Entscheidungsstichwort (Thema)
Begrenzung der Regelleistung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes
Orientierungssatz
1. Bei der Entscheidung über die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen durch einstweiligen Rechtsschutz ist ein Abwarten des Hauptsacheverfahrens im Hinblick auf den existenzsichernden Charakter der pauschalierten Regelleistung nach § 20 SGB 2 regelmäßig nicht zumutbar.
2. Ausnahmsweise ist eine Beschränkung der Regelleistung auf 90 % im Einzelfall dann zumutbar, wenn Zweifel an der Hilfebedürftigkeit des Antragstellers bestehen. Das ist u. a. dann der Fall, wenn der Hilfebedürftige Leistungen des SGB 2 als Alleinstehender geltend macht, es aber Anhaltspunkte dafür gibt, dass er in einer Bedarfsgemeinschaft lebt.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 17.06.2009 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet.
1. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d. h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -, BVerfGK 5, 237 = NVwZ 2005, Seite 927).
2. Das SG hat zu Recht ausgeführt, dass der Antragsteller einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat. Der Senat nimmt auf die Ausführungen des SG Bezug und macht sich diese zu eigen (entsprechend § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Soweit sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde dagegen richtet, dass das SG die Antragsgegnerin zur Erbringung der Regelleistung gemäß § 20 Abs. 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von 90 % einstweilen verpflichtet hat, weist der Senat darauf hin, dass eine Begrenzung der Regelleistung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren unter Hinweis auf eine ansonsten eintretende Vorwegnahme der Hauptsache nach der Rechtsprechung des Senats bei Vorliegen eines glaubhaft gemachten Anordnungsanspruchs regelmäßig nicht in Betracht kommt (Beschluss des erkennenden Senats vom 14.05.2009, L 7 B 72/09 AS ER; ebenso LSG NRW, Beschluss vom 02.05.2007, L 20 B 310/06 AS ER; LSG NRW, Beschluss vom 29.09.2006, L 9 B 87/06 AS ER). Denn das Abwarten des Hauptsacheverfahrens ist im Hinblick auf den existenzsichernden Charakter der pauschalierten Regelleistung nach § 20 SGB II regelmäßig nicht zumutbar. Es ist Bestandteil des effektiven Rechtsschutzes, dass, wenn ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht wird, die notwendigen Leistungen in der gesetzlich vorgesehenen Höhe zeitnah zur Verfügung stehen sollen. Unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles konnte der Senat jedoch - ausnahmsweise - von der entsprechenden Abänderung des Beschlusses des SG absehen. Denn zum einen hat der Antragsteller mit seiner Beschwerde nicht dargelegt, warum die Beschränkung der Regelleistung auf 90 % in seinem konkreten Fall unzumutbar ist; stattdessen hat er umfangreich zu den aus seiner Sicht bestehenden abstrakten rechtlichen Rahmenbedingungen vorgetragen. Zum anderen haben sich während des Beschwerdeverfahrens die Zweifel der Antragsgegnerin am ständigen Aufenthaltsort des Antragstellers, die sich bis dahin auf eine schwache Tatsachenbasis (Abhebungen an einem ortsfremden Geldautomaten) stützten, erhärtet. Denn die Antragsgegnerin ist zwischenzeitlich darauf hingewiesen worden, dass der Antragsteller seit etwa einem Jahr angeblich mit Frau V T in deren Wohnung in B (Hstraße 00) zusammenlebe. Hierzu hat sich der Antragsteller zwar wortreich eingelassen und auf das schlechte Verhältnis von Frau T zu ihrem Vermieter, der ihr Bruder ist, hingewiesen. Auffällig ist aber, dass der Antragsteller bislang mit keinem Wort darauf eingegangen ist, ob er tatsächlich dort lebt und wohnt und in welcher Beziehung er zu Frau T steht. Unklar ist bislang auch, warum der Antragsteller über die behauptete Auseinandersetzung der Frau T mit ihrem Bruder/Vermieter im Detail so genau informiert ist. Insoweit drängt sich somit ...