TOP 1 Versicherungsrechtliche Auswirkungen in der Pflegeversicherung für vorübergehend in Deutschland beschäftigte Arbeitnehmer, die aufgrund einer auf Abkommensregelungen beruhenden Ausnahmevereinbarung nicht der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung unterliegen
Sachverhalt:
Arbeitnehmer, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und § 25 Abs. 1 SGB III der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Die Versicherungspflicht von Arbeitnehmern in der Pflegeversicherung ist nach § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB XI streng akzessorisch vom Bestehen einer versicherungspflichtigen Mitgliedschaft in der Krankenversicherung abhängig. Der an das Vorliegen einer entgeltlichen Beschäftigung geknüpfte Eintritt der Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung setzt allerdings voraus, dass der jeweilige Arbeitnehmer im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuchs beschäftigt ist (§ 3 Nr. 1 SGB IV). Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts bleiben nach § 6 SGB IV jedoch unberührt, d. h. sie sind vorrangig zu beachten und überlagern, verdrängen oder ergänzen das deutsche Sozialversicherungsrecht. Zum zwischenstaatlichen Recht gehören die von der Bundesrepublik Deutschland mit anderen Staaten geschlossenen Abkommen über Soziale Sicherheit.
Die vorgenannten Abkommen über Soziale Sicherheit enthalten in aller Regel auch Bestimmungen, nach denen vorübergehend im anderen Vertragsstaat beschäftigte Arbeitnehmer, die vom persönlichen Anwendungsbereich des Abkommens erfasst sind, zeitlich begrenzt nur den Rechtsvorschriften eines Vertragsstaats, in der Regel des Herkunftsstaats, unterworfen werden. Damit wird vor allem eine anderenfalls eintretende doppelte Beitragspflicht für Arbeitnehmer und Arbeitgeber (im Herkunfts- und im Beschäftigungsstaat) vermieden. Darüber hinaus sind Ausnahmevereinbarungen möglich, die von den vorgenannten Grundsätzen abweichende Regelungen erlauben. Der sachliche Geltungsbereich der einzelnen Abkommen über Soziale Sicherheit umfasst – je nach Abkommen unterschiedlich - einzelne oder mehrere Versicherungszweige. Die soziale Pflegeversicherung findet in den Abkommen über Soziale Sicherheit in der Regel keine Erwähnung.
Vor dem Hintergrund dieser rechtlichen Ausgangslage ist die Frage gestellt worden, ob vorübergehend in Deutschland beschäftigte Arbeitnehmer, die aufgrund einer auf Abkommensregelungen beruhenden Ausnahmevereinbarung (z. B. nach Artikel 9 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über Soziale Sicherheit) nicht der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung unterliegen, in die Versicherungspflicht zur sozialen Pflegeversicherung einbezogen sind, wenn der Geltungsbereich des Abkommens über Soziale Sicherheit die Pflegeversicherung nicht erfasst und auch die Voraussetzungen der Einstrahlung nach § 5 SGB IV nicht erfüllt sind.
Ergebnis:
Die Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung nach § 20 SGB XI ist streng an das Bestehen einer Versicherungspflicht oder einer freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung geknüpft. Diese Akzessorietät lässt in den beschriebenen Sachverhalten, in denen vorübergehend in Deutschland beschäftigte Arbeitnehmer wegen einer auf Abkommensregelungen beruhenden Ausnahmevereinbarung nicht der deutschen Krankenversicherungspflicht unterliegen, eine Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung nicht entstehen.
TOP 2 Beitragspflicht von ausländischen Renten;
hier: Beitragszahlung im Herkunftsland der Rente und in Deutschland sowie Beurteilung der Beitragsfreiheit nach § 225 SGB V
Sachverhalt:
Ausgehend von dem in Artikel 5 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 verankerten Prinzip der Gleichstellung von in- und ausländischen Leistungen in Bezug auf bestimmte Rechtswirkungen hat der deutsche Gesetzgeber Renten aus dem Ausland (nachfolgend: ausländische Renten), die den Renten der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar sind (nachfolgend: deutsche Renten), hinsichtlich der Eigenschaft als beitragspflichtige Einnahme in der Kranken- und Pflegeversicherung mit Wirkung ab 1. Juli 2011 gleichgestellt (vgl. § 228 Abs. 1 Satz 2 SGB V, § 57 Abs. 1 Satz 1 SGB XI). Dadurch unterliegen ausländische Renten ab 1. Juli 2011 auch bei Versicherungspflichtigen nach Maßgabe der für die einzelnen Personenkreise geltenden Vorschriften der Beitragspflicht, und zwar auch außerhalb des Anwendungsbereichs der vorgenannten EG-Verordnung.
In der Fachkonferenz Beiträge am 29. März 2011 wurde bereits eine Reihe von Fragen im Zusammenhang mit der Beitragspflicht von ausländischen Renten geklärt (vgl. Ergebnisniederschrift zu Top 1). Ergänzend dazu wurde inzwischen weiterer Beratungsbedarf festgestellt. Dieser betrifft zum einen Fälle, in denen bei Personen, die unter Anwendung der leistungs- bzw. versicherungsrechtlichen Konkurrenzregelungen der VO (EG) Nr. 883/2004 deutschem Recht unterliegen, von einer ausländischen Rente in deren Herkunftsland ebenfalls Beiträge erhoben bzw. direkt einbehalten werden. Die betroffenen Personen sind damit zumindest faktisch einer doppelten Beitragszahlung ausgesetzt. Zum anderen geht es um die Beurteilung der Beitragsfreiheit (der ausländisc...