 SGG.
Der 4. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen gibt seine gegenteilige Rechtsauffassung aus Anlass des Beschlusses des BSG vom 5. Januar 2012 (B 12 SF 4/11 S - obiter dictum) auf.
Orientierungssatz
Parallelentscheidung zum Urteil des LSG Celle-Bremen vom 26.6.2012 - L 4 SF 115/12 (KR), das vollständig dokumentiert ist.
Normenkette
SGG § 57a Abs. 3, 1
Tenor
Zum zuständigen Gericht wird das Sozialgericht Hildesheim bestimmt.
Gründe
I.
Das Verfahren betrifft die Bestimmung des zuständigen erstinstanzlichen Gerichts nach § 58 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Beteiligten, eine gesetzliche Krankenkasse und ein Krankenhaus (bzw. dessen Träger), streiten um die Vergütung von Krankenhausleistungen.
Der ursprünglich am Sozialgericht (SG) Hannover anhängige Rechtsstreit wurde durch Beschluss vom 12. April 2012 an das SG Hildesheimverwiesen, das sich ebenfalls für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGG dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen vorgelegt hat (Beschluss vom 23. Mai 2012).
II.
Die Anrufung des LSG Niedersachsen-Bremen zur Bestimmung des für den Rechtsstreit örtlich zuständigen SG ist nach § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGG zulässig.
Örtlich zuständig für das Hauptsacheverfahren ist das sich aus dem Tenor ergebende SG.
In § 57a Abs. 3 SGG heißt es:
In Angelegenheiten, die Entscheidungen oder Verträge auf Landesebene betreffen, ist - soweit das Landesrecht nichts Abweichendes bestimmt - das Sozialgericht zuständig, in dessen Bezirk die Landesregierung ihren Sitz hat.
In § 57a Abs. 4 SGG heißt es:
In Angelegenheiten, die Entscheidungen oder Verträge auf Bundesebene betreffen, ist das Sozialgericht zuständig, in dessen Bezirk die KBV oder die KZBV ihren Sitz hat.
Nach der bisherigen Rechtsauffassung des Senats wäre regelhaft das SG Hannover zuständig gewesen. Der Senat hält an seiner bisherigen (weiten) Auslegung des § 57a SGG (vgl. u.a.: Beschluss vom 11. Dezember 2008 - L 4 B 79/08 KR -, veröffentlicht in juris) nicht mehr fest. Er schließt sich aus Gründen der Rechtseinheit, der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens der (engen) Auslegung des Bundessozialgerichts (BSG) in dessen Beschluss vom 5. Januar 2012 - B 12 SF 4/11 S (obiter dictum) - an. Darin hat das BSG ausgeführt, § 57a Abs. 4 SGG sei dahingehend auszulegen, dass eine zentrale örtliche Zuständigkeit desjenigen SG, in dessen Bezirk die Landesregierung ihren Sitz hat bzw. - für die Bundesebene - des SG Berlin, ausschließlich für solche Angelegenheiten bestehe, die Entscheidungen bzw. Verträge als solche bzw. deren Auslegung unmittelbar betreffen. Entsprechendes gilt auch für die Landesverträge nach § 57a Abs. 3 SGG (ebenso die Rspr. der Landessozialgerichte - soweit ersichtlich - in allen anderen Bundesländern, siehe etwa: LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 28. Juli 2011 - L 1 SV 1905/11 -; LSG Sachsen, Beschluss vom 13. Oktober 2008 - L 1 B 614/08 KR-ER -; Zitierung jeweils nach juris; siehe zuletzt auch die zusammenfassende Darstellung von Bockholdt, Die Sonderzuständigkeit nach § 57 a Abs. 3 und 4 SGG - zugleich Besprechung von BSG, Beschluss vom 4.1.2012 - B 12 SF 4/11 S, in SGb 06/12, S. 317 ff.).
Auch der 1. Senat des LSG Niedersachsen-Bremen hat seine bisherige anderslautende Auffassung aufgegeben und sich dem BSG angeschlossen.
Im vorliegenden Fall sind die Landes- bzw. Bundesverträge oder deren Auslegung selbst nicht unmittelbar im Streit. Sie haben für den geltend gemachten Anspruch lediglich mittelbar Bedeutung. Daher ist nach der Auffassung des Senats die Zuständigkeit des SG Hannover nicht gegeben und der Rechtsstreit zu Recht von diesem verwiesen worden.
Gegen die Rechtmäßigkeit der Verweisung spricht auch nicht der Grundsatz der “perpetuatio fori„. Dies wäre nur dann der Fall, wenn sich nach Rechtshängigkeit des Verfahrens die gesetzliche Zuständigkeitsregelung geändert hätte (vgl. etwa: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 6. Januar 2009 - L 1 B 53/08 KR -). Eine solche gesetzliche Änderung der Zuständigkeitsregelung hat während der Anhängigkeit des vorliegenden Rechtsstreits jedoch nicht stattgefunden. Die letzte Änderung des hier maßgeblichen § 57a Abs. 3 SGG trat bereits zum 1. April 2008 durch das Sozialgerichts-Arbeitsgerichtsgesetz-Änderungsgesetz in Kraft. Der vorliegende Rechtsstreit wurde später rechtshängig. Auch eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 57a Abs. 3 SGG, sofern man eine solche überhaupt für ausreichend erachten würde, ist nicht ei...