Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Vertretungsgründe gem § 32 Ärzte-ZV. nicht abschließende Aufzählung. aufgrund des Grundsatzes der persönlichen Leistungserbringung weitere Gründe nur in Ausnahmefällen. ehrenamtliche Tätigkeit. Krankentransportrückholtätigkeit mit relativ niedriger Vergütung. vertragsärztlicher Urlaubsbegriff. Dokumentationspflicht
Leitsatz (amtlich)
1. Die Aufzählung der Vertretungsgründe in § 32 Ärzte-ZV ist nicht abschließend, jedoch vor dem Hintergrund des im Vertragsarztrecht geltenden elementaren Grundsatzes der persönlichen Leistungserbringung können weitere Gründe nur in Ausnahmefällen eine Durchbrechung des Grundsatzes rechtfertigen. Es kann daher lediglich eine restriktive Erweiterung der Vertretungsgründe in Betracht kommen.
2. Ein solcher rechtfertigender Vertretungsgrund ist anzunehmen, wenn es sich um eine rein ehrenamtliche Tätigkeit (zB ehrenamtliche Tätigkeit eines Arztes in Entwicklungsländern bei Ärzte ohne Grenzen) handelt, bei der finanzielle Interessen nicht im Vordergrund stehen.
3. Eine Krankentransportrückholtätigkeit (ärztliche Begleitung von Patienten in Linien- bzw Chartermaschinen Business Class im Auftrag des DRK, des ADAC und Medical Berlin), die pauschal und relativ niedrig (hier: von ca 18 € - 90 €) neben einer Aufwandsentschädigung vergütet wird, steht einer ehrenamtlichen Tätigkeit nahe.
4. Der Begriff des Urlaubs (§ 32 Abs 1 Ärzte-ZV) ist in der Ärzte-ZV nicht definiert. Er ist wesentlich weiter als in §§ 1 ff Bundesurlaubsgesetz (juris: BUrlG) und abhängig von der individuellen Einstellung und dem individuellen Empfinden des Vertragsarztes. Es kann dem Vertragsarzt nicht vorgeschrieben werden, wie er seinen Urlaub zu gestalten gedenkt. Die Grenze der Auslegung des Begriffs Urlaub in § 32 Ärzte-ZV findet sich aber in dem Grundsatz der Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung.
5. Zur allgemeinen Dokumentationspflicht nach § 57 BMV-Ä und zur besonderen Dokumentationspflicht bei der Erbringung der Leistung nach der GOP 35100 EBM (juris: EBM-Ä 2008).
Tenor
I. Der Honorarrückforderungs- und Neufestsetzungsbescheid der Beklagten, betreffend die Plausibilitätsprüfung für die Quartale 4/12 bis 1/16 vom 09.05.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.02.2019 wird insofern aufgehoben, als die Rückforderung auf die Implausibilität eigener Leistungen des Klägers im Zusammenhang mit Abflug- und Ankunftstagen, sowie auf die Vertretertätigkeit von Herrn Q. gestützt wird, ausgehend von einer von der Prozessbevollmächtigten geltend gemachten Rückforderungssumme in Höhe von 158.168,55 Euro. Der Ausspruch der Beklagten im Widerspruchsbescheid zur Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts bleibt aufrechterhalten. Im Übrigen wird die Klage zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt 1/8 der Kosten des Verfahrens, die Beklagte 7/8 der Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Klage richtet sich gegen den Ausgangsbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.02.2019, inhaltlich gegen die von der Beklagten vorgenommene Plausibilitätsprüfung, betreffend die Quartale 4/12 bis 1/16, verbunden mit einer Rückforderung von ursprünglich 215.326,28 €. Diese Rückforderung wurde zwischenzeitlich auf 170.496,40 € reduziert.
Zur Begründung führte die Beklagte aus, es habe zeitliche Auffälligkeiten im Quartal 4/15 gegeben. Die Prüfung sei dann auf weitere Quartale ausgeweitet worden. Die Auffälligkeiten stünden zum Teil im Zusammenhang mit den sonstigen Aktivitäten des Klägers. So habe der Kläger im Ausland erkrankte Patienten in erheblichem Umfang zurückbegleitet. Am 04.10.2017 wurde der Kläger gebeten, für die Referenzquartale geeignete Nachweise vorzulegen, die belegten, dass zum Teil auch an Abflug-und Rückkehr-Tagen Leistungen von ihm selbst in der Praxis erbracht wurden. Dem kam der Kläger allerdings nicht nach. Er gab zu verstehen, er wolle gerichtlich klären lassen, ob seine Krankenrückkehrtransporttätigkeit einen Vertretungsgrund darstelle.
Die Beklagte kam in ihrem Widerspruchsbescheid zu dem Ergebnis, es liege ein Verstoß gegen die Grundpflicht zur peinlich genauen Leistungsabrechnung vor. Nach § 4 Abs. 5 der Satzung der KVB sei der Vertragsarzt auskunftspflichtig. Es bestehe auch eine entsprechende Dokumentationspflicht des Arztes. Im Einzelnen wurde ausgeführt, der Kläger verstoße gegen die persönliche Leistungserbringung. Es hätten unzulässige Vertretungen stattgefunden. So habe der Kläger Leistungen seines Vertreters "Q." (ab dem Quartal 4/14) abgerechnet, ohne dass ein Vertretungsgrund vorgelegen habe. Im Zeitraum Quartale 4/12 bis 1/16 sei der Kläger insgesamt an 364 Tagen mit der Durchführung von Krankenrückholtransporten, zum Beispiel für das DRK, den ADAC und Medical A-Stadt und befasst gewesen. An 260 Tagen seien Leistungen abgerechnet worden, ohne dass ein Vertretungsgrund vorgelegen habe. Einer der Grundsätze im Vertragsarztrecht sei aber der Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bun...