Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung zur Geschiedenenwitwenrente
Orientierungssatz
1. Die Regelung des § 243 SGB 6 über die Gewährung von Geschiedenenwitwenrente ist verfassungsgemäß. Es ist verfassungsrechtlich nicht geboten, geschiedenen Ehegatten, deren Ehe nach dem 30. 6. 1977 geschieden, ein Versorgungsausgleich aber nicht durchgeführt wurde, unter den in § 243 SGB 6 genannten weiteren Voraussetzungen Anspruch auf eine Geschiedenenwitwenrente zu gewähren.
2. Diese Regelung verstößt weder gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG bzw. den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen das Rückwirkungsverbot.
3. Eine Unvereinbarkeit des § 243 SGB 6 mit Gemeinschaftsrecht ist nicht feststellbar. Die Versagung einer Hinterbliebenenrente nach deutschem Recht gegenüber einem Unionsbürger verstößt nicht gegen das europarechtliche Diskriminierungsverbot des Art. 12 EG-Vertrag.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28.01.2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Hinterbliebenenrente in Form einer Witwen- bzw. Geschiedenenwitwenrente.
Die am 00.00.1941 geborene Klägerin ist spanische Staatsangehörige. Am 00.00.1964 heiratete sie den Versicherten S K, ebenfalls spanischer Staatsangehörigkeit. Die Ehe wurde seinerzeit nach spanischem Recht geschlossen und mit am 00.00.2004 rechtskräftig gewordenem Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - N vom 28.04.2004 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses (ohne Datum) gemäß Artikel 17 Abs. 1 S. 1, Artikel 14 Abs. 1 Nr. 1 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche - EGBGB - nach spanischem Recht geschieden. Durch gerichtlichen Vergleich vom selben Tag verpflichtete sich der Versicherte ab Rechtskraft der Scheidung einen nachehelichen Unterhalt von monatlich 310,00 Euro an die Klägerin zu zahlen. Beide Ehegatten gingen anschließend keine neue Ehe ein.
Seit August 2003 bezieht die Klägerin von der Beklagten Altersrente für Frauen in Höhe von damals monatlich 254,25 Euro.
Nachdem der Versicherte am 00.00.2006 verstorben war, wandte die Klägerin sich zunächst telefonisch, nachfolgend unter dem 14.05.2007 schriftlich wegen einer Hinterbliebenenrente an die Beklagte.
Die Beklagte wertete das Schreiben der Klägerin als Antrag auf Witwenrente und lehnte diesen mit Bescheid vom 08.05.2008 ab. Zur Begründung führte sie aus, dass eine Witwenrente nach § 46 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI - nur dann gewährt werden könne, wenn im Zeitpunkt des Todes eines Ehegatten die Ehe noch bestehe; die Klägerin sei im Zeitpunkt des Todes des Versicherten jedoch bereits von diesem geschieden gewesen. Die Zahlung einer Witwenrente an geschiedene Ehegatten gemäß § 243 SGB VI komme ebenfalls nicht in Betracht, weil dies eine Ehescheidung vor dem 01.07.1977 voraussetze.
Der gegen diesen Bescheid am 29.05.2008 eingelegte Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 30.09.2008 zurückgewiesen.
Dagegen hat die Klägerin am 13.10.2008 bei dem Sozialgericht Düsseldorf Klage erhoben und im Wesentlichen geltend gemacht, ihr stehe eine Witwenrente an geschiedene Ehegatten zu, obwohl ihre Ehe nicht vor dem in § 243 SGB VI genannten Stichtag (01.07.1977) geschieden worden sei. Hintergrund dieses Stichtags sei die Einführung des Rechtsinstituts des Versorgungsausgleichs zum 01.07.1977 gewesen. Sei ein solcher jedoch - wie in ihrem Fall - nicht durchgeführt worden, weil das spanische Recht einen Versorgungsausgleich nicht kenne, so müsse ihr entgegen dem Wortlaut des § 243 SGB VI Geschiedenenwitwenrente gewährt werden. Im Übrigen erfasse § 243 SGB VI - ebenso wie § 46 SGB VI - lediglich Ehen, die nach deutschem Recht nach Juni 1977 geschieden worden seien. Sie sei jedoch nach spanischem Recht geschieden worden. Sofern das deutsche Recht die Gewährung einer Hinterbliebenenrente bei Scheidungen nach dem 30.06.1977 auch dann ausschließe, wenn ein Versorgungsausgleich nicht durchgeführt worden sei, verstoße dies nicht nur gegen das Grundgesetz, sondern auch gegen europarechtliche Vorschriften. Im Übrigen sei die begehrte Rente für sie lebensnotwendig; denn die Witwenrente, die sie von dem spanischen Rentenversicherungsträger beziehe, betrage lediglich ca. 50 Euro monatlich.
Die Beklagte hat die angefochtenen Bescheide für zutreffend erachtet.
Mit Urteil vom 28.01.2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen das am 09.02.2010 abgesandte Urteil hat die Klägerin am 15.02.2010 Berufung eingelegt. Sie trägt ergänzend vor, § 243 SGB VI sei zumindest analog anzuwenden. Darüber hinaus ergebe sich der geltend gemachte Anspruch auf Hinterbliebenenrente aus Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz - GG -. Dessen Schutz erstrecke sich nach der Entscheidung des BVerfG vom 30.11.1982 - 1 BvR ...