Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Ruhensregelung nach § 29 Abs 2 AbgG
Orientierungssatz
§ 29 Abs 2 S 2 AbgG verstößt nicht gegen Verfassungsrecht (vgl LSG München vom 27.11.2014 - L 14 R 741/12 sowie LSG Mainz vom 19.10.2016 - L 4 R 188/14).
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 8.3.2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Verfassungsmäßigkeit von § 29 Abs. 2 Satz 2 Abgeordnetengesetz (AbgG), d.h. das teilweise Ruhen der Altersrente des Klägers bei gleichzeitigem Bezug einer Abgeordnetenentschädigung, umstritten.
Der 1948 geborene Kläger ist Bundestagsabgeordneter und erhält Abgeordnetenentschädigung in Höhe von 8.563,39 Euro (inkl. Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 334,- Euro) monatlich. Auf seinen Antrag bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 25.6.2013 ab dem 1.9.2013 eine Regelaltersrente. Hierbei führte sie aus, die monatliche Rente betrage 1.917,04 Euro, wobei sie aufgrund des Zusammentreffens mit einer Abgeordnetenentschädigung um den ruhenden Betrag von 1.533,63 Euro (80 v.H.) zu mindern sei, woraus ein Auszahlungsbetrag von 344,11 Euro (383,41 Euro abzgl. Beitragsanteile zur Kranken- und Pflegeversicherung) folge. Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein und führte aus, § 29 Abs. 2 Satz 2 AbgG sei verfassungswidrig. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.10.2013 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der angegriffene Bescheid sei nicht zu beanstanden.
Der Kläger hat hiergegen am 25.11.2013 Klage - S 5 R 324/13 - beim Sozialgericht Oldenburg (SG) erhoben.
Im Laufe des gerichtlichen Verfahrens sind der Rentenanpassungsbescheid vom 17.7.2014 (weiterhin 80 v.H. Ruhensbetrag) sowie der Rentenbescheid vom 5.8.2014, mit dem ab 1.8.2014 ein Ruhensbetrag nur noch in Höhe von 50 v.H. berücksichtigt wurde, ergangen. Den hiergegen eingelegten Widerspruch hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 2.10.2014 zurückgewiesen. Es ist ein weiterer Rentenanpassungsbescheid am 29.5.2015 (50 v.H. Ruhensbetrag) ergangen. Der Kläger hat am 12.8.2015 Klage - S 5 R 173/15 - beim SG erhoben.
Das SG hat mit Beschluss vom 21.2.2015 die Verfahren S 5 R 324/13 und S 5 R 173/15 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Zur Klagebegründung hat der Kläger ausgeführt, die Kürzung seiner Rente aufgrund von § 29 Abs. 2 Satz 2 AbgG sei unzulässig. Dieser sei verfassungswidrig, er verstoße gegen Art. 3 und 14 GG. Er habe den Rentenanspruch durch eigene Beiträge sowie durch Beiträge seines Arbeitgebers erwirtschaftet. Der Regelaltersrentenanspruch stelle ein eigentumsgleiches Recht dar. Altersruhebezüge aus sonstigen Systemen würden zudem ebenfalls nicht in Ansatz gebracht. So würden Ansprüche aus Versorgungswerken, Kapitallebensversicherungen etc. nicht gekürzt. Die erwirtschaftete Rente sei in gleicher Weise zu behandeln. Der durch § 29 Abs. 2 Satz 2 AbgG erfolgende Eingriff sei jedenfalls nicht verhältnismäßig. Eine Überversorgung aus öffentlichen Kassen liege nicht vor. Er hat zudem auf die Änderung der Anrechnung von 80 auf 50 v.H. verwiesen.
Die Beklagte hat zur Erwiderung ausgeführt, sie sei zur Anwendung des § 29 Abs. 2 Satz 2 AbgG verpflichtet. Dieser verstoße auch nicht gegen die Verfassung. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liege nicht vor. Hierbei sei insbesondere zu beachten, dass der gleichzeitige Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und einer Abgeordnetenentschädigung eine Doppelalimentation darstelle. Hierbei sei entscheidend, dass es sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei den Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung um eine Leistung aus einer öffentlichen Kasse handele, und zwar obwohl diese auch auf eigenen Beiträgen beruhten. Der Gesetzgeber habe seinen Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Eine Einbeziehung und Gleichbehandlung anderer Bereiche der Altersversorgung - so sie durch den Gesetzgeber überhaupt möglich sei - sei nicht geboten, da es hier grundlegende Unterschiede gebe. Diese sachlichen Abgrenzungskriterien könne der Gesetzgeber berücksichtigen. § 29 Abs. 2 Satz 2 AbgG finde zudem auf alle Abgeordneten Anwendung. Sie hat zudem umfangreich ausgeführt, ein Verstoß gegen Art. 14 GG liege ebenfalls nicht vor, wobei sie auf die Hintergründe des Gesetzgebungsverfahrens sowie verfassungsrechtliche Rechtsprechung umfassend eingegangen ist.
Das SG hat die Klagen mit Urteil vom 8.3.2016 abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, dass kein Anlass bestehe, den vorliegenden Rechtsstreit dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Es halte die Regelung des § 29 Abs. 2 Satz 2 AbgG in beiden Fassungen für mit dem Grundgesetz vereinbar. Zwar fielen auch die Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung, zumindest soweit sie auf eigener Beitragsleistung beruhten, in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG...